1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Flüchtlings-Studie: Flüchtlings-Studie: Selbst Migranten, die arbeiten, sind oft arm

Flüchtlings-Studie Flüchtlings-Studie: Selbst Migranten, die arbeiten, sind oft arm

Von Eva Roth 29.04.2016, 05:05
Selbst Migranten, die arbeiten, sind oft von Armut gefährdet
Selbst Migranten, die arbeiten, sind oft von Armut gefährdet EPA

Berlin - Migranten aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien, die schon länger in Deutschland leben, sind extrem oft von Armut bedroht. Dies gilt auch dann, wenn sie Arbeit  haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die der Berliner Zeitung vorliegt. Demnach ist mehr als die Hälfte der Einwanderer aus Staaten im Nahen und Mittleren Osten armutsgefährdet. Die Armutsquote ist demnach mehr als dreimal so hoch wie unter der Bevölkerung in Deutschland insgesamt. Unter erwerbstätigen Migranten aus Ländern wie Syrien ist der Anteil der Armen sogar mehr als viermal so hoch wie unter allen Beschäftigten hierzulande.

Für die Studie hat der Sozialforscher Eric Seils die Situation von  Einwanderern untersucht, die bereits 2014 in der Bundesrepublik lebten. Nicht berücksichtigt wurden also Flüchtlinge, die im vorigen Jahr Deutschland erreicht haben. Denn für diese Menschen liegen noch keine detaillierten Daten vor.

Prekäre Verhältnisse

Seils hat zwei Gruppen betrachtet: Einwanderer aus Nordafrika (Tunesien, Algerien, Marokko, Libyen und Ägypten) sowie aus fünf Staaten im Nahen und Mittleren Osten (Syrien, Afghanistan, Pakistan, Iran und Irak). Aus diesen Regionen kommen auch viele der schätzungsweise eine Million Flüchtlinge, die im vorigen Jahr nach Deutschland kamen und über deren Integration derzeit diskutiert wird.

Der Böckler-Studie zufolge stehen Einwanderer aus den fünf Ländern im Nahen und Mittleren Osten finanziell besonders schlecht da: 55 Prozent dieser Menschen sind laut EU-Definition armutsgefährdet. Unter Personen aus Nordafrika sind es 41 Prozent. Damit leben diese Menschen deutlich öfter in prekären Verhältnissen als andere Einwanderer. Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist ihre Armutsquote sogar um ein Vielfaches höher. So sind unter allen Bürgern der Bundesrepublik 15,4 Prozent arm.

Wer arm ist, dem droht Ausgrenzung

Ein Job sollte eigentlich vor Armut schützen. Doch auch Erwerbstätige aus den fünf Staaten im Nahen und Mittleren Osten müssen oft mit sehr wenig Geld auskommen: 33 Prozent dieser Menschen sind trotz Arbeit armutsgefährdet. Zum Vergleich: Insgesamt sind in Deutschland „nur“ 7,6 Prozent der Erwerbstätigen arm.

Wer unter der Armutsgrenze lebt, läuft Gefahr, aufgrund finanzieller Einschränkungen gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden, betont Seils. Das gelte für Deutsche wie für Ausländer. Dass so viele Migranten aus Ländern wie Syrien und Afghanistan am Rande der Gesellschaft stehen, habe vermutlich vor allem zwei Ursachen. Erstens haben diese Menschen oft sehr niedrig entlohnte Stellen, etwa im Gastgewerbe, der Taxi- oder Reinigungsbranche. Die Jobs sind hart: Migranten aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten leisten überdurchschnittlich oft Schichtarbeit. Doch die Bezahlung ist schlecht. Viele finden wohl auch deshalb keine bessere Arbeit, weil ihre Qualifikation nicht anerkannt wird. Auch eine gute Schulbildung nützt häufig nichts: Laut Statistischem Bundesamt sind 33 Prozent der Einwanderer aus dem Nahen und Mittleren Osten, die Abitur haben, armutsgefährdet.

Nur ein Drittel der Frauen ist erwerbstätig

Zweitens haben die meisten Frauen aus Nordafrika und den fünf untersuchten Staaten im Nahen und Mittleren Osten gar keinen bezahlten Job. Nur 34 beziehungsweise 31 Prozent sind erwerbstätig, darunter haben viele lediglich einen Minijob, so die Böckler-Studie. Insgesamt ist die Erwerbsquote unter Frauen in Deutschland mit rund 70 Prozent deutlich höher.

Konkret bedeutet dies laut Seils: In vielen Migranten-Familien gibt es nur einen Erwerbstätigen. Das ist der Mann. Sein Einkommen reicht aber nicht aus, um die Familie über die Armutsschwelle zu heben. Der erwerbstätige Mann ist deshalb ebenso wie alle anderen Familienmitglieder arm.

Mindestlohn hilft Migranten nicht

Das Alleinverdiener-Modell, dem viele Deutsche wie Ausländer durchaus etwas abgewinnen können, funktioniert also nur dann in finanzieller Hinsicht gut, wenn das Gehalt hoch genug ist.

Der seit 2015 geltende Mindestlohn dürfte laut Seils nur relativ wenigen Migranten aus der Armut geholfen haben, weil auch 8,50 Euro pro Stunde sehr wenig Geld ist. In Verbindung mit  allgemeinverbindlichen Tarifverträgen könnte er aber dazu beitragen, dass sich Einwanderer und Einheimische  nicht mit Niedriglöhnen gegenseitig unterbieten. Zudem plädiert Seils dafür, auch „einwandernde Frauen in den Stand zu setzen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen“. Andernfalls sei zu befürchten, dass auch ein Großteil der Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr Deutschland erreicht haben, arm bleiben.