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Autobauer Opel: Carlos Tavares stellt Zukunftsplan vor - "Situation dramatisch"

Von Frank-Thomas Wenzel 09.11.2017, 15:22
Carlos Tavares, Chef der neuen Opel-Mutter PSA, in Rüsselsheim.
Carlos Tavares, Chef der neuen Opel-Mutter PSA, in Rüsselsheim. AFP

Berlin - Carlos Tavares war am Donnerstag von Paris nach Rüsselsheim gekommen, um vor allem eins zu tun: zu appellieren. Mehrfach betonte der Chef der neuen Opel-Mutter PSA, dass die Situation beim hessischen Autobauer dramatisch sei und dass sie sich mit jedem Tag verschärfe. „Ich sage das freundlich und verantwortungsvoll“, beteuerte der Manager. „Und ich vertraue auf das Verantwortungsbewusstsein“. Wen er damit meinte, sagte er nicht. Das war auch gar nicht nötig, denn den Teilnehmern der Pressekonferenz im Opel-Designcenter war klar, dass damit die Arbeitnehmervertreter und die Gewerkschafter angesprochen waren.

Tavares und der neue Opel-Chef Michael Lohscheller haben 100 Tage nach der Übernahme des Autobauers durch die Franzosen, die bislang Autos der Marken Peugeot, Citroen und DS gebaut haben, den sogenannten Zukunftsplan für die beiden neuen Marken Opel und Vauxhall vorgestellt. Es ist ein Eckpunkte-Programm bis  zum Jahr 2025 und einer Zwischenstation 2020. Was sich die Manager da vorgenommen haben, ist äußerst ehrgeizig. Als wichtigste Prämisse formulierte Lohscheller: „Wir wollen unserer Ziele erreichen, ohne in Europa Werke zu schließen und ohne betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen.“

„Jetzt muss Konkretes auf den Tisch gelegt werden

Für Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug sind damit die maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt, um nun konkret darüber zu verhandeln, was das für die Beschäftigten bedeutet. „Jetzt muss Konkretes auf den Tisch gelegt werden“, so der oberste Arbeitnehmervertreter. Dass die Belegschaft kleiner werden wird, ist auch ihm klar: „Wir werden sicher nicht alle freiwerdenden Arbeitsplätze 1:1 ersetzen.“ Die Produktivität von Opel und der britischen Schwester Vauxhall müsse steigen.

Konkrete Zahlen über einen Arbeitsplatzabbau wollte am Donnerstag niemand nennen. Jobgarantien für die Beschäftigten in Deutschland bestehen bis Ende 2018. Doch es werde schon jetzt, so Lohscheller, über Kurzarbeit, Altersteilzeit und „innovative Arbeitszeitmodelle“ diskutiert.  Der Automobilwissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer hat hochgerechnet, dass „langfristig bis zu 6000 Stellen“ gestrichen werden müssen, um die Vorgaben von Tavares zu erfüllen. Das Unternehmen hat insgesamt rund 37000 Beschäftigte, davon arbeiten mehr als 19000 in Deutschland.

PSA-Umbau als Blaupause für Opel

Der Portugiese Tavares schilderte noch einmal ausführlich, wie er PSA in gut fünf Jahren von einem Pleitekandidaten zu einem profitablen Unternehmen umgebaut hat. Mit gutem Grund: Das soll die Blaupause der Radikalkur für Opel sein. Um zu verdeutlichen, wie dringlich es Tavares ist, zeigte er auf großen Videowand im Designcenter die Kennziffern des Niederganges von Opel: Schrumpfen des Marktanteils in Europa von 9,22 Prozent auf 5,72 Prozent zwischen 1999 und 2016.

Ein aufaddierter Verlust von 19 Milliarden Dollar im selben Zeitraum. Und Schäfer-Klug machte klar, dass das Management nun endlich erkannt habe, dass Opel die Abgasziele für 2020 nicht erreichen kann, wenn alles so weiter wie bisher laufe. Zuvor habe er zwei Jahre lang vergeblich versucht, dem früheren Eigner General Motors die prekäre Situation klar zu machen. 95 Gramm Kohlendioxid darf die Neuwagenflotte von 2020 an noch in die Luft blasen. Derzeit sind es noch 130 Gramm.

„Opel wird elektrisch“

Um das Ziel zu erreichen, soll laut Lohscheller nun das die Fahrzeugportfolio von Opel so schnell wie möglich auf die Plattformen von PSA umgestellt werden. Das heißt, in noch nicht einmal drei Jahren sollen die Neuwagen von Opel mit Peugeot-Citroen-Technik fahren. Dafür muss in den Fabriken in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern die Fertigung komplett umgekrempelt werden. Anspruchsvoll ist auch die Ansage von Lohscheller bis 2020 „vier elektrifizierte Baureihen“ auf den Markt zu bringen. Dazu soll eine Plug-In-Hybrid-Variante des SUV Grandland X gehören. Der nächste Corsa werde überdies auch als reinrassiges Elektroauto angeboten. Man wolle in Sachen CO2-Ausstoß eine Führungsrolle übernehmen. „Opel wird elektrisch“, so der Manager.

Doch er muss in den nächsten zwei Jahren und zwei Monaten parallel dazu auch noch dafür sorgen, dass Opel wieder Gewinne macht. Im Verhältnis zum Umsatz soll ein Profit aus der betrieblichen Tätigkeit von zwei Prozent erwirtschaftet werden – Opel hat seit mehr als anderthalb Jahrzehnten keine schwarzen Zahlen mehr geschrieben. Nun aber sollen durch die neue französisch-deutsche Zusammenarbeit die Kosten um mehr als eine Milliarde gedrückt werden. Fast ein Drittel soll allein aus dem Einkauf kommen. Wenn bei Peugeot, Citroen, Opel und Vauxhall die gleichen Motoren, Getriebe und Fahrwerke verbaut werden, kann bei Zulieferern in größeren Mengen eingekauft werden, was Rabatte bringt.

Forschungsausgaben sollen gekürzt werden

Zweiter maßgeblicher Punkt: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen um ein Viertel gedrückt werden. Wie das konkret funktionieren soll, haben Tavares und Lohscheller nicht erläutert. Klar ist aber: Wenn Opel die Baukastensysteme und viele Komponenten von PSA übernimmt, dann müssen diese nicht mehr von Opel selbst entwickelt werden. Gleichwohl beteuerte der Opel-Chef, dass im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum, wo rund 7700 Frauen und Männer arbeiten, weiterhin die neuen Opel-Modelle „basierend auf Technologien der Groupe PSA“ entwickelt werden. Da wird es vor allem um die äußere Hülle gehen. Das soll so ähnlich wie bei Volkswagen funktionieren, wo beispielsweise die Skodas auf Basis der entsprechenden VW-Modelle entwickelt werden. Insider gehen gleichwohl davon aus, dass die Belegschaft des Entwicklungszentrums früher oder später verkleinert wird.

Von Tavares war dazu am Donnerstag nichts zu hören. Ihm war vielmehr wichtig, dass auch die anwesenden Journalisten die Dringlichkeit der anstehenden Vorhaben verstehen. Er bat um „positive Berichterstattung“.