Heraeus-Quarzglas aus Bitterfeld Heraeus-Quarzglas aus Bitterfeld: Rohstoff für das schnelle Netz

Bitterfeld-Wolfen - Facebook-Statistiken sind oft beeindruckend: In dem sozialen Netzwerk werden aktuell 350 Millionen Fotos veröffentlicht und neun Milliarden Mal wird „gefällt mir“ geklickt - pro Tag. Doch nicht nur bei Facebook, auch bei Youtube, Instagram & Co. werden sekündlich gigantische Datenmengen erzeugt, die nicht nur gespeichert, sondern auch rund um den Globus transportiert werden müssen. Ohne die haardünnen Glasfaserkabel würde dies kaum funktionieren. In Lichtgeschwindigkeit - also mit 300.000 Kilometer pro Sekunde - übertragen sie Datenmengen von ein Terabit pro Sekunde. Ein Terabit sind etwa 16 Regalkilometer Aktenordner.
„Das Material für das Informationszeitalter liefern wir“, sagt Hagen Sandner. Der Standortleiter des Bitterfelder Heraeus-Werkes steht im blauen Reinraumanzug in der Schaltwarte des Betriebes. Durch eine Glasscheibe zeigt er auf etwa drei Meter lange Quarzglaszylinder. „Diese bilden die Basis für die Glasfasern“, sagt er.
Die Herstellung ist aufwendig: In großen Anlagen wird nach Worten von Sandner sogenanntes Siliziumtetrachlorid in einer Knallgasflamme zu Quarzglas-Nanopartikeln umgesetzt, die sich auf einem Keramikrohr absetzen. Schicht für Schicht entsteht so ein etwa 200 Kilogramm schwerer Quarzglaskörper, der am Ende einer Reihe von Bearbeitungsschritten einen Hohlzylinder mit einem Durchmesser von rund 20 Zentimeter ergibt.
„Das Glas ist anschließend so rein, dass man selbst durch eine 100 Kilometer dicke Fensterscheibe schauen könnte“, sagt Sandner.
Die Quarzglaskörper werden an Verarbeiter in den USA, China und Europa verkauft. Ein Viertel des Weltbedarfs produziert Heraeus Bitterfeld jährlich. Aus einer Vorform können bis zu 7.000 Kilometer Glasfasern gezogen werden.
Der Weltmarkt wächst laut Sandner kontinuierlich. In Deutschland sind bisher vor allem in Großstädten Glasfasernetze verlegt worden. Allerdings fehlt häufig die letzte Meile zu den Haushalten, die in der Regel Kupferkabel-Anschlüsse besitzen. In Japan oder Südkorea verfügen dagegen mehr als 60 Prozent der Internet-Nutzer über einen Glasfaser-Zugang.
Rohstoffe über Pipelines
Das Bitterfelder Heraeus-Werk profitiert von dieser Entwicklung. In den vergangenen Jahren wurde die Produktion deutlich nach oben gefahren. Die Zahl der Mitarbeiter wurde daher mehr als verdoppelt. „Waren 2009 rund 200 Mitarbeiter in dem Werk beschäftigt, sind es nun etwa 500“, so Sandner. So haben etwa ehemalige Mitarbeiter der Solar-Unternehmen Q-Cells und Sovello aus Thalheim bei Heraeus einen neuen Arbeitsplatz gefunden.
Heraeus, mit Sitz im hessischen Hanau, setzte schon früh auf den Glasfaser-Trend. Bereits 1991 wurde das Werk in Bitterfeld gegründet. Im Jahr 1993 ging es in Betrieb, 2005 wurde ein zweites Werk eingeweiht. Für den Standort spricht laut Sandner vor allem der Stoffverbund. Wichtige Rohstoffe für die Produktion erhält Heraeus von verschiedenen Standorten in Mitteldeutschland über Pipelines. So liefert beispielsweise der Chemiekonzern Evonik das Siliziumtetrachlorid, Linde stellt Sauerstoff und Wasserstoff bereit. „Die Vorteile des Stoffverbundes schlagen sich auch in den Produktionskosten nieder“, so Sandner. Auf Straßentransporte könne weitgehend verzichtet werden.
Der Herstellungsprozess ist äußerst energieintensiv. Jährlich verbraucht das Werk etwa so viel Energie wie eine Stadt mit 50 000 Einwohnern. Von Zusatzkosten durch die Energiewende ist der Betrieb zwar weitgehend befreit, dennoch sind die Energiekosten in den vergangenen Jahren gestiegen. „Als größerer Chemiebetrieb sind wir auf wettbewerbsfähige Preise angewiesen“, so der Standortleiter.
Sorgen um Konkurrenzfähigkeit des Werks macht sich Sandner allerdings nicht. „Unser Produktionsprozess kann nicht so einfach kopiert werden“, sagt er. Zum einen sei er durch Patente geschützt. Zum anderen hänge die Qualität an der Erfahrung der Mitarbeiter. „Die lassen sich aber nicht so leicht in andere Erdteile transferieren“. Der Werkschef hat sich vielmehr vorgenommen, in Bitterfeld die Produktion durch Effizienzsteigerungen weiter zu erhöhen. (mz)
