1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Ladenöffnung in Berlin teilweise verfassungswidrig

Ladenöffnung in Berlin teilweise verfassungswidrig

01.12.2009, 10:03

Karlsruhe/dpa. - Die großzügige Regelung zur Ladenöffnung an Sonntagen im Land Berlin ist teilweise verfassungswidrig. Die Freigabe aller vier Adventssonntage verstößt gegen den besonderen Sonntagsschutz im Grundgesetz.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag (1. Dezember) in Karlsruhe entschieden. Damit gab das Karlsruher Gericht einer Klage der beiden großen Kirchen teilweise statt. Bis zum Jahresende dürfen die Berliner Läden allerdings noch am Sonntagsverkauf festhalten.

Nach dem seit November 2006 geltenden Ladenöffnungsgesetz - dem bundesweit liberalsten - dürfen die Geschäfte in der Bundeshauptstadt an bis zu zehn Sonntagen jährlich öffnen. Darunter sind alle vier Sonntage vor Weihnachten. Nach dem sogenannten Weimarer Kirchenartikel 139, der aus der Reichsverfassung von 1919 ins Grundgesetz übernommen worden war, sind Sonntage grundsätzlich Tage der Arbeitsruhe und der «seelischen Erhebung».

Nach den Worten des Ersten Senats folgt aus dem Kirchenartikel ein besonderer verfassungsrechtlicher Schutz des Sonntags. «Gesetzliche Schutzkonzepte müssen erkennbar die Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erheben», sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der Urteilsverkündung. «Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um die Verkaufsstellenöffnung an diesen Tagen ausnahmsweise zu rechtfertigen.»

Die Öffnung der Geschäfte an vier Sonntagen hintereinander ist laut Gericht nicht mit diesen Vorgaben vereinbar. Die übrigen Vorschriften zur Sonntagsöffnung in Berlin billigte das Gericht im Grundsatz. Bei den vier Sonntagen, die die Senatsverwaltung «im öffentlichen Interesse» freigeben darf, ordnete das Gericht aber an, die Öffnung auf die Zeit zwischen 13 und 20 Uhr zu begrenzen. Darüber hinaus dürfen Berliner Geschäfte an zwei weiteren Sonntagen etwa bei Firmenjubiläen oder Straßenfesten ihre Waren verkaufen.

Seit der Föderalismusreform von 2006 sind die Bundesländer zuständig für die Ladenschlusszeiten - und kein Land hat so großzügig von der Möglichkeit zur Sonntagsöffnung Gebrauch gemacht wie Berlin. An allen vier Adventssonntagen dürfen dort die Läden zwischen 13 und 20 Uhr öffnen, an vier weiteren Sonn- und Feiertagen darf der Berliner Senat die Ladenöffnung «im öffentlichen Interesse» verfügen - ohne ausdrückliche Uhrzeitbegrenzung. Hinzu kommen zwei weitere Sonn- oder Feiertage, an denen die Geschäfte aus Anlass «besonderer Ereignisse» von 13 bis 20 Uhr öffnen dürfen.

Die meisten anderen Länder geben nur vier Sonn- und Feiertage frei, in Baden- Württemberg sind es drei, in Brandenburg sechs. Daneben gibt es allerdings Ausnahmeregelungen, beispielsweise für Kurorte.

Die Föderalismusreform markiert einen weiteren Abschnitt in einer langen Geschichte der Liberalisierung des Ladenschlusses. 1956 wurde der «lange Samstag» eingeführt, 1989 der «Dienstleistungsabend» mit einer Donnerstag-Öffnung bis 20.30 Uhr. Von 1996 an durfte samstags bis 16 Uhr geöffnet werden, seit 2003 bis 20 Uhr.