Gastronomie Koch gesucht: Hotel- und Gaststättenverband mit Nachwuchsproblem

Naumburg/Berlin - In so manchem Gasthof oder Restaurant in Sachsen-Anhalt könnte in den nächsten Jahren die Küche kalt bleiben oder die Zahl der Ruhetage steigen. Der Grund: Es gibt im deutschen Gastgewerbe - einer Branche mit bundesweit 77 Milliarden Euro Jahresumsatz - immer weniger Kochprofis am Herd.
„Wir haben ein riesiges Nachwuchsproblem. Überall fehlen Köche“, sagt Michael Schmidt, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Sachsen-Anhalt. Ein Drittel der Lehrlinge brechen ihre Ausbildung ab.
Schmidt, Inhaber einer Gaststätte in Naumburg (Burgenlandkreis), verweist auf seit Jahren sinkende Ausbildungszahlen. „Außerdem ist die Abbrecherquote sehr hoch.“ Und das, obwohl TV-Kochshows und Kochblogs im Internet das Image der Köche aufpoliert hätten.
2006 waren deutschlandweit noch fast 43 000 junge Leute in der dreijährigen Koch-Ausbildung. Inzwischen sind es nur noch knapp halb so viele. Obwohl das Ausbildungsjahr längst begonnen hat, sind laut Bundesarbeitsagentur für Arbeit noch mehr als 2 200 Lehrstellen für Köche unbesetzt.
Zu wenig Nachwuchs für Köche: Claus Alboth schloss sein Gourmetrestaurant in Weimar
Manchmal führt Personalmangel zu drastischen Entscheidungen: In Weimar schloss Spitzenkoch Claus Alboth in diesem Jahr sein Gourmetrestaurant. „Es geht nicht mehr. Den Aufwand, den wir für ein Gourmetrestaurant betreiben müssen, können wir nicht auf noch weniger Schultern verteilen“, begründete er den Schritt. Er betreibt nun nur noch ein Hotelrestaurant.
Matthias Jackait, er gehört als Youngster zur deutschen Koch-Nationalmannschaft, kennt Ursachen für das Personalproblem aus eigener Erfahrung. „Von 32 Köchen in meiner Berufsschulklasse haben 23 die Lehre abgeschlossen. Davon kochen weniger als zehn heute noch“, erzählt der 24-Jährige, für den Koch der Traumjob ist.
Ein Schülerpraktikum hatte bei dem gebürtigen Franken die Kochlust geweckt. Nun sorgt er in einem Gourmetrestaurant im bayerischen Johannesberg für exquisite Menüs und hat sich in der Küchenhierarchie hochgearbeitet. Der Koch-Beruf erfordere Leidenschaft und Fleiß. „Körperlich anstrengend ist es auch. Und ein Koch arbeitet, wenn seine Freunde frei haben.“
Skeptisch sehen viele Kochprofis und Gaststättenbetreiber wie Michael Schmidt die allgegenwärtigen TV-Kochshows, bei denen in lockerer Runde und kurzer Zeit etwas Leckeres gebrutzelt und gekocht wird. „Da sagen die jungen Leute: Das will ich auch machen“, erzählt Schmidt. Die Realität sehe anders aus und sei keine Kochshow. Einkauf, Kalkulation, Vorbereitung, Gemüseschnippeln, Küchenhygiene - das werde im Fernsehen selten bis gar nicht gezeigt. „TV-Köche vermitteln ein falsches Bild“, sagt Schmidt. So weit wie die Stars müsse man erst einmal kommen. Das sei mit viel Einsatz verbunden und dauere Jahre.
Gastronomie Branche beschäftigt 2,1 Millionen Mitarbeiter in Deutschland
Das Gastgewerbe ist mit mehr als 2,1 Millionen Beschäftigten einer der großen Arbeitgeber in Deutschland. „Wir müssen sehr um Nachwuchs kämpfen“, sagt Schmidt. Gründe dafür seien vor allem die sinkende Zahl der Schulabgänger und der Trend weg von der dualen Ausbildung hin zum Studium. Koch gehöre zwar noch immer zu den 20 größten Ausbildungsberufen. „Es ist für Betriebe aber schwerer geworden, motivierte junge Menschen zu finden“, erklärt er.
Die ohnehin angespannte Situation werden dadurch verschärft, dass in den 1990er Jahren viele Köche durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den Job vermittelt wurden - obwohl er ihnen überhaupt nicht gefiel. „Sie wollen jetzt nicht mehr als Köche arbeiten“, sagt Schmidt.
Zudem geben heute viele Azubis entnervt auf. In manchen Jahrgängen verliert die Hälfte schon in den ersten drei Monaten nach Ausbildungsbeginn das Interesse. Nach Angaben von Industrie- und Handelskammern brechen im Schnitt bis zu einem Drittel der Kochlehrlinge die Ausbildung ab.
Viele Betriebe reagierten auf den Nachwuchsmangel mit neuen Arbeitszeitmodellen und Anreizen für die anspruchsvolle Arbeit. „Dazu gehört auch eine vernünftige Bezahlung“, sagt Andreas Becker, Präsident des Köche-Verbands. (mz)