Regisseur und Oscar-Preisträger Regisseur und Oscar-Preisträger : Alexander Freydank spricht über Kafka-Verfilmung
München - So sieht ein Mann aus, der sich niemals entmutigen lässt: Hochgewachsen, schlank und agil, die ausdrucksvollen Augen und der blanke Schädel strahlen um die Wette. Wir treffen uns in der kühlen Lobby eines Hotels unweit des Münchner Hauptbahnhofs, der Berliner Jochen Alexander Freydank ist viel unterwegs zurzeit. Eben vom Filmfestival in Shanghai zurück, hat er einen Juryplatz in München zu besetzen, bevor es nach Usedom geht, wo er einen Fernsehkrimi drehen wird.
Freydank, 1967 in Ost-Berlin geboren, wirkt entspannt, ist ausgesprochen glücklich und hat auch allen Grund dafür. Am Donnerstag kommender Woche wird sein Spielfilm „Kafkas Der Bau“ mit Axel Prahl in der Hauptrolle in die Kinos kommen - ein Projekt, für das er zwölf Jahre lang gekämpft hat. Immer wieder haben die öffentlichen Fördereinrichtungen abgewinkt: Kafka? Das ist doch sehr speziell!
Kafka ist höchst aktuell
Natürlich ist das einerseits richtig - aber das Werk von Franz Kafka gehört eben erstens in die vordere Reihe der Weltliteratur und ist zudem, wie gute Literatur überhaupt, von keinem Verfallsdatum bedroht. Kafka ist höchst aktuell, Freydanks Film belegt es künstlerisch überzeugend und mit all der existenzialistischen Wucht, die dem Anfang der 1920er Jahre entstandenen, unvollendet gebliebenen Text innewohnt. Ein Stück Gänsehaut-Literatur, in dem ein nicht näher bezeichnetes Tier als Ich-Erzähler seinen Bau beschreibt, den es mit größter Finesse gegraben und eingerichtet hat, um optimale Sicherheit zu gewinnen. Doch bald schleicht sich Zweifel, schließlich nackte Angst ein. Axel Prahl, den alle Welt als kodderschnäuzigen Bullen aus dem Münster-„Tatort“ der ARD kennt, spielt dieses Wesen, das am schrecklichen Ende tatsächlich einer gepeinigten tierischen Kreatur näher ist als einem Menschen. Der hatte sich in einem furchterregenden, kalten Neubauklotz aus Beton einzurichten versucht und Stück für Stück alles verloren: Die mit paranoidem Eifer immer noch perfekter gebaute Sicherheit, den Job in einer sehr vertraut wirkenden, klaustrophobischen Arbeitswelt, die Anerkennung seiner Würde. „Ich glaube, Kafka würde der Film auch gefallen“, sagt Freydank mit hinreißendem Selbstbewusstsein. Er, der schon als junger Mann auf Kafka stieß und sein Werk bewunderte („zum Glück musste ich ihn nie in der Schule lesen“), sieht sich am Ende für seinen Mut und seine Starrköpfigkeit belohnt. Der Film ist auf mehreren internationalen Festivals gelaufen - so, wie es auch bei seinem Kurzfilm „Spielzeugland“ gewesen ist. Den hatte in Deutschland zunächst keiner haben wollen. Dann gewann Freydank 2009 einen Oscar dafür. Eine größere Genugtuung lässt sich kaum denken.
Beitrag zur politischen Debatte
Anfängliche Ablehnung - und deren Überwindung begleitet die bemerkenswerte, aufsteigende Karriere des Mannes, der inzwischen auch für Fernseharbeiten wie „Und weg bist du“ (Sat.1) und zuletzt „Große Fische - kleine Fische“ (ZDF) Preise und viel Anerkennung eingesammelt hat. An den Türen der Filmhochschulen hatte Freydank in den 90er Jahren indes vergeblich geklopft.
Mut, Können und der Glauben an die eigene Kraft haben ihm geholfen - Eigenschaften, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) jüngst bei den deutschen Regisseuren der jüngeren Generation vermisst hat. Vielleicht schaut sie sich ja den Kafka-Film, der nicht nur Literatur adaptiert, sondern eben auch ein Beitrag zur politischen Debatte ist, im Kino an.
Freydank sagt, wenn man einen Film wie seinen nach Jahren durchsetze - gegen alle Widerstände zwar, aber auch, indem er eigenes Geld in die Produktion gegeben habe, ohne den Schauspielern Honorar zahlen zu können - dann könne auch am System der Filmförderung etwas nicht stimmen. „Der Preis ist sehr hoch“, sagt Freydank nüchtern: „Ich kann verstehen, dass ihn nicht jeder zahlen will.“
Jetzt arbeitet er wieder für das Fernsehen, schließlich muss er ja auch Brötchen verdienen. „Aber für eine Haudrauf-Doof-Komödie würde mir wohl wenig einfallen“, sagt Freydank. Und vergisst nicht, das oft (und oft zu Recht) kritisierte Fernsehen zu loben: Ohne Arte und den Bayerischen Rundfunk, die schließlich halfen, hätte es den Kafka-Film wohl nie gegeben. (mz)