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400.000 Klagen gegen VW 400.000 Klagen gegen VW: Warum Anwälte warnen sich an dem Mammutprozess zu beteiligen

Von Julius Lukas 16.09.2019, 00:00
Bis 29. September können sich Verbraucher der Musterfeststellungsklage gegen VW anschließen.
Bis 29. September können sich Verbraucher der Musterfeststellungsklage gegen VW anschließen. dpa

Halle (Saale) - Die Zeit drängt: Bis zum 29. September können sich Verbraucher noch der Musterfeststellungsklage gegen den Volkswagen-Konzern anschließen. Allerdings raten kurz vor Ende der Frist verschiedene Anwälte von diesem Schritt ab. „Die Klage wird nicht das bringen, was sich viele Verbraucher erhoffen: Einen schnellen Schadenersatz“, sagte Anwalt Jan-Eike Andresen vom Rechtsdienstleister „myRight“ der MZ. Seiner Ansicht nach ist wahrscheinlich sogar das Gegenteil der Fall: „Das Verfahren wird sehr lange dauern, und ob am Ende wirklich von VW gezahlt wird, ist keineswegs sicher.“ Verbraucherschützer allerdings halten die Musterfeststellungsklage nach wie vor für einen geeigneten Weg, um gegen den Konzern vorzugehen.

Musterfeststellungsklage gegen VW-Konzern wegen Manipulation der Abgaswerte

Die Klage wird ab dem 30. September vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (Niedersachsen) verhandelt. Eingereicht wurde sie vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) und dem ADAC. Mittlerweile haben sich über 400.000 Menschen der Klage angeschlossen.

Deren Ziel ist laut Verband die Feststellung, „dass Volkswagen Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und daher Schadenersatz schuldet“. Dabei geht es um die 2015 aufgeflogene Manipulationen der Abgaswerte von Millionen Dieselfahrzeugen des Autobauers. Neben VW sind davon auch die Marken Audi, Skoda und Seat betroffen.

Lesen Sie hier: Streit um manipulierten VW Frau aus Halle kämpft seit 2017 um Entschädigung

Mit der Musterfesstellungsklage in Braunschweig soll nun für die Geschädigten mit nur einem Prozess Rechtssicherheit hergestellt werden. Diese Art der Klage wurde im November vergangenen Jahres eingeführt, wobei der VW-Dieselskandal ein maßgeblicher Auslöser war. Anspruch dieses neuen Instruments ist es, möglichst vielen Verbrauchern schnell und auch preiswert - die Teilnahme ist kostenlos - zu ihrem Recht zu verhelfen.

Experte: Klage gegen VW-Konzern kann vier bis fünf Jahre dauern

Anwalt Jan-Eike Andresen geht jedoch davon aus, dass VW den Prozess in die Länge ziehen wird. „Vier bis fünf Jahre wird er sicher dauern“, sagte der Jurist. Hintergrund sei, dass jeder Tag, den das Verfahren länger dauere, dem Konzern nutze. Denn die meisten Betroffenen wollen als Kompensation des Betrugs ihr Fahrzeug zurückgeben und anschließend den Kaufpreis erstattet bekommen. Jedoch wird in diesen Fällen üblicherweise eine Nutzungsentschädigung, die sich nach Dauer und Intensität der Nutzung richtet, vom Kaufpreis abgezogen. „Das bedeutet: Je länger VW den Prozess zieht, desto weniger müssen sie zahlen“, sagte Andresen. Allerdings: Ob überhaupt eine Nutzungsentschädigung abgezogen werden darf, wird derzeit noch gerichtlich geprüft.

Klage gegen VW-Konzern: Angesichts der Kritik reagiert der VZBV gelassen

Hinzu kommt, dass die Teilnahme an der Musterklage zwar kostenfrei sei. „Allerdings wird durch die Klage nur festgestellt, ob und unter welchen Bedingungen VW Schadenersatz zahlen muss“, sagte Andresen. Mögliche Ansprüche müssten anschließend von jedem einzeln eingeklagt werden, wobei wiederum Kosten entstehen könnten.

Angesichts der Kritik reagiert der VZBV gelassen. Die Frage, ob aufgrund der aufgeworfenen Unsicherheiten Verbraucher die Musterfeststellungsklage nun verlassen sollten, beantwortete Anwalt Marco Rogert mit einem klaren „Nein“. Der Jurist hat die Musterklage für den Verband mit entworfen. „Wer einen langen Atem hat, und wer nicht individuell klagen kann oder möchte, sollte abwarten“, rät Rogert. Wer sich allerdings gegen die Musterfeststellungsklage entscheide, müsse sich bis zum 30. September von dieser abmelden. (mz)