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Mifa-Investor Heinrich von Nathusius Mifa-Investor Heinrich von Nathusius: "Wir brauchen jeden"

30.01.2015, 08:44
Der neue Eigentürmer Heinrich von Nathusius ist zuversichtlich, dass er die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllen kann.
Der neue Eigentürmer Heinrich von Nathusius ist zuversichtlich, dass er die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllen kann. Schumann Lizenz

Halle (Saale)/Sangerhausen - Der Unternehmer Heinrich von Nathusius hat nach der Wende sehr erfolgreich den Autozulieferer Ifa-Rotorion in Haldensleben bei Magdeburg aufgebaut. Am Donnerstag haben Nathusius und seine drei Kinder auch den Geschäftsbetrieb des insolventen Fahrrad-Herstellers Mifa mit rund 600 Mitarbeitern übernommen. Der 71-Jährige besuchte in den vergangenen Wochen bereits Kunden, Zulieferer und Banken in ganz Deutschland, um die Sanierung des Unternehmens aus Sangerhausen voranzubringen. Er eilt von Termin zu Termin. Eine eintägige Geschäftsreise endete am Mittwochabend am Flughafen Leipzig/Halle. Auf der Rückfahrt zu seinem Wohnort Haldensleben sprach Nathusius mit Steffen Höhne.

Herr von Nathusius, Sie sind 71 Jahre. Warum stürzen Sie sich noch in das Abenteuer Mifa?

Nathusius: (lacht) Das fragt sich meine Frau auch. In den mehr als 20 Jahren, in denen ich in Haldensleben arbeite, habe ich sehr viele positive Erfahrungen gesammelt. Diese Erfahrung will ich jetzt nicht mit in meinen Ruhestand nehmen. Ich wurde angesprochen, ob ich Mifa helfen könnte. Das will ich gerne tun.

Von wem wurden Sie angesprochen?

Nathusius: Ich möchte jetzt keine einzelnen Namen nennen. Es waren verschiedene Personen aus der Landesregierung und von Banken, die nicht wollten, dass es mit der Insolvenz von Mifa einen großen wirtschaftlichen Aderlass in der Region Sangerhausen gibt.

Sie sind aber kein Philanthrop, sondern Kaufmann und haben sich sicher die Bücher und die Produktion der Firma genau angeschaut. Was war Ihr erster Eindruck?

Nathusius: Ich stellte fest, dass in den vergangenen drei bis vier Monaten ein ordentliches Sanierungskonzept erarbeitet wurde. Das ist der positive Aspekt. Ich hatte allerdings auch den Eindruck, dass das Management zuvor nicht unbedingt zum Wohl des Unternehmens beigetragen hat. Nach der Wende habe ich öfters erlebt, wie Unternehmer versucht haben, die schnelle Mark zu machen. Ich sage ganz offen, das hat mich auch in Sangerhausen geärgert.

Für die Übernahme der Produktionsanlagen nehmen Sie ein Darlehen der Investitionsbank Sachsen-Anhalt in Anspruch. Brauchen Sie die öffentlichen Gelder?

Nathusius: Unsere Familie und Geschäftspartner engagieren sich bei Mifa mit einem hohen Anteil eigener Mittel. Die Darlehen der Investitionsbank sollen nach der Sanierungsphase durch andere Bankdarlehen abgelöst werden. Wie in Haldensleben ist die Arbeit auf Kontinuität angelegt. Darauf können sich die Mifa-Mitarbeiter verlassen. Auch wenn noch ein großes Stück Arbeit vor uns liegt.

Als sie Anfang der 90er Jahre bei Ifa in Haldensleben eingestiegen sind, musste zunächst allerdings ein Teil der Mitarbeiter gehen.

Nathusius: Ja, das war aber eine ganz andere Situation. In Haldensleben musste damals der Betrieb komplett neu aufgebaut werden. Es gab keine marktfähigen Produkte und Aufträge. In Sangerhausen haben wir ein Unternehmen übernommen, das momentan zwar noch keine kostendeckende Fertigung hat. Der Auftragsbestand liegt aber auch dank des Insolvenzverwalters Lucas Flöther fast so hoch wie vor einem Jahr. Das heißt, jetzt geht die Produktion für das Frühjahr los. Da brauche ich jeden Mitarbeiter. Entlassungen sind derzeit also nicht geplant.

Wann Nathusius mit Mifa schwarze Zahlen schreiben will und wo er Potenziale sieht, lesen Sie auf Seite 2.

Ein Großteil der Räder wird über Handelsketten und Discounter verkauft. Lässt sich damit überhaupt Geld verdienen?

Nathusius: Ich will diese Aufträge behalten. Sie sind für uns sehr wertvoll, auch wenn sie nicht sehr ertragsstark sind. Kostenmäßig ist es nämlich ein großer Unterschied, ob ich Teile für 100 000 oder 500 000 Fahrräder bestelle. In erster Linie müssen wir die Verfahren und die Qualität in der Produktion in Sangerhausen verbessern, um künftig kostendeckend und wettbewerbsfähig zu arbeiten.

Lassen sich Erfahrungen und Abläufe aus der Autobranche dabei auf Mifa übertragen?

Nathusius: Mit Sicherheit. Die Ifa hat jedes Jahr drei bis vier sogenannte Audits von ihren großen Kunden. Das ist etwa VW oder Daimler. Dabei muss Ifa nachweisen, dass es in der Fertigung keinerlei Verschwendung gibt. Eine Beratergruppe von der Universität Braunschweig hat uns in Haldensleben über zehn Jahre geholfen, die Prozesse zu optimieren. Diese Mannschaft wird jetzt auch in Sangerhausen eingesetzt. Derzeit läuft die Analyse, anschließend werden wir mit den Mitarbeitern zusammen Pläne zu Veränderungen ausarbeiten. Im zweiten Halbjahr werden die Strukturen dann geändert. Nächstes Jahr wird das Unternehmen mit Sicherheit anders aussehen.

Wann möchten Sie mit Mifa schwarze Zahlen schreiben?

Nathusius: Nach den jetzigen Plänen sollen bereits in diesem Jahr Gewinne erzielt werden. Es wird aber noch etwas länger dauern, bis das Profitabilitätsziel erreicht ist, um langfristig stabil zu wachsen. Der Absatz soll sich mit 500 000 Fahrrädern etwa auf Vorjahresniveau bewegen.

Das wollen Sie alles selbst in die Hand nehmen?

Nathusius: Nein, ich werde in der ersten Sanierungsphase aktiv im Unternehmen tätig sein. Den Beschäftigten habe ich beim ersten Treffen gesagt, sie sollen keinen Schreck bekommen, dass nun ein Opi die Geschäftsleitung übernimmt. Es ist geplant, dass Manager aus der Fahrradbranche noch in diesem Jahr die operative Führung übernehmen.

Schon einmal hat Heinrich von Nathusius einen traditionsreichen DDR-Betrieb gerettet, das Ifa-Gelenkwellenwerk im sachsen-anhaltischen Haldensleben. Nach der Wiedervereinigung gab er dem Werben des damaligen Landrats des Börde-Kreises nach und stieg bei der maroden Ifa ein, die seinerzeit nur noch 250 Mitarbeiter hatte.

Von Nathusius sanierte den Betrieb. Heute hat die Ifa etwa 1700 Mitarbeiter, betreibt auch Werke in den USA und China, und macht 450 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Den Posten des geschäftsführenden Gesellschafters hat der auch sozial engagierte Patriarch mittlerweile an eines seiner drei Kinder, den Sohn Felix, weitergegeben.

Von Nathusius wurde 1943 in Berlin geboren, wuchs im Westen auf, heiratete eine Adelige und arbeitete lange in der Stahlbranche. Ursprünglich stammt seine Familie aber aus der Region Magdeburg. Ohne viel Übertreibung kann man seinen Ur-Ur-Großvater Johann Gottlob Nathusius den Erfinder der Industrie im heutigen Sachsen-Anhalt nennen.

Der Magdeburger Kaufmann baute Anfang des 19. Jahrhunderts etwas auf, das man heute einen Mischkonzern nennen würde: einen Betrieb mit Mühlen, Bäckereien, Schlachthof, Zucker- und Maschinenfabrik - alles in allem mit 4 000 Mitarbeitern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie enteignet und ging nach Westdeutschland. (gau/sth)

Wo sehen Sie die Potenziale? Wird sich Mifa noch stärker auf den Elektro-Fahrradmarkt konzentrieren?

Nathusius: Ja, der E-Bike-Markt wächst, daher werden wir das Segment ausbauen. Ich glaube, dass das Fahrrad in der städtischen Mobilität in Zukunft eine stärkere Rolle spielen wird. Da möchte ich dabei sein. Es passt daher sehr gut, dass ein Automobilzulieferer einen Fahrrad-Hersteller übernimmt. Mit dieser Einstellung stehe ich auch nicht alleine da. Fast alle großen Automobil-Konzerne bieten heute bereits auch Fahrräder an. Das sind zwar bisher noch Spaßmengen. Ich bin aber überzeugt davon, dass sich dies entwickeln wird.

In welchen Bereichen will Mifa noch zulegen?

Nathusius: Der Bereich der Markenfahrräder soll durch den Verkauf im Fachhandel gestärkt und auch der Absatz im Ausland erweitert werden.

Wo steht Mifa in zehn Jahren? Gehört das Unternehmen dann immer noch der Familie Nathusius?

Nathusius: Das hoffe ich doch sehr. Auch die Produktion soll dann weiterhin in Sangerhausen stattfinden.

Und Sie selbst steigen jetzt auch öfter auf das Rad?

Nathusius: Davon können Sie ausgehen. Ich werde natürlich die Mifa-Fahrräder selbst testen. (mz)