Zweite TV-Debatte im US-Wahlkampf Zweite TV-Debatte im US-Wahlkampf: Trump attackiert - Clinton retourniert

Washington - Die zweite TV-Debatte zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump wird es in die Lehrbücher für Fernseh-Duelle schaffen. Nicht als leuchtendes Beispiel, sondern als Beispiel für einen Tiefpunkt der Debattenkultur, wie ihn die Amerikaner noch nie erlebt.
Geplagt von den Reaktionen seiner eigenen Partei auf ein Video, in dem er in obszönen Worten mit sexuellen Übergriffen auf Frauen prahlt, geht Trump zur rüden Attacke auf Clinton über. Persönliche Beleidigungen fliegen hin und her, die Inhalte rücken in den Hintergrund.
Das Duell zwischen dem Immobilienmilliardär und der Ex-Außenministerin belegt eindrucksvoll, wie sehr die US-Gesellschaft gespalten ist. Das Amerika der Wutbürger kämpft an diesem Abend gegen das liberale Amerika.
Trump denkt nicht ans Aufgeben
Trump, den inzwischen zahlreiche hochrangige Republikaner zum Rückzug auffordern, zeigt schon kurz vor der Debatte, dass er offenbar nicht ans Aufgeben denkt. In einer improvisierten Pressekonferenz lässt er Frauen sprechen, die angeblich von Hillary Clintons Ehemann Bill sexuell missbraucht worden sind und nun Trump im Wahlkampf unterstützen. Während der Debatte selbst wiederholt er diese Attacken und unterstellt seiner Konkurrentin, sie habe missbrauchte Frauen öffentlich schlecht gemacht, um die Präsidentschaft ihres Mannes in den 90er Jahren zu retten. Das wirkt der Versuch, die eigenen Verfehlungen mit den Verfehlungen anderer zu rechtfertigen.
Trump sagt, seine auf Video aufgezeichneten Sprüche aus dem Jahr 2005 seien nicht mehr als Männerscherze in der Umkleidekabine gewesen. Er sei zwar nicht stolz darauf und habe seine Familie sowie das amerikanische Volk um Entschuldigung gebeten. Doch es seien nur Worte gewesen, nicht Taten. Er habe solche Dinge im Gegensatz zu Bill Clinton nie gemacht: „In der Geschichte der Politik gibt es keinen, der Frauen so missbraucht hat.“ Forsch behauptet Trump: „Niemand respektiert Frauen mehr als ich.“
Hillary Clinton nennt das während der Debatte ein Ablenkungsmanöver, das nur zeige, was Trump wirklich über Frauen denke. Früher habe sie niemals in Frage gestellt, dass Kandidaten der Republikaner charakterlich befähigt seien, das Präsidentenamt auszuüben, sagt die Ex-Außenministerin: „Bei Donald Trump ist das anders.“
Eine Entschuldigung gibt es nicht
Die Kandidatin der Demokraten verlangt von Trump eine Entschuldigung für seine sexistischen Aussagen. Doch die gibt es nicht. Trump wechselt stattdessen urplötzlich das Thema. Er spricht über den Kampf gegen die Dschihadisten des sogenannten „Islamischen Staats“, in dem Hillary Clinton versagt habe. Er erinnert an den Anschlag von Bengasi, bei dem vier US-Amerikaner getötet wurden, und versucht, Clinton die Verantwortung dafür zu geben. Er beschreibt Clintons E-Mail-Affäre als kriminellen Akt. Sie sei nur deswegen ungestraft davon gekommen, weil sie eine Politikerin sei und damit in gewisser Weise über dem Recht stehe. Einmal nennt er die Kandidatin der Demokraten, die im Wahlvolk nur unwesentlich beliebter ist als Trump, sogar den leibhaftigen Teufel. Dann kündigt Trump an, dass er Clinton deswegen ins Gefängnis stecken werde, sobald er zum Präsidenten gewählt sei. Kommentatoren im US-Fernsehen sind schockiert und sagen, Trump habe offenbar Anleihen bei Stalin genommen.
Der Bauunternehmer aus New York setzt damit den Ton für eine Debatte, in der es nur noch am Rande um politische Inhalte geht. Stattdessen gehen beide Bewerber um die Nachfolge von US-Präsident Barack Obama einander aggressiv angehen und sich gegenseitig als unfähig beschimpfen. Seine Anhängerschaft könne Trump mit dieser Methode in Stimmung halten, sagen Debatten-Beobachter. Ob er damit allerdings viele unentschiedene Wähler auf seine Seite ziehen kann, wird in Frage gestellt. Ohne deren Stimmen aber wird sich der Wunsch Trumps, Präsident zu werden, kaum erfüllen. Aber das war angesichts der beißenden Kritik wegen des Videobandes auch nicht erstes Ziel des Trump-Lagers. Es sollte, so war zu hören, erst einmal gesichert werden, dass der Wahlkampf überhaupt weitergehen kann. Schließlich rufen einflussreiche Republikaner inzwischen dazu auf, dem Bewerber der eigenen Partei die Unterstützung zu entziehen. Das vorerst abzuwenden, das immerhin ist Trump gelungen.
Trump attackiert, Clinton retourniert
Während der Debatte wird es immer dann schwierig für den Geschäftsmann und Steuerartisten Trump, wenn die Moderatoren versuchen, das Gespräch auf Inhalte zu lenken. Da bleibt Trump wie bisher auch vage und allgemein. Bemerkenswert ist, dass er sich sogar von seinem eigenen Vizepräsidentschaftskandidaten distanziert. Angesprochen auf den jüngsten Vorschlag von Mike Pence, eine Flugverbotszone in Syrien einzurichten, sagt Trump: „Er und ich haben uns nicht unterhalten seitdem. Und ich stimme ihm nicht zu.“
So geht das 90 Minuten lang hin und her. Trump attackiert, Clinton retourniert. Er tigert ständig auf dem Podium auf und ab wie ein Raubtier im Käfig, wirft den Moderatoren Parteilichkeit vor. Clinton dagegen wirkt zuweilen selbstgefällig, aber meistens wie eine Anwältin beim Plädoyer vor Gericht. Sie ist vor allem faktensicher. Nur ganz selten lässt sie sich von Trump aus der Fassung bringen. Im Vergleich zu ihm wirkt die Ex-Außenministerin erwachsen.
Das spiegelt sich in einer Blitzumfrage des Fernsehsenders CNN unter seinen Zuschauern. 57 Prozent der Befragten halten Clinton für die Siegerin des Duells, Trump nur 34 Prozent. Das ist zwar kein so eindeutiges Ergebnis für Clinton wie nach der ersten Debatte. Doch Clinton wirkt relativ entspannt, als sie nach dem Duell in ihr Flugzeug steigt. Sie führt derzeit in allen Umfragen deutlich vor Trump.
Der Immobilienmogul aus New York hat nun eine schwere Zeit vor sich und muss alles daran setzen, die dritte und letzte Fernsehdebatte für sich zu entscheiden. Zudem ist Trump zumindest Teilen der eigenen Partei inzwischen peinlich geworden. Sie fürchten, dass am 8. November nicht nur eine Wahlniederlage Trumps droht, sondern auch eine Spaltung der republikanischen Partei. Und schließlich herrscht da noch die Sorge vor, dass neue Skandalnachrichten öffentlich werden könnten. Ein Fox-TV-Moderator hat schon angekündigt, er hätte noch ein paar delikate Zitate in petto.