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Rund 200 Fußballspiele unter Manipulationsverdacht

Von Wolfgang Dahlmann 20.11.2009, 15:08

Bochum/dpa. - Europas Fußball wird vom größten Betrugsskandal seiner Geschichte erschüttert. Die Manipulationen reichen den Ermittlern zufolge von der Champions League bis hin zur laufenden Europa-League. In Deutschland ist die 2. und 3. Liga sowie die Regional- und Oberliga betroffen.

Acht weitere Länder sind ebenfalls im Visier - größtenteils mit Erstligaspielen. Knapp fünf Jahre nach den Wett-Betrügereien um Schiedsrichter Robert Hoyzer verfolgen Staatsanwaltschaft und Polizei ein Korruptionsgeschehen ungeahnten Ausmaßes. Rund 200 Spiele stehen unter Manipulationsverdacht, es gebe «bisher über 200 Tatverdächtige», teilten die Staatsanwaltschaft Bochum und die Polizei am Freitag auf einer Pressekonferenz mit. Sie sprachen von der Spitze eines Eisbergs. 15 Verdächtige wurden in Deutschland verhaftet.

Die Europäische Fußball-Union UEFA zeigte sich zufrieden über die Ermittlungsresultate. «Andererseits sind wir aber auch zutiefst betroffen vom Ausmaß abgesprochener Spielmanipulationen internationaler Banden», erklärte UEFA-Sprecher Peter Limacher. «Das ist der bisher größte Skandal im Fußball.»

Im November 2008 waren die Ermittler über abgehörte Telefongespräche in der Rotlichtszene im Ruhrgebiet auf die Betrügereien aufmerksam geworden. Seit Anfang 2009 stehen die Spiele, 32 davon in Deutschland, unter Manipulationsverdacht. Die Ermittlungen sollen noch Monate andauern.

«Diese Betrüger müssen drakonisch bestraft, ausgemerzt werden, weil es sonst unseren Sport kaputt macht», sagte Jürgen Marbach, der Geschäftsführer des deutschen Meisters VfL Wolfsburg. «Ich hätte vorher immer ausgeschlossen, dass so was im deutschen Fußball möglich ist», sagte Jörg Schmadtke, der Manager von Hannover 96.

Die 1. Bundesliga ist bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht betroffen, wie Staatsanwaltschaft und Polizei mitteilten. Unter Manipulationsverdacht stehen auch drei Spiele der Champions League, zwölf Spiele der Europa League und ein Qualifikationsspiel zur U21- Europameisterschaft.

Aus «ermittlungstaktischen Gründen» wollte der zuständige Staatsanwalt weder Namen von Verdächtigen noch die betroffenen Spiele und beteiligten Vereine nennen. Die Staatsanwaltschaft Bochum ist eine Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Korruption.

Nach Informationen der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Freitag) sollen Spieler des VfL Osnabrück in mögliche Spielmanipulationen in der 2. Fußball-Bundesliga verwickelt sein. Nach Angaben der Zeitung verdächtigt die Staatsanwaltschaft Bochum als Drahtzieher einen 34- Jährigen, der mit Hilfe von VfL-Profis zwei Spiele aus der vergangenen Saison manipuliert haben soll. Bei den Partien soll es sich um die Auswärtsspiele der Osnabrücker beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai 2009 handeln. Der Mann soll am Donnerstag verhaftet worden sein.

Niemand sei bisher auf den FC Augsburg mit Informationen oder Ermittlungen zugekommen. Man werde «selbstverständlich alles in seiner Macht stehende für eine lückenlose Aufklärung tun», teilte der Zweitligist mit.

Die Betrüger sollen Spieler, Trainer, Schiedsrichter und Offizielle bestochen haben, um Spielausgänge zu beeinflussen. Anschließend hätten die Beschuldigten versucht, hohe Geldbeträge bei europäischen und asiatischen Wett-Anbietern gesetzt haben. Der Gewinn soll insgesamt mehrere Millionen Euro betragen. Ausgezahlt wurden von den Wettbüros in Europa und Asien nach vorläufigem Stand rund zehn Millionen Euro. Da die Erfolgsquote bei den manipulierten Wetten bei etwa 50 Prozent liege, fällt der Reingewinn niedriger aus.

Deutschland ist mit 32 Begegnungen betroffen, darunter vier aus der 2. Bundesliga. Weitere Länder ohne Erstliga-Bezug sind Belgien und die Schweiz. In Österreich, Kroatien, Slowenien, Türkei, Ungarn, Bosnien und stehen indes Erstliga-Spiele im Fokus. In allen Fällen bestehe ein konkreter Verdacht oder sei Manipulation nachgewiesen worden.

Festgenomen wurden bislang 17 Verdächtige, davon 15 in Deutschland und zwei in der Schweiz, darunter auch die Drahtzieher. In Deutschland, Österreich, Großbritannien und der Schweiz wurden zudem 50 Objekte durchsucht und zahlreiche Beweismittel sichergestellt. Schwerpunkte der Aktionen in Deutschland lagen in Berlin, Nürnberg und dem Ruhrgebiet. Ob die Hauptverdächtigen auch mit dem Hoyzer-Fall zu tun hatten, wollte die Staatsanwaltschaft nicht sagen.