Projekt «Kinder ohne Lobby brauchen Zukunft» Projekt «Kinder ohne Lobby brauchen Zukunft»: Ein Stück Familienleben im Wohlfahrtsverband
Halle/MZ. - Der 15-jährige Mario ist ein freundlicher Junge, der offen auf Menschen zu geht: "Hallo, ich bin Mario." Er fährt gerne Fahrrad und freut sich, dass er in der Schule und mit seinen Eltern gut zurecht kommt. Eigentlich ganz normal? Mitnichten, denn als der Junge, dessen Namen wir geändert haben, vor fast zwei Jahren in die Tagesgruppe "achterbahn" des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Halle kam, hatte er große Probleme mit sich, seiner Familie und der Schule. Er schwänzte, weder mit der Mutter noch mit dem Vater kam er klar.
"Wo Kinder in Not sind, ist es meist auch nicht gut mit der Situation der Eltern bestellt. Beides gehört zusammen. Wir wollen Kinder und Eltern unterstützen, damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können", erklärt Frank Germann, Koordinator des Erziehungshilfeverbundes des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Wer auf Vermittlung des Jugendamtes und des Allgemeinen Sozialen Dienstes in die "achterbahn" kommt, soll die Chance bekommen, nicht immer nur Talfahrten zu machen, sondern auch wieder Höhenflüge erleben können.
Wie dies funktioniert, erläutert Lothar Langer, Leiter der Gruppe: Nach der Schule kommen die acht Kinder, die von zwei Sozialarbeitern betreut werden, in die ehemalige Kindertagesstätte auf der Silberhöhe. Sie essen dort zusammen Mittag, machen Hausaufgaben, malen, spielen oder treiben zusammen Sport, machen zum Beispiel ausgedehnte Radtouren an der Saaleaue oder sie besuchen die Schwimmhalle. Um 18 Uhr gehen sie in ihre Familien. In Hausbesuchen oder Gesprächen in der Einrichtung wird der Kontakt zu den Eltern gehalten. "Wir sind nur die Begleiter, wir beschneiden die Eltern nicht in ihrem Erziehungsrecht. Die Eltern sind die Hauptakteure", so Langer.
Feste Regeln bestimmen das Miteinander. "Wir hören den anderen zu und bleiben cool", ist der oberste
Grundsatz. Aber auch: "Ich mache täglich etwas für die Schule" oder "Ich bin höflich und ehrlich." Aber nicht nur die Regeln, sondern auch therapeutische Angebote wie Entspannungsübungen sollen den Kindern in ihrer Persönlichkeitsentwicklung helfen. Wichtig ist vor allem die Zusammenarbeit zwischen Schule, Eltern und der Tagesgruppe. "Wenn die Zusammenarbeit klappt, haben wir es geschafft. Dann ist es Hilfe zur Selbsthilfe", erläutert der Gruppenleiter.
In der Regel haben die Familien mit ihren Problemen bereits viele Hilfsangebote durchlaufen, die nichts gebracht haben. "Uns ist es wichtig, die Familien zu unterstützen, so dass sie selbst daran glauben, sich selbst helfen zu können", erläutert Langer.
Seit 1994 werden hier Kinder im Alter von etwa sieben bis 15 Jahren betreut - auch in den Schulferien. Die Gruppe ist nie größer als acht Kinder. In der Regel reicht eine Betreuung von zwölf bis 15 Monaten. Auch eine einwöchige Urlaubsreise in den Harz macht die Gruppe jedes Jahr. "Es ist schön zu sehen, wie die Kinder in der Natur aufblühen", freut sich der Gruppenleiter. Denn alle Freizeitangebote haben nur ein Ziel: Das Selbstwertgefühl der Kinder zu heben und ihnen eine sinnvolle Beschäftigung nahe zu bringen. Auch ein Besuch im Restaurant hat seinen pädagogischen Sinn - die Kinder sollen lernen, wie man sich dort verhält.
"Es sind keine kleinen Schwierigkeiten, die die Kinder haben, die zu uns kommen. Es ist etwas anderes als eine Jugendfreizeiteinrichtung", betont Langer. Aus diesem Grund wird seit einiger Zeit im Erziehungshilfeverbund des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ein großes - derzeit aber unfinanzierbares - Vorhaben diskutiert: Die Anschaffung eines Pferdes für ein therapeutisches Reiten mit den Kindern, die nicht nur in der Tagesgruppe "achterbahn", sondern auch in den anderen Wohngruppen und Betreuungsgruppen Hilfe suchen.