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Geplatzter Traum Geplatzter Traum: Eigentlich sollte die Treuhand ganz anders funktionieren

Von Steffen Könau 03.07.2018, 08:00
Die Treuhand hatte ihren Sitz im  ehemaligen Haus der Ministerien in Berlin.
Die Treuhand hatte ihren Sitz im  ehemaligen Haus der Ministerien in Berlin. DPA

Halle (Saale) - Nach dem großen Knall, den Schlagzeilen, Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozessen, hockten sie jeden zweiten Mittwoch in „Krügers Guter Stube“, gar nicht weit weg von der halleschen Innenstadt. Treuhand- Stammtisch in der Nische ganz rechts: Die Spitzen der halleschen Niederlassung sitzen bei Spätzle, Pils und Pasta und sind fest entschlossen, allen zu zeigen, dass es nichts zu verbergen gibt.

In Halle gingen viele Firmen an Glücksritter und Spekulanten

Viel ist zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht mehr da. Drei Jahre lang hatte die Verwahr- und Verwertungsbehörde für das volkseigene Vermögen der DDR ihren Auftrag strikt erfüllt - alles muss raus, so schnell wie möglich, Privat vor Katastrophe. Statt Investoren zu suchen, die die maroden DDR-Betriebe fit für die Konkurrenz auf dem freien Markt machen, gingen vor allem in Halle reihenweise Firmen an halbseidene Glücksritter und skrupellose Spekulanten. Deren Geschäftsmodell: Im Kaufpreis für oft nicht mehr als eine Mark sind die gut gefüllten Konten der Firmen inbegriffen. Die werden leergeräumt, die Mitarbeiter entlassen, die Immobilien verkauft. Fertig.

Dabei war das alles ganz anders gedacht gewesen, als die DDR-Regierung am 1. März 1990 die Gründung einer Holdinggesellschaft für das volkseigene Vermögen der DDR beschließt. Eine Idee, aus Angst geboren, denn ein „Volkseigentum“ kennt das bundesdeutsche Recht nicht und Bürgerrechtler fürchten deshalb, dass ostdeutsche Betriebe nach der deutschen Vereinigung rechtlich im leeren Raum hängen könnten.

Die Holding soll das nicht nur verhindern, nein, sie soll auch dafür sorgen, dass jeder DDR-Bürger seinen Anteil am Volksvermögen erhält. Der „Vorschlag zur Bildung einer Treuhandgesellschaft zur Wahrung der Anteilsrechte der Bürger mit DDR-Staatsbürgerschaft am Volkseigentum der DDR“ soll deshalb „als erste Handlung Anteilsscheine an alle DDR-Bürger“ emittieren. Ein Trostpreis für „40 so schrecklich fehlgeleitete Lebensjahre voller Arbeit und Mühen für die Bürger der DDR“, wie es weiter heißt.

Angebliches Milliarden-Guthaben verwandelt sich in ein Milliardenloch

Doch das Spiel um Milliarden, es läuft ab Oktober 1990 ganz anders als geplant. Der Paragraf mit den Anteilsscheinen verschwindet, das angebliche Milliarden-Guthaben der DDR-Bürger verwandelt sich in ein Milliardenloch. Kombinate, die eben noch den relativen Wohlstand der DDR-Bürger geschaffen hatten, brauchen Millioneninvestitionen, um zu überleben. Als nicht sanierungsfähig eingestufte Betriebe werden geschlossen. Eine Rosskur. Nach nur vier Jahren sind 14.000 Unternehmen verkauft und von vier Millionen Jobs nur noch anderthalb Millionen übrig. Der anfangs geschätzte Wert der DDR-Industrie von etwa 300 Milliarden Euro hat sich in einen Schuldenberg von 165 Milliarden verwandelt. (mz)