Vertrauensfrage Vertrauensfrage: SPD und Grüne rechnen fest mit Neuwahl im September

Berlin/dpa. - Es gilt als sicher, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) andiesem Freitag wie gewünscht die Vertrauensfrage im Bundestagverlieren wird, um den Weg für eine Neuwahl freizumachen. DerKanzler, sämtliche Minister, große Teile der SPD-Fraktion und gut einDutzend Abgeordnete der Grünen wollen sich enthalten. Vor derVertrauensfrage im Parlament will Schröder auf Sondersitzungen vonSPD und Grünen seine Beweggründe erläutern.
Müntefering machte deutlich, dass der Kanzler in seiner Begründungauch die eingeschränkte Handlungsfähigkeit der Regierung durch dieBlockade-Politik der Union im Bundesrat herausstellen wird. Noch amMittwoch hätten Union und FDP erneut wichtige Vorhaben wie dasGentechnikgesetz im Vermittlungsausschuss aufgehalten. DiesesVerhalten zeige, wie richtig es sei, dass sich Schröder beim Wählereine neue Legitimation für seine Politik holen wolle.
Der SPD-Chef wie auch der Vorsitzende der Grünen, ReinhardBütikofer, betonten, die rot-grüne Koalition wolle ihre Arbeitfortsetzen, wenn das Wahlergebnis dies zulasse. Nach BütikofersWorten soll die «Richtungsentscheidung» mit Union und FDP gesuchtwerden. Bütikofer machte dabei deutlich, dass sich seine Partei mitdem Neuwahl-Vorstoß von Schröder abgefunden habe. Es sei das Rechtdes Regierungschefs, eine solche Entscheidung herbeizuführen.
Unterdessen trat die Grünen-Politikerin Silke Stokar derDarstellung entgegen, sie wolle gegen eine vorgezogene Wahl desBundestages Verfassungsklage einreichen. Auch die SPD-AbgeordneteJelena Hoffmann relativierte Medienberichte. Sie überlege noch undwolle ihre Entscheidung vom Vortrag des Kanzlers abhängig machen.Damit liegt aus dem Kreis der Abgeordneten bisher nur die konkreteKlagedrohung des Grünen-Abgeordneten Werner Schulz vor.
Bundestagsvizepräsidentin Antje Volmer (Grüne) sagte allerdingsder «Frankfurter Rundschau», sie habe hinsichtlich der Prüfung durchden Bundespräsidenten und das Verfassungsgericht Zweifel, ob dasVerfahren zur vorzeitigen Auflösung des Parlaments «glatt durchgeht».
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) plädierte unterdessenfür ein Selbstauflösungsrecht des Parlaments. «Wir sollten einesolche Grundgesetzänderung vereinbaren, sobald die Zeiten ruhigergeworden sind», sagte er der «Berliner Zeitung». Denkbar sei dieAuflösung des Bundestags mit Zwei-Drittel- oder mit Drei- Viertel-Mehrheit. Für die aktuelle Situation sei die Änderung der Verfassungaber keine Option.
Verliert der Kanzler wie erwartet die Vertrauensfrage, will er amselben Tag Bundespräsident Horst Köhler aufsuchen und um Auflösungdes Parlaments bitten. Der Bundespräsident muss darüber binnen 21Tagen entscheiden. Die Neuwahl könnte dann am 18. Septemberstattfinden.
Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger (71 Prozent) ist für eineNeuwahl. Nur 24 Prozent sind dagegen, ergab eine Forsa-Umfrage imAuftrag des Nachrichtensenders n-tv. Laut einer polis-Umfrage imAuftrag der dpa sind 82 Prozent (1013 Befragte am 28./29. Juni) derMeinung, dass der Bundespräsident eine Neuwahl anordnen sollte, fallsdas Parlament am Freitag Schröder das Misstrauen ausspricht, 11Prozent lehnen dies ab. Nach einer Infratest dimap-Umfrage im Auftragdes MDR halten 52 Prozent der Befragten Schröders Vorgehen mit derVertrauensfrage für verantwortungsvoll. 41 Prozent glauben diesnicht.
Im Parlament gibt es 601 Abgeordnete, 304 davon gehören derKoalition von SPD und Grünen an. Die Kanzlermehrheit beträgt 301Stimmen. Für die beabsichtigte Niederlage der Vertrauensfrage müsstensich mindestens vier davon enthalten.

