Elbvertiefung in Hamburg Elbvertiefung in Hamburg: Bundesverwaltigungsgericht urteilt - Hamburg muss seine Pläne nachbessern

Leipzig - Ein Urteil wie ein Glas Wasser: Ist es halbvoll oder halbleer? Für wen gut, für wen schlecht? Wer hat mehr Vorteile, wer mehr Nachteile? Am Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im jahrelangen Streit um das Ausbaggern der Niederelbe seine Entscheidung verkündet. Sie ist ein deutliches Ja, aber: Ja, Hamburg darf den Strom auf gut 100 Kilometern Länge bis zur Nordsee ausbaggern, damit Riesenfrachter auch in Zukunft kommen und gehen können. Aber: Die rot-grüne Regierung unter Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) muss nachsitzen und rechtliche Mängel des Planfeststellungsbeschlusses korrigieren.
In seiner jetzigen Form, so das Gericht, seien die Pläne rechtswidrig und nicht vollziehbar, aber reparierbar: Hamburg könne nachbessern. „In Relation zur Vielzahl der von den Klägern erhobenen Mängel hält sich die Zahl der gerichtlichen Einwände in engen Grenzen“, sagte Richter Rüdiger Nolte, der Vorsitzende des 7. Senats, bei der Urteilsbegründung. Auch wenn es Kritik gebe: Grundsätzlich und in den allermeisten Punkten hielten die Planungen den gesetzlichen Anforderungen stand.
Hamburger Rathaus befürchtet jahrelange Verzögerung
Was das nun im Detail bedeutet, bleibt abzuwarten. Unklar ist, wann mit dem Ausbaggern begonnen werden darf, zumal in Leipzig noch weitere Klagen liegen. Wahrscheinlich, so fürchtet man im Hamburger Rathaus, werden weitere Jahre ins Land gehen, bis gebaggert werden darf.
Gegen die Elbvertiefung hatten die Umweltschutzverbände BUND und Nabu geklagt. Ein „gemischtes Urteil“, meinte Paul Schmid vom BUND in Hamburg halbwegs zufrieden im Gespräch mit dieser Zeitung. Man habe einerseits einiges erreicht für die Elbe, aber es werde andererseits vermutlich auch irgendwann gebaggert. Ähnlich äußerte sich auch die gegnerische Seite, die Hamburger Hafenwirtschaft. Man nehme das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit „gemischten Gefühlen“ zur Kenntnis, teilte die Handelskammer mit. Die Frage sei nun, wie zeitnah die gerichtlichen Auflagen erfüllt werden können, meinte Handelskammer Präses Fritz Horst Melsheimer. „Die Antwort darauf entscheidet über das Schicksal unseres Hafens.“ Hamburgs parteiloser Wirtschaftssenator Frank Horch gab sich zufrieden: „In der Sache haben wir Recht bekommen.“ Ein Erfolg, auch wenn an einigen Stellen nachgearbeitet werden müsse.
Zehn Jahre Streit vor Bundesverwaltungsgericht
Seit 199 Jahren wird die Elbe korrigiert und ausgebaggert. Seit mehr als zehn Jahren ringen Umweltschützer und Hamburgs Wirtschaft vorm höchsten deutschen Gericht um das Vertiefen des Flusses. Vor vier Jahren gab es einen Baustopp. Im aktuellen Streitfall geht es um die neunte Ausbaggerung – oder „Fahrrinnenanpassung“, wie die Befürworter es nennen. Dabei soll der Fluss künftig schiffbar gemacht werden für Containerriesen mit einem Tiefgang bis zu 13,50 Meter unabhängig von der Flut und für zu 14,50 Meter, wenn die Megafrachter auf einer Flutwelle mitfahren können. Nötig ist auch eine Verbreiterung des Flusses an einigen Stellen, damit die heutzutage bis 400 Meter langen und 50 Meter breiten Giganten überhaupt gefahrlos aneinander vorbeikommen können. Das drei Jahre dauernde Baggern würde 600 Millionen Euro kosten. 40 Millionen Kubikmeter Schlamm müsten beseitigt werden, dreimal soviel wie 1999 bei der letzten Baggerung.
Umweltschützer, Fischer, Flussanrainer und auch Obstbauern im Alten Land halten diese Pläne seit langem für falsch und gefährlich. Der Fluss werde immer schneller und nage an den Deichen, er werde immer salziger und verderbe Kirsch- und Apfelbaumplantagen.
Was passiert mit dem Schierlings-Wasserfenchel?
Gehakt hat es diesmal vor allem an zwei Punkten. Einmal einer und streng geschützten seltenen Pflanze, die auf der ganzen Welt kurioserweise nur bei Hamburg vorkommt: der Schierlings-Wasserfenchel. Das Gericht bemängelte, die Stadt müsse schon genauer untersuchen, was eine zunehmende Versalzung des Flusses für Folgen für diese Pflanze habe. Zum anderen bemängelten die Richter im Detail Regelungen zur sogenannten Kohärenzsicherung im benachbarten Niedersachsen. Damit sind Ausgleichsmaßnahmen gemeint, Naturflächen, die geschaffen werden müssen, weil das Ausbaggern der Elbe Schutzgebiete beeinträchtigen würde. Auch hier muss Hamburg genauere Pläne auf den Tisch legen. „Hamburg hat zum wiederholten Male seine Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht und das nun vom Gericht bescheinigt bekommen“, sagte Paul Schmid vom BUND Hamburg.
Umweltschützer halten den Flussausbau grundsätzlich für überflüssig, weil der Containerumschlag sich weltweit nicht mehr so entwickle, wie es jahrelang vorhergesagt wurde. Außerdem sei eine Zusammenarbeit Hamburgs mit Bremerhaven und dem Jade-Weser-Port Wilhelmshaven sinnvoller, wo es einen mit Steuer-Milliarden neugebauten Hafen gebe, der keine Beschränkungen beim Tiefgang habe und kaum ausgelastet sei.
Befürworter des Elbausbaggerns erinnern seit Jahren an 150000 Arbeitsplätze in und um Hamburg, die von Wohl und Wehe des Hafen abhängen. Als am Donnerstag das Leipziger Urteil bekannt wurde, knickten die Aktienkurse des Hamburger Hafenkonzerns HHLA um bis zu 13,8 Prozent auf 16,56 Euro ein. „Das Urteil ist eindeutig negativ", meinte Per-Ola Hellgren, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. „Der Welthandel wird nicht auf die rechtlich notwendigen Nachbesserungen zum besseren Schutz einer Pflanze wie dem Schierlings-Wasserfenchel warten: Er wird sich immer stärker Standorten wie Rotterdam und Antwerpen zuwenden“, kritisierte Ken Blöcker vom Unternehmensverband Unterelbe-Westküste das Urteil. (mit Agenturen)