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"Alles andere als diskret" "Alles andere als diskret": Diese Probleme birgt Arbeitslosengeld aus dem Supermarkt

Von Carolin Henkenberens 13.11.2017, 16:04
Eine Kassiererin an einer Supermarktkasse zählt das Wechselgeld.
Eine Kassiererin an einer Supermarktkasse zählt das Wechselgeld. dpa

Berlin - Bis Ende 2018 sollen die Bargeldautomaten in Jobcentern und Arbeitsagenturen abgeschafft werden. Stattdessen sollen Arbeitslosengeld-Empfänger künftig Bargeld an Supermarktkassen erhalten können. Doch an den Plänen kommt massive Kritik auf.

Was wird an der neuen Regelung kritisiert?

Wohlfahrtsverbände und Politiker sehen die Gefahr einer Stigmatisierung. „Dieses Verfahren ist alles andere als diskret“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wenn jemand so einen Gutschein einlöst, ist doch sofort der Verdacht da, dass sich da jemand Hartz IV abholt.“ Im Zweifel kauften Menschen irgendwas, nur, um nicht aufzufallen.

Auch der Sozialverband Deutschland hält wenig von der Lösung. „Es ist grundsätzlich die falsche Richtung, wenn staatliche Institutionen ausgelagert werden“, sagte ein Sprecher. Die Auslagerung der Auszahlungen werde das Grundproblem der Arbeitsagenturen nicht lösen. „Die Arbeitsagenturen sind chronisch unterbesetzt. Da geht es auch nicht um Automaten, sondern um die Betreuung von Arbeitslosen.“

„Ich halte das für großen Unsinn, es ist Stigmatisierung, weil man sofort erkannt wird, als jemand, der Sozialleistungen erhält“, sagte auch der Grünen-Politiker Wolfgang Strengmann-Kuhn. „Ich weiß nicht, warum es nicht über die Mitarbeiter in bar ausgezahlt werden kann.“ Der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß hingegen findet: „Sowas kann man schon machen in Notsituationen.“ Er befürworte zwar die Auszahlung auf ein Konto, aber in bestimmten Situationen sei dies eine praktikable Lösung.

Was entgegnet die Bundesagentur darauf?

Die Gutscheine seien neutral gehalten, sagte Sprecher Christian Weinert. Auf ihnen werde kein Logo des Jobcenters oder der Arbeitsagentur gedruckt. Dies verhindere eine Diskriminierung. Das Unternehmen Cash Payment Solutions, das die Zahlungen abwickelt, unterstrich, dass nicht klar sei, ob jemand nur eine Rückzahlung seines Energieversorgers abhole oder Geld zurück erhalte nach einem Kauf im Internet. Das Unternehmen arbeitet eigenen Angaben zufolge mit vielen weiteren Unternehmen zusammen, etwa mit EON, den Stadtwerken Düsseldorf und diversen Online-Einkaufsportalen. Ulrich Schneider lässt das nicht gelten. Er sagt: „Ich habe noch nie in meinem Leben erlebt, dass jemand mit so einem Zettel kam.“

In welchen Fällen kann Geld im Supermarkt ausgezahlt werden?

„Es handelt sich um eine sehr begrenzte Zahl an Transaktionen“, betonte Weinert von der Bundesagentur. Etwa, wenn jemand so dringend Geld braucht, dass eine Überweisung zu lange dauern würde. Die Barauszahlung komme aber auch zum Einsatz, wenn Menschen kein Konto besitzen. Bislang erhielten sie ihr Geld an einem der 309 Bargeldautomaten in Jobcentern oder Arbeitsagenturen.

Wie funktioniert die Auszahlung?

Nach einem persönlichen Vorsprechen im Jobcenter oder der Arbeitsagentur erhalten die Betroffenen einen Papierausdruck mit einem Strichcode. Dieser wird an der Kasse eines teilnehmenden Geschäfts eingescannt, das Geld ausgezahlt.

Welche Daten werden dabei erfasst?

„Die Kassiererin selber kann nicht erkennen, wofür das Geld ausgezahlt wird“, sagen Bundesagentur für Arbeit und Cash Payment Solutions. Auch lasse der Barcode keine Rückschlüsse auf personenbezogene Daten zu. Der Strichcode enthalte aber sehr wohl Informationen darüber, dass er von der Arbeitsagentur ausgestellt worden ist. Das sei notwendig für die Abrechnung.

Warum macht die Bundesagentur das?

Der Hintergrund sind die Kosten. Bislang zahlt die Arbeitsagentur jährlich 3,2 Millionen Euro für den Unterhalt der Bargeldautomaten. Für jede der 400.000 Bargeldtransaktionen im Jahr 2016 wurden acht Euro fällig. Wieviel Geld die Arbeitsagentur mit der Auslagerung spart, wollte der Sprecher auf Nachfrage nicht sagen. Ein weiteres Argument sei, dass die Automaten sehr störanfällig seien, im Notfall hätten sie manches Mal nicht funktioniert.