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Kritik von Bauern Karl Gerhold: Magdeburger Energie-Boss kauft Acker, Bauern protestieren

Von Steffen Höhne 06.04.2018, 08:00
Karl Gerhold in einem Leitstand in der Magdeburger Zentrale.
Karl Gerhold in einem Leitstand in der Magdeburger Zentrale. stedtler

Magdeburg - In Sachsen-Anhalt wird Ackerland vermehrt von Investoren erworben, die nicht aus der Landwirtschaft kommen. Die Öffentlichkeit erfährt in der Regel nichts von der Übernahme ganzer Betriebe. Im nun vorliegenden Fall ist das anders, weil der Käufer so groß ist, dass er den Erwerb beim Bundeskartellamt anmelden muss.

Der Magdeburger Energie-Boss Karl Gerhold will über die Gesellschaft Getec Immobilien die Hälfte der Anteile an der Agro Bördegrün GmbH kaufen. Allein wegen der Größe beider Unternehmen dürfte die Übernahme von den Landwirten im Land aufmerksam verfolgt werden.

Kritik kommt vom Bauernbund

Der Bauernbund kritisiert das Geschäft: „Nicht finanzstarke Geschäftsleute, sondern Bauern sollten Betriebe mit Ackerboden erwerben“, sagt Präsident Kurt-Henning Klamroth.

Die Agro Bördegrün aus Niederndodeleben (Landkreis Börde) entstand aus einer LPG und bewirtschaftet nach eigenen Angaben 3.800 Hektar Fläche - ein Teil davon gepachtet. Das Unternehmen mit 60 Mitarbeitern gehört damit zu den großen landwirtschaftlichen Betrieben in Sachsen-Anhalt.

Und nicht nur das. In der Börde liegen auch die fruchtbarsten Äcker Deutschlands. „Etliche unserer Gesellschafter haben das Rentenalter erreicht und wollten ihre Anteile abgeben“, begründet Bördegrün-Geschäftsführer Ronald Westphal den Anteilsverkauf.

Gerold hat seit den 90ern Firmen-Gruppe aufgebaut

Die Familie Gerhold ist laut Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ die vermögendste in Sachsen-Anhalt. Karl Gerhold gründete Anfang der 90er Jahre mit drei Mitarbeitern in Magdeburg den Energiedienstleister Getec.

Das Unternehmen setzte zunächst auf den Bau kleiner Blockheizkraftwerke und Kühlsysteme. So betreibt die Firma unter anderem die Kühltechnik des Berliner Hauptbahnhofs. In den vergangenen Jahren wurde massiv in Wind-, Solar- und Biogasanlagen investiert.

Die Getec-Gruppe machte 2016 mit mehr als 1100 Mitarbeitern 870 Millionen Euro Umsatz. Getec ist laut Landesbank Nord/LB das siebtgrößte Unternehmen Sachsen-Anhalts. 2017 verkaufte Gerhold jedoch einige wesentliche Firmenanteile an einen Finanzinvestor aus Schweden.

Karl Gerhold ist bis heute Schatzmeister der Landes-CDU

Bekannt ist Gerhold jedoch nicht nur als Unternehmer. Seine erste Karriere war eine politische. Als Beamter arbeitete der gebürtige Hesse in den 80er Jahren in verschiedenen Ministerien in Niedersachsen und war 1990 kurzzeitig Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt. Die politischen Bande blieben, noch heute ist er ehrenamtlicher Schatzmeister der CDU im Land.

Gerhold selbst sieht sich nicht als Kapitalanleger oder Finanzinvestor. Er ist nach eigenen Angaben bereits eingetragener Landwirt und verfügt zur Zeit über kleinere landwirtschaftliche Flächen in Nordhessen und im Zerbster Land.

„Der beabsichtigte Erwerb der Agro-Bördegrün gemeinsam mit einem Landwirt aus Hadmersleben ist ein Ausbau dieses Engagements und dient darüber hinaus der Rohstoffsicherung der Bioraffinerie Magdeburg, die in der Betriebsführung der Getec green energy liegt“, teilte die Getec Energie Holding der MZ mit, deren Geschäftsführer Gerhold ist. Bördegrün liefert Rohstoffe an die Raffinerie. Weitere Käufe im Agrar-Sektor seien „zur Zeit nicht geplant“.

Bodenpreise sind rasant gestiegen

Sein CDU-Parteifreund und Bauernbund-Chef Klamroth bleibt dennoch skeptisch: „Mit dem Kauf von Betriebsanteilen wird das sogenannte Grundstücksverkehrsgesetz umgangen.“ Es sei in Deutschland klar geregelt, dass erwerbstätige Landwirte ein Vorkaufsrecht bei Ackerverkäufen haben. „Durch Anteilsverkäufe von Firmen wie jetzt im Fall Gerhold wird das ausgehebelt“, erklärt Klamroth.

Aufgrund der niedrigen Zinsen wenden sich große Kapitalanleger verstärkt dem Agrarmarkt zu. Durch die Bewirtschaftung oder Verpachtung von Land lassen sich noch einträgliche Renditen erzielen.

Eine Untersuchung des staatlichen Thünen-Instituts im vergangenen Jahr ergab, dass bereits ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland Ortsfremden gehören. Vor zehn Jahren war es erst gut ein Fünftel.

Die Finanzinvestoren trugen dazu bei, dass die Ackerpreise deutlich gestiegen sind. Sie verdoppelten sich in Sachsen-Anhalt seit 2009 auf zuletzt 22 500 Euro je Hektar. Die Zahlen beruhen auf Verkäufen der bundeseigenen Gesellschaft BVVG, geben aber Hinweise auf die Gesamtentwicklung am Markt. „Bäuerlichen Familien fällt es bei diesen Preisen immer schwerer, Land zu erwerben“, beklagt Klamroth. (mz)