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Noch mehr Nachtflüge Noch mehr Nachtflüge: Bleibt Lärmschutz am Flughafen Leipzig/Halle auf der Strecke?

Von Steffen Höhne 15.08.2018, 19:17
Immer wieder gibt es Proteste gegen die Nachtflüge am Flughafen Leipzig/Halle.
Immer wieder gibt es Proteste gegen die Nachtflüge am Flughafen Leipzig/Halle. dpa

Leipzig - Wie an einer Perlenschnur reihen sich nachts die Frachtflieger von DHL im Anflug auf den Flughafen Leipzig/Halle. Die hellen Punkte am Himmel lassen sich gut verfolgen. Zwischen 23 und 1 Uhr setzen die Maschinen im Zwei-Minuten-Takt auf. Nun können die Abstände noch etwas kürzer werden. Wie die Deutsche Flugsicherung (DFS) bekanntgibt, wird ein neues Anflugsystem am mitteldeutschen Flughafen eingeführt. „Dadurch können mehr Flugzeuge pro Stunde landen“, sagt DFS-Sprecher Stefan Jaeckel der MZ. Für den Flughafen Leipzig/Halle heißt das konkret: 31 statt 28 Flugzeuge pro Stunde.

Sicherheitsabstände der Flugzeuge beim Anflug werden verkürzt

Das neue Verfahren heißt Recat-EU Der mitteldeutsche Airport ist in Deutschland der erste und nach Paris-Charles-de-Gaulle und London-Heathrow der dritte Airport in Europa, an dem es angewendet wird. Konkret werden die Sicherheitsabstände der Flugzeuge beim Anflug verkürzt.

Jedes Flugzeug erzeugt Luftverwirbelungen. Je größer und schwerer das Flugzeug ist, desto stärker die Verwirbelungen. Das heißt, hinter sehr großen Flugzeugen wie der Antonov 124 oder der Boeing 747 muss ein größerer Abstand eingehalten werden. Bisher gab es vier Größenklassen. Diese wurden nun auf sechs erweitert. Durch die erweiterten Kategorien können laut DFS die Mindestabstände zwischen bestimmten Flugzeugmustern etwa von 7,4 auf 5,6 Kilometer verkürzt werden. „Wir haben das neue System ein Jahr lang getestet und es hat sich bewährt“, so DFS-Sprecher Jaeckel. An der Sicherheit ändere sich nichts.

Flughafen Leipzig/Halle wurde für Projekt gezielt ausgewählt

Der Flughafen Leipzig/Halle wurde für das Projekt gezielt ausgewählt. Die Post-Tochter DHL betreibt am Airport ihr europäisches Express-Luftfrachtdrehkreuz. Jede Nacht landen etwa 65 Flieger, die vor allem von Flughäfen aus Europa und Asien kommen. Innerhalb weniger Stunden werden die angekommenen Päckchen sortiert und wieder auf die Reise geschickt. Vor allem durch den zunehmenden Online-Handel floriert das Paketgeschäft von DHL. Zum Weihnachtsgeschäft 2016/2017 erreichte das Unternehmen am Airport die Obergrenze von 28 Landungen pro Stunde. Künftig können es drei mehr sein. Das heißt, in der Stoßzeit von 23 bis 1 Uhr könnten neun Flugzeuge mehr landen. Theoretisch wären 20 Landungen pro Nacht mehr möglich, doch in den Morgenstunden gibt es deutlich weniger Anflüge.

Die Fluglärmgegner am Airport sind über die Ausweitung erschrocken. „Es wird allein auf die wirtschaftlichen Belange von DHL geachtet“, kritisiert Thomas Pohl von der Bürgerinitiative IG Nachtflugverbot. „Der Lärmschutz für die Bürger bleibt auf der Strecke.“ Schon jetzt würden viele Einwohner der angrenzenden Orte kaum noch einen ruhigen Schlaf finden. „Doch anstatt für mehr Lärmschutz zu sorgen, wird immer noch einer draufgesetzt.“

Die Bürgerinitiative „Gegen Flug- und Bodenlärm“ zählte am 13. Juli 2018 genau 162 nächtlichen Starts und Landungen, davon 105 in der besonders schützenswerten Nachtkernzeit von 0 bis 5 Uhr. Nicht nur DHL fliegt in der Nacht, auch die Bundeswehr lässt ihr Gerät mit alten und lauten Antonov-12-Flugzeugen transportieren.

Leipzig wird zentraler Frachtflughafen Deutschlands

In den kommenden Jahren dürfte der Flugverkehr noch zunehmen. Die Bundesregierung  hat beschlossen, dass der Flughafen Leipzig/Halle der „zentrale Frachtflughafen Deutschlands“ werden soll.  Neue Verbindungen etwa aus China oder dem Nahen Osten wie Dubai sollen nach Mitteldeutschland gelegt werden. 

So führt der Airport Gespräche mit dem chinesischen Frachtriesen SF Express, der weltweit expandieren will. Schon heute ist Leipzig/Halle hinter Frankfurt (Main) der zweitgrößte Frachtflughafen Deutschlands.

Um die Kapazitäten zu erhöhen, könnten künftig auch nachts beide Start- und Landebahnen genutzt werden. „Der Flughafen müsste dafür aber noch investieren“, sagt DFS-Sprecher Jaekel. So müsste beispielsweise ein Bodenradar angeschafft werden. Viele Verkehrsexperten sind überzeugt, dass das in den kommenden Jahren passieren wird.

Immer mehr Anrainer fordern dagegen, mehr Frachtverkehr am Tag abzuwickeln. „Es kann nicht sein, dass der Frachtverkehr vorwiegend nachts stattfindet“, sagt Fluglärmgegner Pohl. Eine Umstellung der Logistik ist für DHL allerdings schwierig, weil das  Express-Geschäft mit schneller Zustellung auf die Nacht ausgerichtet ist. (mz)