Nach Mitsanierung von Luthers Sterbehaus in Eisleben Nach Mitsanierung von Luthers Sterbehaus in Eisleben: Brachstedter Handwerker wartet seit Jahren auf Bezahlung

Eisleben - Wieder rollt ein Bus mit Touristen heran. Sie wollen das Sterbehaus des Reformators Martin Luthers (1483-1546) in Eisleben besichtigen, eines der wichtigsten Besuchermagnete im Mansfelder Land. 20.000 Interessenten und mehr schauen sich jährlich die Ausstellung über den streitbaren Mann an. Was die Gäste dabei übersehen, ist der ungewöhnliche Zankapfel zu ihren Füßen: eine schmale Fuge.
Etwa 20 Prozent der deutschen Firmen sind nicht zufrieden mit der Zahlungsmoral ihrer Kunden. Überfällige Zahlungen summieren sich nach Auskunft von Creditreform bei kleineren Unternehmen auf mehr als 450 Millionen Euro, bei mittleren auf 332 Millionen Euro. Zeit beim Bezahlen lassen sich nicht nur private und gewerbliche Kunden, auch die Öffentliche Hand gerät nicht selten in Rückstand. Dennoch gehen Branchenkenner eher von einer Entspannung als von einer Verschlechterung aus. Grund ist die anhaltende Konjunktur infolge der gewachsenen Konsumbereitschaft der Verbraucher. Auch das seit Juli 2014 geltende Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr wirkt. Danach müssen Rechnungen spätestens innerhalb 60 Tagen, in vielen Fällen innerhalb von 30 Tagen bezahlt werden.
Der Spalt im Fußboden ist eingefasst in ein Profil aus Leichtmetall. Wer genau hinsieht, erkennt, dass es ein wenig verschoben ist. Darüber streiten nun die Bauherrin, die Stiftung Luther-Gedenkstätten, und eine Firma aus Berlin, die den Auftrag für den Fußboden bekam. Leidtragender ist deren Subunternehmer aus Brachstedt im Saalekreis. Hartmut Büchner wartet seit drei Jahren auf sein Geld.
Einige Wochen harter Arbeit
Büchner oblag die Bearbeitung der Oberflächen, nachdem der Fußboden samt Fuge verlegt war. So habe man in Luthers Sterbehaus 600 Quadratmeter abgestrahlt und ausgeglichen. „Da stecken einige Wochen harte Arbeit drin.“ Bezahlen aber kann ihn allein sein unmittelbarer Auftraggeber. Doch die Berliner Firma, für die er tätig gewesen ist, hüllt sich in Schweigen - auch gegenüber der MZ.
Stiftungssprecher Florian Trott sagt: „Zwischen der Stiftung und der mit den Estricharbeiten beauftragten Firma sind Differenzen entstanden, die derzeitig geklärt werden.“ Auf jeden Fall habe die Estrich-Firma schon mehrfach Geld von der Stiftung erhalten, teils bereits im Jahr 2012. Strittig sei die Restzahlung, ein Vergleich sei nicht zustande gekommen. Nun ist der Streit ein Fall für die Gerichte. Die Estrich-Firma klagt gegen die Stiftung.
Stiftung sind die Hände gebunden
Im Falle von Hartmut Büchner seien der Stiftung die Hände gebunden, sagt Trott. Man sei zwar an einer schnellen Lösung des Problems interessiert, zumal die Brachstedter Handwerker eine saubere Arbeit abgeliefert hätten. Aber die Stiftung stehe in keinem Vertragsverhältnis mit dem Brachstedter Betrieb.
Das weiß auch Hartmut Büchner. Deshalb beschreitet auch er den Klageweg - gegen die Berliner Estrich-Firma. Büchner: „Ich bin ein Opfer mieser Zahlungsmoral.“ Ihm geht es um 15.000 Euro. Wenn diese Praxis um sich greife, befürchtet er, steige die Pleitegefahr auf dem Bau. Eine Firma wie seine, die lediglich zehn Mitarbeiter zählt, könne solche Zahlungsausfälle kaum verkraften.
Zu finden ist die schiefe Fuge im 2013 eröffneten Anbau für Luthers Sterbehaus. Geschätzter Materialwert: kaum 1.100 Euro. Eigentlich fällt das im Vergleich zur gesamten Investition von 5,8 Millionen Euro nicht ins Gewicht. Und auch die Verleihung von mehreren Architekturpreisen spricht nicht dafür, dass die Fuge ein über Jahre unlösbares Problem sein kann.
Verwunderung bei der Industrie- und Handelskammer
Insofern löst der ganze Vorgang bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau Verwunderung aus. Sprecher Christof Altmann: „Das ist schon ein sehr seltener und seltsamer Fall.“ Denn eigentlich läuft es ihm zufolge am Bau gerade schön rund. Die Handwerkskammer Halle sieht Subunternehmer indes trotzdem häufig in einer schwieriger Lage. Als letzte Glieder der Kette seien sie einem „starken Druck“ ausgeliefert.
Echte und vorgeschobene Mängel gelten nach Erfahrungen vieler Handwerker als beliebtes Argument, um Rechnungen nicht zu bezahlen. Das führt mit dazu, dass verschiedenen Studien zufolge bundesweit 37 Prozent der Forderungen an Firmenkunden überfällig sind. Knapp fünf Prozent sind auch nach drei Monaten immer noch offen. Noch schlimmer: Gut jeder dritte der Außenstände, die nach 90 Tagen noch nicht bezahlt sind, fallen laut Zahlungsbarometer des Kreditversicherers Atradius komplett aus.
Dass das Baugewerbe von allen Branchen am stärksten betroffen ist, zeigt auch das Ergebnis einer Untersuchung der Bonitätsprüfer von Creditreform. Sachsen-Anhalt gehört im Ländervergleich demnach zu den Bundesländern, in denen Unternehmen überdurchschnittlich lange auf ihr Geld warten müssen. Am besten stehen die Unternehmer in Sachsen, in Bayern und in Brandenburg da.
Der Branchenverband der Deutschen Bauwirtschaft sieht Zahlungsausfälle als Insolvenzgrund Nummer eins für Baufirmen. 25 Prozent der Unternehmen, ergab eine Verbandsumfrage, habe ausgesprochen schlechte Erfahrungen mit der Zahlungsmoral der Öffentlichen Hand. (mz)