RWE, EnBW, Eon, Vattenfall RWE, EnBW, Eon, Vattenfall: So gehen Energieriesen mit den Folgen des Atomausstiegs um

Frankfurt - Es ist das waghalsigste Vorhaben in der Geschichte der deutschen Energiewirtschaft. Am Freitag startet das Projekt RWE International. Zum 1. April wechseln 40000 der 60000 Beschäftigten in die neue Tochter des Energieriesen aus NRW.
Schon Ende des Jahres soll das Unternehmen an die Börse gebracht werden. Damit will sich RWE Geld beschaffen, um neue Geschäfte mit Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen aufzubauen. Konzernchef Peter Terium sagt: „Wir wollen den Energiemarkt der Zukunft gestalten und Vorreiter sein.“
Branche in der Kritik
Die Frage, ob das Investoren überzeugt. RWE steht auf der Kippe. Das ist symptomatisch für die gesamte Branche. Umweltschützer werfen vielen Energiekonzernen Ignoranz und Blindheit vor. Eine Studie im Auftrag von Greenpeace weist nach, wie in den vergangenen zehn Jahren in Europa „Überinvestitionen in überflüssige fossile Kraftwerke“ getätigt wurden.
RWE war ganz vorne dabei, obwohl die Energiewende längst Fahrt aufgenommen hatte. Gigantische Überkapazitäten sind entstanden, wodurch die Preise an den Strombörsen nach unten geprügelt wurden. Wer sich heute Stromlieferungen für 2017 und 2018 sichern will, kann das schon für rund 20 Euro pro Megawattstunde tun - ein Preis, bei dem kaum ein Großkraftwerk noch Geld verdienen kann.
Großkraftwerke müssten dichtgemacht werden
Die Folge: Konzerne müssen riesige Abschreibungen auf den Wert ihrer Anlagen verbuchen, und die Preise bröckeln weiter, da die Erneuerbaren weiter ausgebaut werden. Die Schweizer Bank UBS hat ausgerechnet, dass in Europa Großkraftwerke mit der Leistung von mehr als 40 AKW dichtgemacht werden müssten, um die Notierungen für Börsenstrom zu stabilisieren.
Das würde aber zugleich noch erheblich größere Abschreibungen auf Kraftwerke bedeuten. Wir erläutern, wie die vier großen deutschen Energiekonzerne diesem Teufelskreis entrinnen wollen.
EnBW: Sanfter Umbau
Die Marschrichtung ist klar und sie wird angesichts der Verwerfungen in der Energiebranche mit erstaunlicher Konsequenz betrieben: EnBW-Chef Frank Mastiaux hat als Überlebenskonzept für seinen Konzern die Parole ausgegeben, dass bis 2020 rund 85 Prozent des Gewinns aus den Geschäftsfeldern erneuerbare Energien, Netze und dem Vertrieb an Endkunden kommen soll. Entscheidend dabei ist, Anlagen, die Öko-Strom erzeugen, ans Netz zu bringen.
EnBW ist da im Vergleich zu den anderen deutschen Energie-Riesen schon relativ weit. Im vorigen Jahr hat der Konzern den Anteil der Erneuerbaren an der gesamten Erzeugungskapazität des Konzerns von 19 auf knapp 24 Prozent gesteigert. Vor allem in beim Bau von Windräder auf hoher See haben die Süddeutschen schon früh engagiert.
2015 wurde unter anderem der Windpark Baltic 2 seiner Bestimmung übergeben. Gleichwohl Mastiaux rechnet damit, dass EnBW auch in diesem Jahr Einbußen vor allem bei den konventionellen Energien hinnehmen muss. Dass es neue Sparrunden geben muss - auch mit Stellenstreichungen – steht fest. Eine Aufspaltung des Unternehmens kommt für ihn gleichwohl nicht in Frage. Er setzt auf einen sanften Umbau unter einem EnBW-Dach.
Vattenfall: Rückzug
Einst war die deutsche Tochter für den schwedischen Staatskonzern eine wichtige Einnahmequelle. Mit Kernkraft und Braunkohle wurden hohe Renditen erzielt. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Die beiden Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel wurden schon im August 2011 stillgelegt. Seither kämpfen die Vattenfall-Manager vor Gerichten und in Verhandlungen mit den Politikern vor allem darum, mit möglichst geringen Belastungen aus dem AKW-Geschäft auszusteigen.
Es geht um die Kosten für den Abriss der Anlagen und die Endlagerung der Atommülls. Vom Betrieb der Braunkohlekraftwerke in der Lausitz nebst Tagebau will sich Vattenfall ebenfalls verabschieden, auf Geheiß der schwedischen Regierung, wegen der enormen Umweltbelastungen, aber auch wegen schwindender Geschäftsaussichten. Derzeit wird nach Investoren gesucht, die die gigantischen Anlagen, in denen mehr als 30000 Menschen arbeiten, übernehmen.
Ein Bieterverfahren endete vor wenigen Tagen, nun werden die Offerten geprüft. Klar ist, dass zwei tschechische Unternehmen Interesse haben. Die Krux dabei ist aber, dass potenzielle Investoren als Gegenleistung für den Erhalt von Jobs staatliche Hilfen fordern – insbesondere für die aufwendige Sanierung der Tagebaue.
Eon: Das Bad-Bank-Prinzip
Eon liefert als Branchenriese die Blaupause für den Umbau der Energiekonzerne. Das Konzept ist wiederum dem Prinzip Bad Bank nachempfunden, mit dem in der Finanzkrise Unternehmen gerettet wurden, die mit voller Wucht an die Wand gefahren wurden. Die faulen oder nicht mehr lebensfähigen Sparten werden in einer Gesellschaft gebündelt.
Das macht es möglich, mit den gesunden und zukunftsträchtigen Geschäften einen Neustart zu wagen. Deshalb wurde vor allem die Gas- und Kohlekraftwerke von Eon in die neue Tochter Uniper ausgelagert. Die Zukunft soll den Erneuerbaren, dem Netzgeschäft und dem Vertrieb gehören. Das ist ein Konstrukt, das für Anleger attraktiv sein soll. Für Eon ist das von großer Relevanz, weil der Konzern stark von Fonds, Pensionskassen und anderen Akteuren am Kapitalmarkt abhängig ist.
Eon hat einigermaßen gute Startchancen. Der Konzern hat es immerhin geschafft, dass mittlerweile 14 Prozent des erzeugten Stroms aus regenerativen Quellen kommt. Vom Netzgeschäft verspricht sich das Management enorm viel: Durch die Energiewende mit viele kleinen und kleinsten Kraftwerken werden die Anforderungen an die Netze immer anspruchsvoller. Eon kann hier viel Knowhow bieten.
RWE: Spätstarter
RWE ist der Konzern unter den großen Vier, der den Umbau am längsten herausgezögert hat. Dabei spielt eine große Rolle, dass Kommunen aus NRW die einflussreichste Aktionärsgruppe sind. Dividenden des Energieriesen waren bislang fest in die kommunalen Haushalte eingeplant. Deshalb galt jahrzehntelang das strategische Grundprinzip: Keine Experimente.
Es wurde konsequent auf Atomkraft und fossile Energieträger gesetzt – Braun- und Steinkohle machen noch immer 60 Prozent der Stromerzeugung aus. Die Erneuerbaren tragen gerade mal fünf Prozent bei. Ende 2015 kam dann die längst überfällige Wende. Konzernchef Peter Terium startete die Aufspaltung. Es wird eine vorläufig RWE International genannte neue Tochter geschaffen, die sich um Wind- und Sonnenstrom sowie um Netze und Vertrieb kümmert – analog zu Eon.
Zweifel gibt es an den Marktchancen des Spätstarters. Viele Konkurrenten haben bei den Erneuerbaren einen großen Erfahrungsvorsprung, und die Zeiten riesiger Renditen durch großzügige staatliche Förderung sind vorbei. Zugleich kämpfen die Manager der RWE-Mutter darum, Kosten für den Atomausstieg einzudämmen. Und daneben wird mit der Politik verhandelt, wie es mit der Braunkohle weitergeht, auch hier wird ein Ausstieg früher oder später kommen.