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Staatsanwalt: BAWAG-Chefs haben Bank «bewusst verspielt»

16.07.2007, 17:09

Wien/dpa. - Dramatischer Auftakt zum größten Wirtschaftsprozess in der Geschichte Österreichs: Mit scharfen Attacken gegen die neun Angeklagten hat die Staatsanwaltschaft in Wien das Verfahren um den BAWAG-Bankenskandal eröffnet.

In seinem rund einstündigen Plädoyer nannte Staatsanwalt Georg Krakow die Ex-Manager der traditionsreichen, ehemaligen Gewerkschaftsbank «Finanzjongleure, die einen der weltweit größten Verluste in Bankgeschäften überhaupt verursacht» hätten. Der Verteidiger des Hauptangeklagten, Ex- Vorstandschefs Helmut Elsner, wiederum verurteilte die Umstände des Strafverfahrens als «eine blanke Menschenjagd» in deren Verlauf die Angeklagten bereits «vorverurteilt» worden seien.

Die acht Ex-BAWAG-Vorstände und der in den USA lebende Investmentbanker Wolfgang Flöttl werden beschuldigt, der Bank durch hochriskante Finanztransaktionen in der Karibik in den 90er Jahren Milliardenverluste zugefügt zu haben. Anschließend habe man versucht, den Zusammenbruch der 2006 an den US-Hedge-Fonds Cerberus verkauften Bank durch bewusste und gesetzwidrige «Vertuschungsaktionen» zu verhindern.

Die Höchststrafe für diese Vergehen liegt in Österreich bei zehn Jahren Gefängnis. Das Gericht will an insgesamt 44 Prozesstagen rund 50 Zeugen hören. Das Urteil soll am 31. Oktober gesprochen werden. Nebenkläger sind der Österreichische Gewerkschaftsbund ÖGB und die neue BAWAG-Führung, die nach eigenen Angaben durch die Manipulationen des alten Vorstandes rund 1,4 Milliarden Euro Verluste erlitten haben. Nach Angaben der ÖGB-Nebenkläger hat der ÖGB durch die Aktivitäten der Angeklagten praktisch sein gesamtes Kapitalvermögen sowie die seit 60 Jahren angesammelten Geldmittel verloren.

Der Ankläger nannte den 72-jährigen ehemaligen Vorstandschef, Helmut Elsner, «den Kopf der Gruppierung, die die BAWAG fast zu Grunde gerichtet hat». Elsner war erst im vergangenen Jahr nach langem Tauziehen zwischen der österreichischen und französischen Justiz von seiner südfranzösischen Villa in ein Wiener Untersuchungsgefängnis gebracht worden. Elsner, der der BAWAG acht Jahre lang vorstand, habe «die Bank vorsätzlich verspielt. Zu Beginn vielleicht aus Ehrgeiz, später aus Angst». Dabei habe er den Aufsichtsrat und die sonstigen Kontrollbehörden «hinters Licht geführt».

Elsner hatte nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dem in den USA lebenden Investmentbanker Wolfgang Flöttl, Sohn eines früheren BAWAG-Chefs, Mitte der 90er Jahre grünes Licht für Finanzspekulationen gegeben, die die Bank Hunderte Millionen US- Dollar kosteten. Dabei hätten die Angeklagten «jeden Rahmen für erlaubtes Wagnis» hinter sich gelassen und «mehrfache Untreue» begangen, indem sie «wissentlich ihre Befugnisse missbrauchten und mit Schädigungsvorsatz handelten». Insbesondere hätten die Angeklagten die üblichen Kontrollgremien bewusst umgangen. Flöttls Anwalt wies die Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurück. Die von ihm verursachten Verluste seien ab 1998 nicht nur Flöttl, sondern selbst «den größten Banken» passiert. Der Prozess wird fortgesetzt.