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Skigebiet im Moorwald  Skigebiet Schierke: Bei Wernigerode wird über ein geplantes Skigebiet im Moorwald gestritten

Von Ralf Böhme 20.01.2017, 13:12

Schierke - Ein Wintertraum. Ski und Rodel gut. In Schierke ist dieses Prädikat derzeit fast noch eine Untertreibung. Denn die Schneehöhe hier am Fuße des Brocken beträgt satte 75 Zentimeter. Trotzdem reicht der kräftige Flockenwirbel nicht, um das größte Problem im Oberharz zu verdecken: Kommune und Investoren werden momentan ausgebremst.

Das spektakulärste Tourismus-Vorhaben in Sachsen-Anhalt hat einen Wirbel ausgelöst, der die klare Sicht nach vorn stark einschränkt. Zwischen Kleinem und Großen Winterberg sollen so schnell wie möglich eine moderne Seilbahn, schnelle Pisten und eine ganzjährig nutzbare Eisarena entstehen. Doch ein kleines Waldstück im Mittelabschnitt droht zu einem unüberwindlichen Hindernis für das ambitionierte Vorhaben zu werden.

Für Naturschützer ist der Moorwald ein besonders wichtiger Lebensraum

Gegensätzlicher können die Ansichten darüber kaum sein: Die Befürworter des 30-Millionen-Projektes wollen die Bäume dort einfach abholzen, das Gelände für Wintersportler und Wanderer planieren. Dagegen machen sich Naturschützer stark. Für sie ist das Gebiet ein besonders wichtiger Lebensraum, in dem sich jegliche Eingriffe verbieten.

Dabei könnte man das Problem, zumindest auf dem Papier, beinahe übersehen. Nur eine sehr dünne schwarze Schraffur kennzeichnet in den Plänen die Gegend, um die es geht. Und wer kennt sich in Schierke mit dem Moorwald aus?

Ortsbürgermeisterin Christiane Hopstock ist es jedenfalls nicht. Sie stammt zwar aus dem Ort. Aber einen Weg, der zu dem umstrittenen Flecken zwischen den Berghängen führt, kann auch die umtriebige Kommunalpolitikerin und Hotelbesitzerin nicht weisen. Denn es gibt einfach keinen.

Moorwald lag zu DDR-Zeiten im Grenzgebiet

Eine lange Geschichte kurz gefasst: Während der deutschen Teilung lag die Fläche im  damaligen Grenzgebiet, nicht zugänglich, de facto ungenutzt. Die ganze Geschichte dieses Forstes geriet zu DDR-Zeiten in Vergessenheit. Erst die Voruntersuchungen der Planer machten den Moorwald zu einem Thema.

Soviel steht nun offenbar fest: Die Bäume dort sind zwischen 50 oder 60 Jahre alt. Es handelt sich fast ausnahmslos um Fichten, ursprünglich ein schlichter Wirtschaftswald zur Holzgewinnung. Allerdings steht das Areal oft unter Wasser. Einst angelegte Drainagen sind aber lange hinüber. Deshalb gibt es etliche sumpfige Stellen. Und wen wundert es, die Pflanzenwelt passt sich den Umständen an - ein Moorwald entsteht.

Gutachter soll helfen, das Waldstück bei Schierke einzuschätzen

Genau an diesem Punkt setzen die Experten vom Bund für Natur und Umwelt an, bewerten die Landschaft, die außerhalb des streng geschätzten Nationalparks liegt, als schützenswerten Lebensraum von europäischer Bedeutung. Im Moment bemühen sich die Naturschützer um gutachterlichen Beistand, um ihre Position untermauern zu können.

Doch auch die Investoren rüsten sich für die Auseinandersetzung. „Notfalls muss die Entscheidung vor Gericht fallen“, sagt Projektsprecher Andreas Meling. Jeder Akteur in dem Meinungswettstreit scheint zu ahnen, dass man auch bei diesem Vorhaben lange auf Zeit spielen kann.

Abschreckendes Beispiel dafür im südlichen Sachsen-Anhalt ist der immer wieder aufgeschobene Bau der Westumfahrung von Halle, der A 143 - wegen seltener Trockenrasen. Dennoch, überall wird am Ende in einer gesetzlich geregelten Prozedur entschieden. Baurecht winkt erst nach den abgeschlossenen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren.

So sehr der Streit um den Moorwald die Gemüter erhitzen mag, noch mehr Zeit und Kraft binden offenbar die vielen Genehmigungen, die für das Projekt erforderlich sind. Dazu zählen Verträglichkeitsstudien zu einer Vielzahl von Umweltfragen. So widmen sich Ermittlungen dem Vorkommen von Fledermäusen, Libellen, der Tag- und Nachtfaltern. Auch Fische, Krebse, Amphibien und Reptilien werden in den Blick genommen. Eine Feinkartierung soll Eigenarten des Hochmoors erkennbar und verständlich machen. Hinzu kommen Gutachten zu Lärm und Verkehr, Wasser, Boden und Klima.

Die Finanzierung für das Projekt steht bereits

Die Liste der Aufgaben, die vor dem ersten Spatenstich gelöst werden müssen, ist noch viel länger. Umso erfreulicher vermerkt Projektsprecher Meling, dass wenigstens die Finanzierung des Millionen-Projektes gesichert scheint. Die Winterberg Schierke GmbH will die Investitionen in Seilbahn, Gondelbahnhof, die Stationen im Tal, am Hang und auf dem Berg übernehmen. Auch für die Beschneiungstechnik und ein Pumpenhaus in 650 Meter Höhe kommen die Gesellschafter demnach auf. In der Summe bringen sie im Harz 18 Millionen Euro auf. 

Beteiligt an dem Großprojekt sind Gerhard Bürger, Inhaber mehrerer Baumärkte, Clemens Aulich als Chef des Luftfahrtmuseums Wernigerode in der Region gut bekannt und Immobilien-Profi Sebastian Lüder aus Hildesheim.

Die „Bergwelten“ in Schierke sollen bis zu drei Millionen Gäste im Jahr anlocken

Die Stadt Wernigerode, deren Ortsteil Schierke ist, kümmert sich laut Plan mit mehr als sieben Millionen Euro um den Pistenbau und die Erschließung und schafft einen künstlichen See und eine Wassererlebniswelt. Geht das Konzept auf, firmiert der Standort künftig unter dem Logo „Bergwelten“ und soll jährlich bis zu drei Millionen Gäste anlocken. Das wäre eine Verdopplung der bisherigen Spitzenwerte.

Allein im Jahr 2015 zählte der 700-Einwohner-Gebirgsort mehr Gästebetten als Halle und kam auf rund 190.000 Übernachtungen pro Jahr. (mz)