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Paukenschlag bei der DB Paukenschlag bei der DB: Der Aufsichtsrat hat sich mit Rüdiger Grube verzockt

Von Peter Berger 30.01.2017, 16:21
Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube.
Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube. dpa

Berlin - Jedes Mal, wenn Rüdiger Grube (65) auf die Verlängerung seines Vertrags angesprochen wurde – und das war zuletzt nahezu täglich der Fall – hat er mehr oder minder gleich geantwortet.  Er sei noch nie einem Vertrag hinterher gelaufen und werde sich mit Sicherheit nicht aufs Altenteil zurückziehen, wenn die Deutsche Bahn ihn nicht mehr haben wolle.

Bedingungen nicht in Grubes Sinne

Der Aufsichtsrat wollte ihn am  Montag zwar schon  über Dezember 2017 hinaus – aber eben nicht zu Bedingungen, die vorher vereinbart schienen. Und die waren aus Grubes Sicht  klar und eindeutig: Drei weitere Jahre auf dem Chefposten, im Gegenzug dafür Verzicht auf ein höheres Gehalt und auch keine Abfindung für den Fall des vorzeitigen Abgangs. Von alldem war in der Sitzung des Aufsichtsrats am Montag offenbar keine Rede mehr. Zwei Jahre hat man ihm angeboten  – da schmiss Grube entnervt die Brocken hin. Ein Umstand, mit dem niemand zuvor gerechnet hatte.

Der Aufsichtsrat hat sich verzockt. Entsprechend dürftig fiel die Stellungnahme des Vorsitzenden aus.  „Herr Dr. Rüdiger Grube hat sich bleibende Verdienste erworben, gerade auch im Hinblick auf die Zukunftssicherung der DB. Die Digitalisierung der DB ist ebenso mit seinem Namen verbunden wie das Qualitätsprogramm »Zukunft Bahn«“, sagte Utz-Hellmuth Felcht (70).

Den Ex-Bahnchef hat es  offenbar schwer genervt, mit welchen Hindernissen seine Vertragsverlängerung  verbunden war. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ließ ihn zappeln und soll den neuen Kontrakt ernsthaft an die Bedingung geknüpft haben, Grube müsse es zuvor gelingen, kostenloses und stabiles WLAN in allen 260 ICE-Zügen auch in der zweiten Klasse anzubieten. Grube hat geliefert, pünktlich zum 1. Januar. Eine Punktlandung.

Streit um Bonus-Zahlungen haben zu Grubes Verärgerung beigetragen

Auf ein höheres Gehalt hatte der Ex-Bahnchef zunächst nicht verzichten wollen. Das Salär bestand zuletzt aus einem Festgehalt von 900.000 Euro pro Jahr, mit den variablen Teilen und Pensionsansprüchen dürfte es bei rund 2,4 Millionen Euro gelegen haben. Normalerweise werden Vertragsverlängerungen dazu genutzt, auch da draufzusatteln.

Die Debatte um die Boni für die Bahn-Vorstände dürfte auch nicht gerade dazu beigetragen haben, Grubes Laune zu verbessern. Offenbar war vereinbart, dass rund ein Viertel der Bonuszahlungen in seinem Fall davon abhängig gemacht wurde, dass er den Verwaltungsapparat des Bahnkonzerns verschlankt – die Rede war zuletzt von einer Ersparnis von rund 500 Millionen Euro pro Jahr.

Auch das war geklärt und aus dem Weg geräumt – und dann hielt sich der Aufsichtsrat am Montag überraschend nicht an die getroffenen Vereinbarungen. Für Grube war das nicht hinnehmbar. Es wäre der erste Vertrag gewesen, dem er hinterher gelaufen ist.

Der Rücktritt des Bahnchefs mit sofortiger Wirkung ist ein Paukenschlag. Da steigt einer bei Tempo 300 aus einem ICE – einer, der am liebsten noch drei Jahre Vollgas gegeben, die Digitalisierung und das Projekt „Zukunft Bahn“ vorangetrieben hätte. Den Aufsichtsrat bringt das in arge Nöte. Sich im Jahr der Bundestagswahl auf einen Nachfolger zu verständigen bei einem Staatskonzern, der beständig unter dem Einfluss der Politik steht, ist kein Zuckerschlecken.

Finanzvorstand Richard Lutz nimmt Grubes Platz ein

Ab sofort leitet Finanzvorstand Richard Lutz kommissarisch die Bahn und das dürfte wohl auch noch eine Weile so bleiben. Für Grubes Kronprinzen, den ehemaligen Kanzleramtsminister und CDU-Politiker Ronald Pofalla (57) kommt der Rücktritt zur Unzeit. Gerade erst zum Infrastrukturvorstand aufgestiegen, wird man sich auf dem politischen Parkett wohl kaum auf ihn als Nachfolger verständigen können. Zumal schon dieser Aufstieg den Plänen des Aufsichtsrates zuwider lief. Felcht hätte anstelle des Lobbyisten Pofalla lieber einen unabhängigen Manager gesucht.

Grubes Rücktritt war kaum verkündet, da ging die Politik schon in Stellung. Das sei eine „in der Tat eine so nicht zu erwartende Wendung“, sagt Bundesverkehrsminister Dobrindt. Die Nachfolge müsse nun „möglichst zügig“ gelöst werden. Auf die Frage nach den Aussichten Pofallas sagte Dobrindt: „Wir gehen jetzt einfach auf die Suche. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, jetzt im Vorfeld schon irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen.“

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat schon angekündigt, dass über Grubes Nachfolge an der Spitze des Staatsunternehmens in der Koalition entschieden werden müsse. Auch die Verkehrspolitiker bringen sich schon in Stellung:  Ein Nachfolger müsse das Staatsunternehmen nach Worten von Martin Burkert (SPD) bei der Zuverlässigkeit und beim Güterverkehr voran bringen. „Grube war nach Mehdorn der Richtige, um die Deutsche Bahn wieder zur Ruhe zu bringen“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag. „Es braucht jetzt einen Bahnchef, der Qualität und Zuverlässigkeit voranbringt und DB Cargo wieder aufs richtige Gleis setzt.“

Doch was braucht die Bahn nach acht Jahren Grube wirklich? Experten sagen, dass die Politik endlich eine Grundsatzentscheidung treffen müsse, ob der Staatskonzern möglichst hohe Gewinne einfahren, oder ein umweltfreundliches und möglichst preiswertes Massenverkehrsmittel sein soll. Für Rüdiger Grube war die Bahn eher letzteres – zu seinen Lieblingsvokabeln zählt die vom „Brot-und-Butter-Geschäft“. Den ehemaligen Bahnchef muss das alles  nicht mehr interessieren. Er soll am Montag noch in den Bahntower zum Potsdamer Platz gefahren sein, um seinen Schreibtisch zu räumen.

Diese Großbaustellen hinterlässt der Bahnchef

Rüdiger Grube  verlässt die Bahn zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Er hat die Konzernspitze gerade erst radikal umgebaut, Reformen angestoßen. Mit diesen  Baustellen muss sich nun sein Nachfolger herumschlagen.

VERSCHULDUNG Nach dem im Dezember geplatzten Teil-Börsengang der profitablen Bahntochter Arriva, die im Ausland Züge und und Buse betreibt, immer noch fehlt das Geld für dringend nötige Investitionen. Grube hatte Arriva im Jahr 2010 für knapp drei Milliarden Euro gekauft. Aus heutiger Sicht ein gutes Geschäft. Der Teil-Börsengang hätte frisches Geld in die DB-Kasse gespült. Die Verschuldung des Bahnkonzerns liegt inzwischen bei fast 18 Milliarden Euro, bei 19 Milliarden sei die rote Linie erreicht. Das war immer Rüdiger Grubes Credo. Sein Nachfolger muss jetzt schnell für die Tochtergesellschaften Arriva und Schenker Käufer finden. Ob es dabei bleibt, dass die Mehrheitsbeteiligung an den beiden Gesellschaften weiterhin bei der Deutschen Bahn liegt, ist wieder offen.

FERNVERKEHR Mit „Zukunft Bahn“ hat Grube ein Programm auf die Schiene gesetzt, das von dem in viele Geschäftsfelder zersplitterten Konzern vor allem eins verlangt: Zusammenarbeit. Der Anfang ist gemacht, aber der größte Teil der Arbeit muss erst noch getan werden, um in Sachen Pünktlichkeit, Reisenden-Information, Fahrzeug- und Betriebsqualität deutlich besser zu werden. Das ehrgeizige Ausbauprogramm des ICE- und IC-Netzes läuft bis 2030. Zudem wollte Grube eine Milliarde Euro allein bis 2018 in die Digitalisierung stecken. Die Auslastung der Fernzüge ist zuletzt deutlich gestiegen, was vor allem aber auf die Sparpreise zurückzuführen ist. Diese Strategie Grubes scheint aufzugehen. 2016 wird die Bahn auch dank des Fernverkehrs wieder einen Betriebsgewinn von 1,8 Milliarden Euro machen.

GÜTERBAHN  Tausende Jobs auf der Kippe, Verladestellen werden geschlossen. Bei DB Cargo, wie die Güterbahn seit Mitte 2016 wieder heißt, geht es beständig abwärts. Mit einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro pro Jahr und einem Anteil von 23 Prozent in Europa ist sie zwar der Marktführer, schreibt aber seit Jahren Verluste. 2015 waren es 184 Millionen Euro plus Sonderabschreibungen auf Lokomotiven und Güterwagen. Allein in England, wo Kohle- und Stahltransporte immer mehr zurückgehen, werden 900 von 3000 Stellen gestrichen. Berthold Huber, Vorstand für Verkehr und Transport, sprach noch im Januar über grundlegende Reformen, um DB Cargo wieder aus der Verlustzone zu bringen. Im Güterverkehr soll es künftig wie im Personenverkehr einen festen Fahrplan geben, drei Viertel aller Züge sollen danach fahren. Den Einzelwagen, der beim Kunden abgeholt wird, soll eher die Ausnahme bleiben.

STUTTGART 21 Mit dem Milliardenprojekt, das Rüdiger Grube („Ich hätte Stuttgart 21 nicht gemacht“) von seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn übernommen hat und dessen Gesamtkosten mittlerweile bei 6,5 Milliarden Euro liegen, muss sich nun sein Nachfolger herumschlagen. Und diese Schlacht ums Geld wird vor den Gerichten ausgetragen. Die Bahn will erreichen, dass sich das Land Baden-Württemberg, die Stadt, die Region und der Flughafen Stuttgart an den Mehrkosten beteiligen. Derzeit geht es um zwei Milliarden Euro, die von der Bahn vorfinanziert werden. Ob das ausreicht, weiß keiner so genau.