GDL-Chef GDL-Chef: Der unversöhnliche Claus Weselsky

Berlin - Wahrscheinlich ist er der meistgehasste Ostdeutsche seit Walter Ulbricht. Wie einst der starke Mann der SED, der angeblich niemals eine Mauer bauen wollte, spricht Claus Weselsky ein unverwechselbares Sächsisch. Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL bringt mit dem einwöchigen Streik seiner Organisation selbst einstige Weggefährten wie seinen Vorgänger Manfred Schell gegen sich auf.
Der 56-jährige Dresdener, der in Leipzig lebt, kämpft mit harten Bandagen. Aber seine Kritiker tun es auch. Da schreckt mancher auch nicht davor zurück, unterschwellig Vorurteile gegen Ostdeutsche im Allgemeinen und Sachsen im Besonderen zu mobilisieren.
Die GDL plant am Mittwochmittag vor dem Kölner Hauptbahnhof eine Streikkundgebung mit GDL-Chef Claus Weselsky. Hunderte GDL-Mitglieder würden erwartet.
Weselsky lässt das scheinbar unbewegt an sich abperlen. Nur selten vergreift er sich im Ton. Ruhig und mit nahezu unbewegter Miene stellt er in unzähligen Fernsehinterviews seine Sicht der Welt dar, in der nicht er, sondern die Deutsche Bahn der Bösewicht ist. Dass der Konflikt nicht wegen Bezahlung oder Arbeitsbedingungen seiner Kollegen so unversöhnlich ist, bestreitet der GDL-Chef dabei nicht. Im Gegenteil. Den Vorwurf, er treibe den Machtkampf aus Organisationsegoismus auf die Spitze, gibt er zurück.
Bahn spielt auf Zeit
Nach Weselskys Darstellung ist es die Bahn, die auf Zeit spielt. Sie wolle den Arbeitskampf in die Länge ziehen, bis der Bundestag das Tarifeinheitsgesetz verabschiedet habe. Danach könnten in einem Betrieb zwar unterschiedliche Gewerkschaften verhandeln, aber für alle Mitglieder einer Berufsgruppe oder eines ganzen Unternehmens soll nur der Abschluss gelten, der von der größten Organisation abgeschlossen wurde. Damit behielte die GDL zwar für die Lokführer die Macht.
Aber es wäre wohl der Traum vorbei, auch für Zugbegleiter und anderes personal Verträge den Ton anzugeben. Denn in diesen Betriebsteilen dominieren andere Gewerkschaften wie Transnet, die weniger kampflustig sind. Die „Zeit“ kommentierte: „GDL-Chef Weselsky läuft die Zeit davon – und deshalb agiert er nun umso rücksichtsloser.“
Dass er sich nicht auf eine Schlichtung des Konflikts einlassen will, hat auch mit der Gesichte seiner Organisation zu tun. In einem früheren Arbeitskampf hatte sein Vorgänger Manfred Schell nach langem Sträuben eine solche Vermittlung akzeptiert. In Gesprächen mit den früheren CDU-Politikern Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler war er von dem Ziel abgerückt, auch für die Zugbegleiter zu verhandeln.
Weselsky dagegen will hart bleiben. Schell wirft seinem Nachfolger heute „Egoismus“ vor. Aber zu seinen Zeiten waren die 34.000 GDL-Mitglieder nicht weniger auf ihn eingeschworen als heute auf Weselsky.
90 Prozent bei letzter Wiederwahl
Geboren in Dresden zog Weselsky mit seinen Eltern und den beiden Geschwistern im Rahmen der Kampagne „Industriearbeiter aufs Land“ nach Kreischa in der sächsischen Schweiz. Sein Ding ist das wohl nicht gewesen. Er lernte Dieselmotorenschlosser und wurde bald für die Laufbahn des Lokomotivführers ausgewählt. Bis zum Ende der DDR war er auf allen möglichen Zügen eingesetzt, zuletzt im Personen- und Fernverkehr. In der SED war er nie. Aber gleich 1990 trat er in die „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ (GDL) ein, die als erste freie Arbeitnehmerorganisation im vereinten Deutschland wieder gegründet wurde.
Hier engagierte er sich schnell, war erst ehrenamtlicher, dann hauptamtlicher Funktionär. 2006 hatte er es zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gebracht. Zwei Jahre später wurde er zu Manfred Schells Nachfolger bestimmt. Bei seiner letzten Wiederwahl 2012 erhielt er 90 Prozent der Stimmen.
Seither hat der geschiedene Vater eines Sohnes den Kurs der GDL immer weiter verschärft. Vor dem aktuellen Konflikt machte er Schlagzeilen, weil ein 60-stündiger Streik kurz vor den Feiern zum 25. Jahrestag des Mauerfalls ausgerufen wurde.