Steuerfahndung Steuerfahndung: Analyse: «Man steht im prallen Leben»
Köln/dpa. - Dreht man nämlich den Kugelschreiber etwas weiter, liest man einen zweiten Aufdruck: «Steuerfahndung Köln». Der leitende Regierungsdirektor Rau ist Chef der Kölner Steuerfahndung. «Ein spannender, hochinteressanter Beruf», sagt er. «Man steht im prallen Leben.»
Natürlich wusste er am vergangenen Donnerstag vor dem Zugriff auf den mittlerweile abgelösten Postchef Klaus Zumwinkel, dass ein großer Schlag vorbereitet wurde. Aber Leute wie er sind verschwiegen. «Ich habe auch der geschätzten Gattin nichts gesagt», schmunzelt er. Raus Büro liegt im obersten Stockwerk eines alten Hochhauses zwischen Bahntrasse und Gewerbegebiet. Hier forscht und ermittelt er mit 150 Kollegen, davon 90 Fahndern. Er schätzt: Jeder Fahnder holt im Jahresdurchschnitt eine Million Euro an hinterzogenen Steuern wieder rein.
«Es kommt nur ganz selten vor, dass wir am Ende mit leeren Händen darstehen», sagt sein Kollege Gotthard Kunisch (51), der unter anderem für organisierte Kriminalität zuständig ist. Und noch nie sei es in Raus Amtszeit vorgekommen, dass die Fahnder nach einer Razzia von einem Richter zurückgepfiffen wurden. «Das ist ja alles sehr sensibel», sagt Rau. «Blauäugig in eine solche Sache reinzumarschieren, das können wir uns nicht leisten.»
Behördenleiter wie er verfügen über eine ungewöhnliche Machtfülle. Im Grunde ist er Polizeipräsident und leitender Oberstaatsanwalt in einer Person, denn er leitet einerseits die Ermittlungen, kann aber auch einen Strafbefehl beantragen. Experten haben schon einmal überprüft, ob das überhaupt verfassungskonform ist. «Das Ergebnis war: Jawohl, ist es», betont Rau.
Nach seiner Schätzung verliert der deutsche Staat durch Steuerhinterziehung jedes Jahr Milliardenbeträge in zweistelliger Höhe. «Unser Steuersystem ist leider betrugsanfällig», seufzt er. «Wir können nur immer wieder stören.» Die Tipps kommen am Anfang oft von der Polizei oder von den Finanzämtern. Aber es gehen auch jeden Tag 10 bis 15 Anzeigen an. Absender sind enttäuschte Ehefrauen, gefeuerte Angestellte, neidische Kollegen. Ab und zu meldet sich sogar ein reuiger Sünder per Selbstanzeige, was unter bestimmten Voraussetzungen zu völliger Straffreiheit führt.
Die Arbeit ist extrem zeitaufwendig. Oft müssen labyrinthische Konstruktionen zur Tarnung der abgezweigten Gelder aufgedeckt werden. Zurzeit steht in Köln gerade ein Fall vor der Aufklärung, in dem ein Fahnder zwei Jahre lang vorermittelt hat, unter anderem in fünf EU- Ländern. Mittlerweile durchsuchen die deutschen Fahnder auch schon mal Fincas auf Mallorca oder Büros auf Ibiza. Die vorherige Genehmigung durch die ausländischen Behörden zieht sich allerdings immer über Monate hin, und in dieser Zeit darf nichts durchsickern.
Wenn die Steuerfahnder dann schließlich klingeln, ihre Dienstmarke und gegebenenfalls den Durchsuchungsbefehl vorzeigen, erleben sie so manches menschliche Drama. Am ruhigsten geht es eigentlich noch im Rotlichtmilieu zu - dort ist man an den Umgang mit den Justizbehörden gewöhnt und gibt sich professionell abgeklärt. Immer wieder werden bei solchen Einsätzen mehrere hunderttausend Euro in bar gefunden. Das Verwischen aller Spuren ist schwierig: «Konten laufen nicht weg, Geld hinterlässt Spuren», sagt Kunisch.
Für Rau sind schwere Fälle von Steuerhinterziehung vergleichbar etwa mit Rauschgiftkriminalität. «Wir leben in einem Sozialgefüge, das finanziert werden muss.» Was nicht bedeute, dass die «Klienten» nicht sehr korrekt behandelt würden. Einmal hat Gotthard Kunisch sogar einen gerade festgenommenen Hauptverdächtigen zu dessen mündlicher Diplomprüfung in die Uni begleitet. Während die Professoren fragten, standen draußen zwei Polizisten. Das Thema der Prüfung war zufällig Steuerrecht.