Online-Modehändler Online Mode kaufen: Zalandoentwirft Mode und vertreibt 17 eigene Marken

Berlin - Sein Outfit ist so extravagant wie ein Blatt Druckerpapier. Blauer Pulli, Chinos, Schnürschuhe. Würde man wildfremde Leute auf der Straße fragen, womit Jan Wilmking wohl sein Geld verdient, könnte man ruhigen Gewissens ein Vermögen drauf setzen, dass niemand es errät. Der 38-jährige gelernte Luftverkehrskaufmann ist der heimliche Mode-König Berlins und mit Marken wie „Anna Field“, „Zign“ oder „Pier One“ erfolgreich wie kein anderer in der hiesigen Fashion-Szene. Immerhin bringt er es auf einen Jahresumsatz von einer halben Milliarde Euro.
Wilmking ist Chef der Zalando-Tochter Zlabels, unter deren Dach der Online-Modehändler seine Eigenmarken zusammenfasst. Vor sechs Jahren hat Zalando begonnen, Schuhe, Kleider und Blusen nicht mehr nur ein- und weiterzukaufen, sondern selbst zu kreieren und produzieren zu lassen. Mittlerweile sind es 17 Marken, die auf nahezu jeden Kundengeschmack zugeschnitten sind – von frech bis konservativ, von günstig bis teuer.
50 Designerinnen arbeiten in einem ehemaligen Fabrikgebäude in Berlin
Die Ateliers, in denen die Mode aus der Hauptstadt kreiert wird, befinden sich am Ostkreuz auf der wenig hippen Grenze zwischen Friedrichshain und Lichtenberg. In einem ehemaligen Fabrikgebäude an der Neuen Bahnhofstraße, in dem ein Georg Knorr zu Beginn des vorigen Jahrhunderts ein zum Weltkonzern der Fahrzeugtechnik gewachsenes Unternehmen gründete, arbeiten heute etwa 450 Mitarbeiter für Zalandos Kreativ-Abteilung. Leichte Stoffe statt Heavy Metall.
Eine der 50 Designerinnen ist Haleh Esbak. Die 31-Jährige kam mit drei Jahren aus dem Iran nach Deutschland, hat an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft Modedesign studiert und kam unmittelbar nach dem Studium zu Zalando, wo ihr Schreibtisch nun am Ende eines Großraumbüros zwischen Kleiderständern und einer Pinnwand steht.
Das Geschäft mit der Eigenmarke ist vom klassischen Handel abgeguckt
Es gibt keine deckenhohen Regale mit unzähligen bunten Stoffballen. Wenn Haleh Esbak aus dem Fenster sieht, blickt sie auf ein Mietshaus. Unten pulst der Verkehr zwischen Boxhagener Straße und Frankfurter Allee. Es ist nicht gerade der Arbeitsplatz, den man sich vorstellt, wenn man an den einer Modeschöpferin denkt.
Hat sie sich ihren Job so vorgestellt? Die junge Frau lacht und erzählt, wie sie schon kurz nach ihrem Studium in der U-Bahn einem jungen Mädchen begegnete, das ein von ihr entworfenes Kleid trug. „Das zählt“, sagt sie. Mittlerweile ist das für sie längst Routine geworden. Sie entwirft Kleidung für die Marke Mint & Berry, in der laut Marketing-Botschaft Vintage-Design auf skandinavischen Purismus trifft. „Ich entwerfe etwa 30 Kleidungstücke im Monat. Kein halbes Jahr später kann man sie kaufen“, sagt Haleh Esbak.
Das Geschäft mit den Eigenmarken hat sich das Online-Modekaufhaus vom klassischen Handel abgeguckt, wo etwa Kaufhof Klamotten von Manguun und Mark Adam anbietet oder Peek & Cloppenburg das Label McNeal erfand, zu dem heute sogar eigene Läden gehören. Für Zalando ging es zunächst darum, rasch preisgünstige Waren zu bekommen, mit denen man die Kundschaft von H&M und Zara ins Visier nehmen konnte. Damals kaufte man fertige Kleider und Blusen bei No-Name-Herstellern und ließ dort die eigenen Label einnähen. Das war der Anfang.
Zlabels soll die Profitabilität steigern
Inzwischen hat Jan Wilmking das System Eigenmarke bei Zalando zu Perfektion gebracht. Rund 10 000 neue Artikel kommen mittlerweile binnen eines Jahres aus den hauseigenen Ateliers, werden zu 40 Prozent in Europa produziert und inzwischen sogar auch über Amazon in den USA verkauft. Den reinen Einkauf wie zu Anfangszeiten schließt Wilmking heute aus.
Variationen gebe es immer. Andere Rocklängen, andere Farben. Vor allem müssten die Größen angepasst werden, damit eine 38 tatsächlich eine 38 ist und nicht die Umtauschquoten nach oben schießen, weil ein Kleid deutlich größer oder kleiner ausfällt, erklärt der Zlabels-Chef. Denn das kostet und schmälert den Gewinn.
Und Zlabels soll genau das Gegenteil erreichen, die Profitabilität steigern. Das lassen allein die höheren Margen erwarten, die bis zu doppelt so hoch sind wie bei gehandelten Fremdmarken und sogar eine gewisse Exklusivität möglich machen. Bei Schuhen kann sich die Produktion bereits ab 200 Paar lohnen, bei Kleidern ab 700 Stück. Auch die Tatsache, dass Zalando über die Eigenmarken Einblick in die Kalkulationen der Lieferanten und Markenhersteller bekam, hat sich ausgezahlt.
„Modehandel hat manchmal etwas von Aktienhandel“
Wilmking ist in seiner Position natürlich mehr Manager als Modemann. Der gebürtige Westfale hat bei der Lufthansa gelernt, studierte an der Berliner UdK, absolvierte noch ein Wirtschaftsstudium in den USA, bis er nach einer Stippvisite bei der Unternehmensberatung McKinsey von den Samwer-Brüdern zu Rocket Internet geholt wurde und bald zu deren Vorzeige-Beteiligung Zalando wechselte. Nun geht der 38-Jährige den nächsten Schritt. Er will den Kreativ-Part Zlabels mit dem Technologie-Teil von Zalando verknüpfen, in dem heute schon 1 600 Mitarbeiter an Daten, Apps und Tools tüfteln, um aus ihnen jene Algorithmen zu montieren, die bestenfalls den nächsten Wunsch des Zalando-Kunden entschlüsseln können.
„Wir wissen zunehmend, was gefragt ist“, sagt Wilmking. Denn längst kennt Zalando nicht nur Alter, Geschlecht und Herkunft seiner Kunden. Man weiß auch, für welche Farben und welchen Stil sie bevorzugen und kann mit kompletten Outfits von der Bluse über Schuhe bis zur passenden Tasche und Sonnenbrille reagieren. Und weil die Datenvielfalt zunimmt und man immer mehr lernt, werde die Genauigkeit der Vorhersage weiter steigen, sagt Wilmking. In der Finanzwelt zeige sich bereits, was in den nächsten Jahren auch im Handel passieren wird. „Modehandel hat manchmal etwas von Aktienhandel“, sagt er.
Zalando – aus der WG zum größten Online-Modehändler Europas
Zalando wurde 2008 von Robert Gentz und David Schneider gegründet. In einer Wohngemeinschaft in der Torstraße 218 in Mitte hatte es angefangen. Dort wurden die ersten Schuhkartons verpackt und an einen noch überschaubaren Kundenkreis geschickt.
Inzwischen ist Zalando Europas größter Online-Modehändler und beschäftigt 12 500 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr erreichte das Unternehmen einen Umsatz von mehr als 3,6 Milliarden Euro. Hält das Wachstumstempo der zurückliegenden Jahre an, wird 2017 mit einem Umsatz von weit über vier Milliarden Euro abgeschlossen. Der Gewinn soll bei mindestens 200 Millionen Euro liegen.
Im ersten Quartal dieses Jahres zählte der Onlinehändler über 20 Millionen aktive Kunden. Auf dessen Internetseiten wurden rund 80 Klicks in jeder Sekunde registriert. Im Schnitt würden über 150 Bestellungen pro Minute ausgelöst, wobei jede Zalando-Bestellung einen Wert von 63 Euro hatte.
Sogar die Konkurrenz verkauft die Zalando-Kreationen
Eigenmarken hat Zalando seit sechs Jahren im Sortiment. Mittlerweile sind es 17 von insgesamt 1 500 angebotenen Marken. Laut Zalando liegt der Umsatzanteil der im Unternehmensbereich Zlabels zusammengefassten Eigenmarken bei zehn bis 15 Prozent. Damit trugen die hauseigenen Kreationen allein im vergangenen Jahr rund eine halbe Milliarde Euro zum Zalando-Umsatz bei.
Im Jahr werden in den Zlabels-Ateliers am Ostkreuz etwa 10 000 neue Bekleidungsartikel entworfen. Einige von ihnen rangieren inzwischen in den Top Ten der meistgekauften Marken des Modehändlers und sind sogar auch bei der Konkurrenz zu bekommen. Der britische Online-Modehändler Asos bietet die Artikel ebenso an wie Amazon in den USA.
Im Herbst vergangenen Jahres nahm Zlabels zudem ein eigenes Logistikzentrum für die Eigenmarken in Betrieb. Im niedersächsischen Peine entstand eine 45 000 Quadratmeter große Halle.