Tankstelle, die keiner braucht? Mobilität: Die Zukunft im Tank

Halle (Saale) - Es ist eine Tankstelle, die eigentlich keiner braucht. In Halle-Neustadt, auf dem Gelände eines Autohauses, soll sie entstehen. Aus der Zapfpistole wird, wenn alles gut geht, in zwölf bis 14 Monaten kein Benzin oder Diesel strömen, sondern Wasserstoff.
Das Gas, das auf der Erde nur in Molekülform - kurz H2 - vorkommt, ist der Sprit für Autos mit Brennstoffzellen. Allerdings: Diese fahren in Halle und Sachsen-Anhalt noch extrem selten. In ganz Deutschland waren Ende 2016 gerade einmal 300 Brennstoffzellen-Pkw zugelassen. Und das bei 43 Millionen Autos insgesamt.
Und trotzdem ist diese etwa eine Million Euro teure Zapfsäule ein besonderes Prestige-Projekt, um das sich neben Halle noch 30 weitere Städte bundesweit beworben haben. Wenn am Donnerstag der Startschuss für die erste Planungsphase fällt, wird neben Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos), auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) anwesend sein. Hoher Besuch für eine Tankstelle, die es noch gar nicht gibt und bei der kein Autofahrer tanken kann.
Emissionsfrei fahren
Allerdings wird Halle mit dem neuen Sprit-Spender auch Teil der Mobilitäts-Infrastruktur der Zukunft. Denn die soll in Deutschland deutlich umweltfreundlicher und klimaschonender werden. „Wasserstoff ist ein wichtiger Faktor beim Umbau unserer Energieversorgung“, sagt Ralf B. Wehrspohn. Der Professor leitet das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) in Halle. Die Forschungseinrichtung ist Teil des Konsortiums, das sich gemeinsam um die Tankstelle für Halle beworben hat. Koordiniert wurde das Projekt vom Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (isw/Halle).
Wasserstoff gilt nämlich – entgegen seiner fossilen Alternativen wie Öl oder Kohle – als Treibstoff, bei dessen Einsatz keine Schadstoffe ausgestoßen werden. Aus dem Auspuff kommt reines Wasser. Kohlenstoffdioxid? Stickoxide? Feinstaub? Fehlanzeige! Deswegen entstand vor etwa zehn Jahren bereits ein kleiner Hype um diese neue Antriebsform. Alle großen Autobauer wollten mit neuen Modellen einsteigen. Allerdings traten die Fahrzeugproduzenten schnell auch wieder auf die Bremse. Die Technik war noch nicht ausgereift, neue Autos zu teuer. Ein Opel Zafira hätte in der ersten H2 -Version 300 000 Euro gekostet.
Manche Hersteller, wie etwa BMW oder General Motors, stiegen komplett aus der Entwicklung aus. Im Fokus stand das renditeträchtige Diesel- und Benzin-Geschäft. Als grüne Nebensparte wurden bei vielen Autoherstellern Elektroautos etabliert. Von denen gibt es mittlerweile etwa 35 000 auf deutschen Straßen.
600 Kilometer Reichweite - Die Nachteile der Batterie-Pkw
Allerdings haben die Batterie-Pkw einige entscheidende Nachteile: „Immer wenn Betankungszeit relevant wird, wenn Reichweite entscheidend ist oder wenn das Gewicht von Fahrzeugen zunimmt, ist Wasserstoff die saubere Lösung“, sagt Sybille Riepe. Sie ist die Sprecherin von H2 Mobility, einem Zusammenschluss großer Fahrzeug- und Chemie-Konzerne wie Daimler, Linde oder Shell. Die Unternehmen wollen die Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland massiv ausbauen. Bis 2023 sollen 400 Tankstellen entstehen. Derzeit sind es 30. Auch die Zapfsäule in Halle wird von H2 Mobility gebaut.
Die Strategie ist dabei einfach: Je mehr Zapfsäulen, desto mehr wird auch gezapft. Und sind sie erst einmal auf dem Markt, dann können die Brennstoffzellen-Boliden ihre Vorteile gegenüber reinen Elektroautos auch ausspiele. Sie ähneln nämlich weitaus mehr den gewohnten Pkw mit Verbrennungsmotor. Ihre Reichweite ist mit 500 bis 600 Kilometern ähnlich und ein Tankvorgang dauert nur etwa drei Minuten - und nicht Stunden wie beim Batteriewagen.
Und auch preislich bewegt sich Wasserstoff als Kraftstoff aktuell auf dem Niveau von Benzin und Diesel. Nur in der Anschaffung sind H2 -Autos teuer. Zwei Modelle von Hyundai und Toyota gibt es im Handel. Beide sind nicht für unter 65 000 Euro zu haben - so viel zahlt man allerdings auch für die Elektro-Edelkarossen von Tesla.
Gegenüber dem Standard-Benziner ist das größte Plus der Wasserstoff-Vehikel aber ihre Umweltfreundlichkeit. Allerdings ist die nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Aus dem Auspuff kommt zwar nur Wasser, allerdings: „Aktuell wird der Großteil des industriell verwerteten Wasserstoffs mit einem Verfahren hergestellt, bei dem ebenfalls CO2 entsteht“, erklärt Stefan Ackermann vom Fraunhofer IMWS in Halle. Denn dafür werden Kohlenwasserstoffe, etwa Erdgas, und beträchtliche Mengen Energie benötigt. „Der CO2 -Fußabdruck wird so nur auf die Produktion verlagert.“ Eine Alternative sei die Herstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse. Der dafür benötigte Strom wird ausschließlich aus regenerativen Quellen wie Solarenergie oder Windkraft gewonnen. Bisher war dieser Weg noch nicht massentauglich. Allerdings arbeitet das IMWS mit zig Partnern daran, „dieses Verfahren für die Anwendung im Industriemaßstab weiterzuentwickeln“, so Ackermann.
Mietwagen-Flotte wächst
Und auch Sybille Riepe von H2 Mobility räumt ein, das nur etwa die Hälfte des derzeit an den Tankstellen in Deutschland angebotenen Wasserstoffs aus regenerativen Quellen stamme. „Aber wir wollen diesen Anteil in den nächsten Jahren massiv ausbauen.“ Und hinzu komme, dass schon der derzeit angebotene Wasserstoff zu signifikant geringeren CO2 -Emissionen führt als herkömmliche Treibstoffe.
Die ersten Nutzer der Wasserstofftankstelle in Halle werden in knapp einem Jahr also deutlich umweltfreundlicheren Kraftstoff in ihre Autos füllen. Und dass die Zapfsäule Kunden haben wird, ist jetzt schon sicher. Einer der ersten wird Volker Ciesiolka sein. Er ist der Chef von PS Union. Die Firma aus Halle betreibt mehrere Autohäuser und einen Car-Sharing-Dienst. Und der soll um über 20 Wasserstoff-Autos aufgestockt werden. „Für unseren Einsatz in der Stadt sind die perfekt geeignet“, sagt Ciesiolka. Er ist sich aber sicher, dass das Einsatzgebiet der Technik noch bedeutend wachsen wird. „Die Tankstelle, die jetzt gebaut wird, wird nicht die letzte in Halle sein.“
(mz)