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Prozess zu Mord aus DDR-Zeiten  Prozess zu Mord aus DDR-Zeiten : 61-Jähriger im Fall Heike Wunderlich vor Gericht

12.12.2016, 11:10
"Viel zu früh" steht auf dem Grabstein von Heike Wunderlich in Altensalz
"Viel zu früh" steht auf dem Grabstein von Heike Wunderlich in Altensalz dpa-Zentralbild

Zwickau - Wenn man über die Kuppe kommt, liegt der Ort Altensalz malerisch am Ufer der Talsperre Pöhl. Das von der mächtigen Kirche dominierte Dorf strahlt jedoch nur äußerlich Ruhe aus. Der am kommenden Montag beginnende Prozess am Landgericht Zwickau hat viele Altensalzer Einwohner aufgewühlt. Denn verhandelt wird gegen den Mann, der mutmaßlich vor fast 30 Jahren den Teenager Heike Wunderlich aus ihrer Mitte gerissen hat. Im Schwurgerichtssaal soll geklärt werden, ob der Angeklagte Helmut S. der Vergewaltigung und des Mordes an der damals 18-Jährigen im April 1987 schuldig ist.

Staatsanwalt zum Mordfall Heike Wunderlich: „Das ist unser ältestes ungeklärtes Tötungsverbrechen gewesen“

Für den in Mordprozessen erfahrenen Staatsanwalt Holger Illing ist der bevorstehende Prozess außergewöhnlich. „Das ist unser ältestes ungeklärtes Tötungsverbrechen gewesen. Es stammt quasi noch aus einer anderen Zeit. Auch, wenn man sich den Umfang der Akten anschaut, ist es etwas Besonderes“, sagte der Anklagevertreter, der den Fall seit 2008 unter seiner Leitung hat. Die Sammlung ist gewaltig: 18 Ordner Hauptakte, 140 Ordner Beiakten, insgesamt 60.000 Blatt.

„Das ist kein normaler Mordprozess“, sagte auch Altfrid Luthe, Sprecher des Landgerichts. Weil die Tat schon so lange zurückliegt, rechnet er mit einer mehrmonatigen Prozessdauer. „Er wird länger dauern als übliche Mordprozesse.“ Für die Familie des Opfers vertreten zwei Anwälte aus Plauen und Dortmund die Nebenklage.

Angeklagter im Mordfall Heike Wunderlich durch DNA-Spuren überführt

Dass das Verbrechen noch vor dem traurigen 30. Jubiläum aufgeklärt scheint, liegt an einer DNA-Spur, die dank weiter verfeinerter Untersuchungsmethoden analysiert werden konnte. Die Datenbank lieferte dann einen Treffer: Den heute 61 Jahre alten Frührentner Helmut S.. Wegen Gewalt- und Sexualdelikten war er laut Staatsanwaltschaft in der DNA-Datei gespeichert.

Anfang April war der Angeklagte in Gera festgenommen worden, wo er seit einigen Jahren lebt. Der Mann ist seit einem Schlaganfall 2012 erwerbsunfähig. Zum Prozess wird er am Montag aus dem Haftkrankenhaus in Leipzig nach Zwickau gebracht.

Elf Verhandlungstage sind zunächst angesetzt und 49 Zeugen geladen. Sie und drei Sachverständige sollen dazu beitragen aufzuklären, was sich am 9. April 1987 ereignet hat. Die damals 18 Jahre alte Stickerin Heike Wunderlich befand sich auf dem Weg von Plauen nach Hause, kam dort aber nie an. Am Tag darauf wurde die erdrosselte und missbrauchte junge Frau neben ihrem Moped von einem Armeeangehörigen entdeckt.

Ermittlungen ohne Ergebniss: Akte Wunderlich 1989 vorübergehend geschlossen

Alle Ermittlungen der Mordkommission in Karl-Marx-Stadt, wie Chemnitz damals hieß, waren im Sande verlaufen. DNA-Analysen, wie sie heutzutage gang und gäbe sind, waren damals noch nicht bekannt. Erst 1998 wurde beim Bundeskriminalamt eine DNA-Datei eingerichtet. So wurde die Akte Wunderlich 1989 vorübergehend geschlossen.

Erst zehn Jahre später kam wieder Bewegung in den Fall, 2001 wurde dann eine verwertbare DNA-Spur gefunden. In der Folge wurden bis 2006 Tausende Speichelproben von Männern genommen und untersucht - ohne Erfolg. Ein aus Oelsnitz im Vogtland stammender Fernfahrer, der mehrere Prostituierte getötet hatte, stand vorübergehend unter Verdacht, schied dann aber als Täter aus.

Ermittler Enrico Petzold wollte, dass die Eltern noch erleben, wie der Täter gefasst wird

Seit 2005 leitet Enrico Petzold die Ermittlungen in dem Fall, der unter ihm bundesweit bekannt wurde. Denn 2009 fahndete die Polizei über die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ nach dem Täter. Dies blieb ebenso ohne Erfolg wie die Ausstrahlung in der MDR-Sendung „Kripo live“ drei Jahre später. Der Kriminalhauptkommissar aber blieb dran. Ihn trieb an, „dass es die Eltern noch erleben, wie wir den Täter finden“, sagte er 2014 der Tageszeitung „Freie Presse“. (dpa)