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Verteidigung Verteidigung: Bundeswehr wird nochmals drastisch verkleinert

Berlin/dpa. - Die Bundeswehr wird wegen akuter Geldnot noch einmal drastisch verkleinert und abermals reformiert. Nach den Plänen von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sollen die Streitkräfteauf mehr als 30 000 Soldaten, 45 000 Zivilbeschäftigte sowie etliche Standorte verzichten. Die Wehrpflicht wird zwar nicht abgeschafft, aber stark verändert. Struck kündigte am Donnerstag den Abbau von 280 000 auf 250 000 Soldaten und von 128 000 auf 75 000 Zivilbeschäftigte bis zum Jahr 2010 ...

02.10.2003, 13:48
Bundeswehr-Soldaten während eines Appells. (Foto: dpa)
Bundeswehr-Soldaten während eines Appells. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Die Bundeswehr wird wegen akuter Geldnot noch einmal drastisch verkleinert und abermals reformiert. Nach den Plänen von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sollen die Streitkräfteauf mehr als 30 000 Soldaten, 45 000 Zivilbeschäftigte sowie etliche Standorte verzichten. Die Wehrpflicht wird zwar nicht abgeschafft, aber stark verändert. Struck kündigte am Donnerstag den Abbau von 280 000 auf 250 000 Soldaten und von 128 000 auf 75 000 Zivilbeschäftigte bis zum Jahr 2010 an.

Ferner verabschiedete sich der SPD-Politiker vom Standort-Prinzip der Bundeswehr in der Fläche. Er rechnet mit Einsparungen vonmehreren 100 Millionen Euro, die er dringend für Investitionen undAuslandseinsätze braucht. Die Union kritisierte den «Dauerreform-Einsatz» der Bundeswehr.

Strucks neues Konzept ähnelt den Vorschlägen der Weizsäcker-Kommission vom Jahr 2000. Die Experten unter der Leitung von Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatten damals 240 000 Soldatenals Richtwert und einen «Auswahl-Wehrdienst» mit 30 000 (derzeit:80 000) jungen Männern empfohlen. Struck kündigte bei der Wehrpflichteine Orientierung «deutlich» an der Kommission an.

Nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» willStruck rund 130 der derzeit 530 Standorte schließen. Struck sagte,Standorte würden nur noch nach rein militärischen Kriterien bestehenbleiben. Er betonte, der Verteidigungsminister sei nicht für dieWirtschaftspolitik der Länder zuständig.

Die Bundeswehrplanung steht Struck zufolge nicht mehr im Einklangmit den militärischen Anforderungen. Die finanzielle Gesamtsituationdes Verteidigungshaushalts - er beläuft sich bis 2006 jährlich auf24,2 Milliarden Euro - erfordere zwingend Veränderungen. Ein großerTeil des Etats sind für Personalkosten und die Anschaffung von neuemGerät für die Luftwaffe gebunden.

Auch die Kräfte für internationale Einsätze sollen überprüftwerden. Die mit der NATO und der EU eingegangenen Verpflichtungen wiefür die geplanten Eingreiftruppen blieben davon aber unberührt. AuchUN-Einsätze seien weiter gewährleistet.

Verfassungsrechtliche Bedenken, dass bei der Einberufung nur eineskleinen Teils der Männer eines Jahrgangs kaum noch Wehrgerechtigkeitbestehe, sah er nicht. Die Zahl der einzuziehenden Wehrpflichtigenmüsse sich an den Aufgaben der Bundeswehr und nicht an der Stärkeeines Jahrgangs orientieren. Zahlen nannte Struck nicht.

Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei hielt dem Minister eine«halbherzige Kurskorrektur» vor. Die Wehrpflicht sei ein Hemmschuhder Bundeswehrreform. Der grüne Koalitionspartner fordert dieAbschaffung des Wehrdienstes und eine Freiwilligenarmee mit 200 000Soldaten.

Der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbands, Bernhard Gertz,bezeichnete die Pläne zur Verkleinerung der Truppe als eine richtigeKonsequenz aus der Unterfinanzierung der Bundewehr. «Wenn ich anStelle von Minister Struck wäre, könnte ich auch nicht andershandeln», sagte Gertz der «Braunschweiger Zeitung» (Samstag).Gleichzeitig warnte er vor weiteren Reduzierungen. Der Verband derBeamten in der Bundeswehr zeigte in einem dpa-Gespräch ebenfallsVerständnis für die Kürzungspläne, verlangte jedochsozialverträgliche Lösungen für die Betroffenen.

Nach Ansicht des Instituts für Friedensforschung undSicherheitspolitik ist die Wehrpflicht ein Modernisierungshindernis.Der Militärexperte des Hamburger Universitäts-Instituts, Jürgen Groß,sagte in einem dpa-Gespräch: «Grundwehrdienstleistende können imAusland nicht eingesetzt werden, weil sie unzureichend ausgebildetsind. Im Gegenteil: Sie binden nur Ressourcen.»

Zahl der Bundeswehrsoldaten seit 1961 (Grafik: dpa)
Zahl der Bundeswehrsoldaten seit 1961 (Grafik: dpa)
dpa