Neuerungen bei Lebensversicherungen Neuerungen bei Lebensversicherungen: Deshalb ist die Reform umstritten

Berlin - Inhaber von Lebensversicherungen müssen sich auf eine Reihe von Neuerungen einstellen, die bei der Ausschüttung eines Vertrages einen Unterschied von mehreren Zehntausend Euro ausmachen können. Die Bundesregierung will die Branche damit stabilisieren und Lasten infolge der Niedrigzinsphase verteilen.
Was plant der Bund?
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will vor allem Lebensversicherer vom Zwang befreien, umso mehr Bewertungsreserven ausschütten zu müssen, je niedriger die Zinsen sind. Dies soll die Firmen entlasten. Zweitens soll der Garantiezins für neue Abschlüsse von 2015 an von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent sinken. Das schmälert die Attraktivität des Produkts, schützt aber vor Firmenpleiten. Änderungen sind zudem bei den Provisionen vorgesehen.
Worum geht es bei den Bewertungsreserven?
Das ist der Kern der geplanten Reform. Seit 2008 müssen die Versicherungen laut Gesetz ihre Kunden nicht nur an den laufenden Kapitalerträgen beteiligen, sondern auch an den Wertsteigerungen ihrer Kapitalanlagen (Bewertungsreserven). Die Hälfte davon geht seitdem an Kunden, deren Verträge auslaufen.
Was ist das Problem?
Gedacht hatte der Gesetzgeber an Wertsteigerungen bei Aktien und Immobilien. Jetzt aber sorgen besonders die festverzinslichen Wertpapiere für hohe Bewertungsreserven, womit niemand gerechnet hatte. Das liegt an den niedrigen Zinsen. Hat beispielsweise eine Assekuranz 2006 für 100 Euro eine zehn Jahre laufende Firmenanleihe mit einer festen Verzinsung von sechs Prozent gekauft, so ist diese heute wegen der Entwicklung an den Kapitalmärkten mehr wert als die 100 Euro. Dieser Buchgewinn löst sich allerdings komplett auf, wenn die Versicherung - wie üblich - das Papier bis zur Fälligkeit 2016 hält. Trotzdem müsste sie heute die Hälfte des Kursgewinns an Kunden überweisen, deren Verträge ablaufen oder gekündigt werden.
Von welchen Dimensionen sprechen wir?
Dem Branchenverband GDV zufolge schütteten die Lebensversicherer 2013 jeden Monat knapp 300 Millionen Euro an Bewertungsreserven aus - 80 Prozent mehr als 2011. Einige Sparer profitieren also. Die anderen haben das Nachsehen, wenn ihre Versicherung heute die gut verzinsten Papiere verkaufen muss, um die Ausschüttungen zu bezahlen. Bei großen Policen können die Sonderzahlungen 15 000 Euro ausmachen. Auf die müssten Sparer mit auslaufenden Verträgen verzichten, wenn die Reform kommt. Als Stichtag will der Bund den Tag der Kabinettsentscheidung nehmen. Das könnte noch im März sein.
Lohnt sich die vorzeitige Kündigung?
Nur in wenigen Einzelfällen. Wenn die Police nur noch kurz läuft und hinter dem Stichtag endet, kann es sich lohnen.
Warum ist die Reform umstritten?
Einige Inhaber von Lebensversicherungen verlieren dabei. Die Regierung meint, sie stelle so mehr Fairness zwischen den unterschiedlichen Versichertenjahrgängen her. Verbraucherschützer aber fürchten einen Deal zulasten aller Kunden. Sie warnen davor, dass die Konzerne am Ende das Geld ihren Aktionären ausschütten. Daher will die Koalition die Unternehmen verpflichten, die eingesparten Bewertungsreserven nicht für die Aktionäre oder für Vertriebsaktionen zu nutzen.
Was tut sich im Vertrieb?
Um Widerstand gegen die Reform zu brechen, will der Bund auch die Versicherungsvertreter belasten. Provisionen könnten auf drei Prozent der eingezahlten Beträge beschränkt werden. Auch könnte die Frist verlängert werden, innerhalb derer Vertreter die Provision bei Kündigung erstatten müssen.