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Änderungen bei der Lebensversicherung Änderungen bei der Lebensversicherung: Provisionen bleiben geheim

Von Markus Sievers 03.07.2014, 09:51
Kunden werden nun doch nicht über die Höhe einer Provision informiert.
Kunden werden nun doch nicht über die Höhe einer Provision informiert. dpa Lizenz

Berlin - Wer eine Lebensversicherung abschließt, erfährt nun doch nicht, wie viel von seinem Geld für die Provision drauf geht. Die Koalition hat die Reform in letzter Sekunde entschärft. Die Opposition schäumt. Schon an diesem Freitag soll der Bundestag abschließend abstimmen. Für Sparer ändert sich dennoch einiges. Wir erklären die Neuerungen.

Wie transparent werden Lebensversicherungen?

Nicht ganz so wie ursprünglich beabsichtigt. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung hieß es noch, der Vermittler müsse die Höhe der Provision „als Gesamtbetrag in Euro“ mitteilen. Dagegen lief die Branchenlobby Sturm. Nun änderten  die Abgeordneten im Finanzausschuss des Bundestages vor der entscheidenden Abstimmung im Parlament am Freitag den Passus. Ausweisen müssen die Anbieter nicht die Provision, sondern die so genannten Effektivkosten. Die Provisionen sind nur ein Teil davon.

Was sind Effektivkosten?

Diese Kennziffer zeigt an, um wie viel die Rendite für den Kunden  durch die Abschlusskosten insgesamt sinkt. Dies kennen die Verbraucher bereits von den Riester-Produkten. Dennoch ist die Kennziffer umstritten. Sie führt nach Einschätzung von Gerhard Schick, Finanzexperte der Grünen, in die Irre, wenn die Sparer den Lebensversicherungsvertrag nicht bis zum Ende durchhielten. Die meisten kündigten aber vorab. Verbraucherschützer kritisieren, dass damit ein Vergleich behindert werde. Die mangelnde Transparenz schwäche die Honorarberater, die ohne Provisionen auskommen und sich ein Honorar für ihre Beratung zahlen lassen.

Ist die Koalition vor der Lobby eingeknickt?

Union und SPD weisen den Vorwurf von sich. Der Ausweis der Provisionen hätte zu Wettbewerbsverzerrungen geführt, argumentieren sie in ihrem Änderungsantrag. Denn bei bestimmten Banken und Großvertrieben wie DVAG oder MLP erhalte zwar der einzelne Vermittler wenig Provision. Doch dafür kassiere das Unternehmen noch einmal. Der Kunde werde also stärker abkassiert als es die Provision erkennen lasse.

Was ändert sich noch?

Viel. Mit dem Gesetz will die Politik die Lebensversicherungen stabilisieren. Sie will verhindern, dass Anbieter aufgrund der langen Niedrigzinsphase ihre Garantien nicht mehr erfüllen können. Dafür ändert sie die Regeln für die Beteiligung an den Bewertungsreserven, die Versicherung und Versichertem bei Ablauf des Vertrages zur Hälfte zustehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, für wen die Änderungen Einbußen bringen.

Was sind Bewertungsreserven?

Das sind Buchgewinne auf Vermögenswerte, die Versicherungen mit dem Geld ihrer Kunden gekauft haben. Ein Beispiel: Eine Versicherung kauft Aktien für 1000 Euro. Durch Kurssteigerungen an der Börse legt deren Wert auf 2000 zu. In den Büchern der Versicherung stehen sie aber noch mit 1000 Euro. Die Versicherung hat also  Bewertungsreserve von 1000 Euro. Die Hälfte davon muss sie an die Kunden ausschütten, wenn deren Vertrag ausläuft.

Wo ist das Problem? 

Bei Aktien und Immobilien ist die Ausschüttung von Bewertungsreserven sinnvoll. Daher bleibt sie bei diesen Anlagen auch Pflicht. Die Versicherungen aber halten überwiegend  festverzinsliche Wertpapiere. Und da sieht es anders aus. Hat beispielsweise eine Versicherung 2006 für 100 Euro eine zehn Jahre laufende Firmenanleihe mit einer festen Verzinsung von sechs Prozent gekauft, so ist diese heute mehr wert als 100 Euro. Ihr Kurs steigt über 100 Euro, weil sie ihrem Inhaber  sechs Prozent Zinsen auf die 100 Euro bringt. Das ist viel mehr als heute bei neuen Papieren drin ist.

Der Buchgewinn (oder Bewertungsreserve) für die Anleihe von 2006 löst sich aber komplett in Luft auf, wenn sie 2016 ausläuft. Trotzdem muss die Versicherung die Kunden heut die Hälfte des (vorübergehenden) Kursgewinns an die Kunden überweisen, deren  Verträge ablaufen oder gekündigt werden.

Was ändert sich jetzt konkret?

Bei den Bewertungsreserven auf Aktien und Immobilien nichts. Bei fest verzinslichen Wertpapieren gilt künftig: Steckt ein Unternehmen in Schwierigkeiten und kann seine Garantien gegenüber Kunden langfristig nicht mehr erfüllen, wird es von der Pflicht befreit, die jetzt ausscheidenden Kunden an den Bewertungsreserven für festverzinsliche Wertpapiere zu beteiligen.

Wer gewinnt, wer verliert?

Einbußen bringt die Reform für jetzt ausscheidende Kunden. Sie hätten durch die hohen Bewertungsreserven außergewöhnlich hohe Bewertungsreserven als Sahnehäubchen oben drauf bekommen. Dafür nutzt die Neuregelung allen anderen Inhabern von Lebensversicherungen. Derzeit müssen die Anbieter viel Geld, das sie gar nicht erwirtschaftet haben, ausschütten. Dafür verkaufen sie die schönen alten Papiere mit noch höheren Zinsen und kaufen neue Anleihen mit den Minirenditen nach. Dadurch sinkt die Rendite für das Versicherungskollektiv, was sich nun ändert.

Und was ist mit den Unternehmen selbst? Zahlen sie auch drauf?

Die Aktionäre erhalten keine oder weniger Dividende, wenn das Unternehmen die Garantiezusagen nicht einhalten kann. Zudem müssen die Anbieter von ihren Risikoüberschüssen mehr an die Kunden ausschütten. Diese Risikoüberschüsse entstehen bei Kapitallebensversicherungen, wenn weniger Kunden vor Vertragsende sterben als von der Versicherung einkalkuliert.

Wie geht es weiter?

Die Koalition zieht das Gesetzgebungsverfahren im Eiltempo durch. Am Freitag ist zweite und dritte Lesung im Bundestag. Eine Woche später soll der Bundesrat zustimmen. Danach braucht das Gesetz nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten.