Abgasmanipulation Abgasmanipulation: Nicht nur VW trickst bei den Abgaswerten

Berlin - Jetzt ist es raus. Fast alle der 58 vom Kraftfahrtbundesamt getesteten Dieselautos stoßen giftige Stickoxidmengen aus, die weit über den Grenzwerten liegen. Wir erläutern, wie die Autobauer tricksen und damit die Atemluft massiv belasten.
Was hat das Kraftfahrtbundesamt überprüft?
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Abgasbetrügereien bei Volkswagen hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Abgaswerte von 58 Dieselautos sowohl auf dem Prüfstand als auch im Normalbetrieb auf der Straße überprüft. Die Ergebnisse sollen nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) seit November vorliegen, sie würden aber unter Verschluss gehalten. Die DUH und andere Umweltverbände haben mehrfach gefordert, die Resultate publik zu machen. Vom Bundesverkehrsministerium kam bislang lediglich die Auskunft, die Überprüfungen seien noch nicht abgeschlossen.
Warum diese Geheimniskrämerei?
Nach Informationen aus Branchenkreisen wurden bei fast allen Fahrzeugen im Normalbetrieb massiv überhöhte Werte festgestellt – genauer gesagt bei 56 der 58 Pkw. Die DUH vermutet, dass das KBA und das Verkehrsministerium derzeit darüber verhandeln, die der Missstand behoben werden soll. Angeblich soll am Freitag bekannt gegeben werden, wie weitergefahren wird. Laut Nachrichtenmagazin Spiegel soll eines der Fahrzeuge, das die Grenzwerte einhält, ein BMW sein. Es könnte sich um einen X5 handeln. Schon bei Abgastests in den USA war das SUV positiv aufgefallen. Der Wagen ist mit der derzeit aufwendigsten Abgasreinigung ausgestattet.
Haben die Autobauer gegen Gesetze verstoßen?
Das ist umstritten. Bei den Tests des KBA soll sich bestätigt haben, was die Umwelthilfe schon vor Monaten bei Nachprüfungen eines Modells der C-Klasse von Mercedes festgestellt hat. Ab einer bestimmten Außentemperatur wird die Abgasreinigung ausgeschaltet. Der Daimler-Konzern hat zwar eingeräumt, dass dies um Schutz des Motors tatsächlich geschehe - bei weniger als zehn Grad plus. Das sei aber zulässig. Das Unternehmen beruft sich dabei auf einen Passus im EU-Regelwerk, der besagt, dass bei einem Unfall oder drohenden Defekten die Diesel-Katalysatoren zeitweise deaktiviert werden dürfen.
Diese Hersteller sind betroffen
Greift diese Begründung?
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in einer Stellungnahme zu dem Schluss, dass die EU-Regeln „eng auszulegen“ seien. Weiter heißt es: Die Bestimmung dürften „keine taugliche Rechtsgrundlage dafür sein, eine Abschalteinrichtung regelmäßig auch bei Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Pkw typischerweise auftreten, legal greifen zu lassen“. Im Klartext: Die Abschalteinrichtung ist illegal. Dabei ist zu bedenken, dass hierzulande eine Durchschnittstemperatur von 8,2 Grad herrscht.
Welche Hersteller sind überhaupt betroffen?
Neben Mercedes sind auch Pkw von BMW, Ford, Opel, Renault, Peugeot und anderem Fiat getestet worden. Dies deutet darauf, dass die temperaturbedingte Abschaltung von Dieselkatalysatoren eine in der gesamten Branche verbreitete Praxis ist. Vom sogenannten Thermofenster ist die Rede. Diese Steuerung bedingt, dass die Autos bei offiziellen Prüfstandtests nicht auffallen, denn dabei liegt die Temperatur höher als 20 Grad. Das Prinzip Thermofenster würde auch das Phänomen erklären, dass im Winter die Stickoxidwerte in vielen Städten ungewöhnlich hoch sind. Das KBA hat auch Modelle von Volkswagen überprüft. Der Wolfsburger Konzern ist noch etwa dreister vorgegangen. Er hat bei 2,5 Millionen Pkw mit einer Software gearbeitet, die die Abgasreinigung einfach nur aktiviert, wenn der Wagen auf einem Prüfstand steht.
Auch japanische Autobauer Mitsubishi Motors hat Abgastests bei Kleinwagen manipuliert. Das gestand Konzernchef Tetsuro Aikawa am Mittwoch auf einer Pressekonferenz ein. Betroffen seien insgesamt 625.000 Autos für den heimischen Markt. Darunter sind 468.000 Autos, die für den heimischen Konkurrenten Nissan gebaut wurden.
Gab es besonders auffällige Fahrzeuge bei den KBA-Tests?
Besonders auffällig soll nach Angaben von Insidern ein Opel-Modell sein. Auch hier hatte die DUH schon vor Wochen das Ergebnis von Nachmessungen eines Familien-Vans mit Dieselmotor vorgelegt. Die Werte beim Stickoxid lagen extrem weit von den Grenzwerten entfernt. Medienberichten zufolge soll Opel gewissermaßen ein besonders großes Thermofenster benutzt haben. Schon ab 17 Grad werde der Kat deaktiviert. Opel hat sich bislang nicht im Detail dazu geäußert. Das Rüsselsheimer Unternehmen hat bislang lediglich bekräftigt, dass keine Software eingesetzt werde, die wie bei Volkswagen erkenne, ob der Wagen auf einem Prüfstand stehe. Außerdem halte sich das Unternehmen an die geltende Abgasnorm.
Was droht den Autobauern nun?
Das ist eine extrem spannende Frage. Schließt sich die Bundesregierung der Ansicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages an, wäre es ein Verstoß gegen EU-Regeln. Doch Strafen sind für solch ein Vergehen sind von der Bundesregierung bislang nicht festgelegt worden. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Betriebserlaubnis für die Autos erloschen ist. Immerhin würde illegale Technik eingesetzt. Deshalb dürfte es bei den Verhandlungen vor allem darum gehen, wie die Praktiken mit den Thermofenstern zügig abgestellt werden können. Womöglich ist das durch ein Software-Update möglich. Allerdings würde dann der Verbrauch des Reduktionsmittels AdBlue, das Stickoxid unschädlich macht, massiv steigen.