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Abgasaffäre bei Volkswagen Abgasaffäre bei Volkswagen: VW-Chef Matthias Müller blamiert sich bei Radio-Interview in den USA

Von Frank-Thomas Wenzel 12.01.2016, 14:09
Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, hat ein Radio-Interview in den USA gegeben.
Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, hat ein Radio-Interview in den USA gegeben. dpa Lizenz

Was ist bloß mit Volkswagen-Chef Matthias Müller los? Derzeit tourt er durch die USA, um im Abgasskandal die Behörden und das Justizministerium milde zu stimmen. Ständig ist er damit beschäftigt, sich dafür zu entschuldigen, dass in Hunderttausenden von Diesel-Autos Betrugssoftware eingebaut wurde. Doch jetzt stellt sich die Frage, wie ehrlich diese Entschuldigungen gemeint sind. Denn Müller hat sich in einem Radio-Interview heftig blamiert. Gefragt wurde er nach der ethischen Dimension des Abgasskandals. Doch die sieht er offenbar nicht so recht. „Wir haben nicht gelogen“, sagte der Manager dem Reporter. Man habe lediglich die Gesetze falsch interpretiert.

Abwiegelung und Beschönigung

Hintergrund der Frage nach der Ethik waren Ermittlungen der US-Behörden wegen Stickoxid im Abgas von Dieselautos. Die im Alltagsbetrieb schon im Mai 2014 auf der Straße gemessenen Mengen lagen weit über den Grenzwerten. Monatelang wiegelten die VW-Verantwortlichen in den USA ab. Unangenehmen Fragen von Behörden wurde ausgewichen. Es gab beschönigende Darstellungen. Erst nach beharrlichem Nachhaken gab Volkswagen im September 2015 den Einsatz der Betrugssoftware zu. Ermittlungen seien durch „irreführende Informationen“ behindert worden, betonte jüngst das Justizministerium.

Nicht gelogen? Diese These lässt sich mit Verlaub auch deshalb nicht halten, weil Volkswagen sich Anfang Dezember gezwungen sah, Gründe für die Schummeleien nennen: Man habe seinerzeit keinen Weg gefunden um die strengeren Stickoxid-Normen in den USA „mit zulässigen Mitteln“ zu erfüllen. So sei es zum Einsatz der Software gekommen, „die den Ausstoß von Stickoxiden regulierte, je nachdem, ob sich das Fahrzeug auf der Straße oder gerade in einem Prüfzyklus befand“. Hier haben Ingenieure mit Vorsatz manipuliert, und dies lange Zeit gegenüber den Behörden bewusst und gezielt verheimlicht.

Wie lässt sich dann Müllers Ansage erklären? War das so eine Art Versprecher in der Hitze des Gefechts? Das kann passieren, darf dem Volkswagen-Chef in Anbetracht der aktuellen Lage aber nicht passieren, zumal er von seinen Kommunikationsexperten im Vorfeld der US-Tour mit Sicherheit alle erdenklichen Fragen von Journalisten durchgespielt hat. Es geht in den USA um viel. Um Bußgelder und Schadenersatz in Milliardenhöhe. Und die Chancen für milde Strafen steigen, wenn der oberste Manager Einsicht zeigen würde. Genau das Gegenteil hat er getan.

Ein offenes Geheimnis

Vielleicht ist ihm einfach auch nur herausgerutscht, was er tatsächlich denkt: Dass Volkswagen nicht wirklich Schlimmes getan hat, eine Art Kavaliersdelikt. Schließlich ist es in der Autobranche ein offenes Geheimnis, dass zumindest in Europa bei Abgaswerten massiv getrickst wird, und zwar von allen Herstellern. Die Autobauer konnten das bislang gefahrlos tun, weil sie wussten, dass Behörden und Politik da nicht so genau hinschauen.

Dem entsprechend läuft auch die Aufklärung des Abgasskandals. Volkswagen räumt nur ein, was nicht mehr abzustreiten ist. Der Konzern ist der Öffentlichkeit bislang viele Antworten schuldig geblieben, und die Bundesregierung unternimmt nichts, um mehr Transparenz herzustellen. In den USA läuft es anders.
Müllers Goodwill-Tour jedenfalls ist gescheitert. Für die Aufarbeitung der dortigen Affäre ist er jetzt nicht mehr Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.