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Plaudereien mit Neonazi Udo Witschas: Der CDU-Vitzlandrat von Bautzen tauscht sich mit NPDler Marco Wruck - Zuständigkeit für Ausländerangelegenheiten entzogen

Von Bernhard Honnigfort 22.08.2017, 13:21
Udo Wischas (links) hat sich mit dem NPD-Kreisvorsitzende Marco Wruck getroffen und ausgetauscht.
Udo Wischas (links) hat sich mit dem NPD-Kreisvorsitzende Marco Wruck getroffen und ausgetauscht. dpa-Zentralbild

Dresden - Kleine Feierstunde im Kulturzentrum „Steinhaus“ in Bautzen. Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) ehrt Menschen, die sich in ihrer Freizeit um Flüchtlinge kümmern. Einer der Kommunalpolitiker im Publikum stänkert herum, redet von „viel Frust“ und schimpft, er habe das Gefühl, „die Mehrheit der Bevölkerung versteht uns nicht mehr". Der übellaunige Mann ist Udo Witschas, 45, stellvertretender CDU-Landrat des Kreises Bautzen.

Ein halbes Jahr ist das her. Im Moment würde Stanislaw Tillich, Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender, gerne verstehen, welcher Teufel seinen Bautzener Parteifreund geritten hat. Witschas, so viel wurde jetzt bekannt, hat sich mit Marco Wruck getroffen, hat ausführlich über drei Stunden lang mit ihm über die Lage in der Stadt, über Flüchtlinge, über Linke und Medien disikutiert als säße er mit einem guten Parteifreund zusammen. Außerdem hat er über einen Messengerdienst vertrauliche Dinge ausgetauscht und gemeinsames Verhalten abgestimmt. Das Problem: Wruck ist kein Christdemokrat wie Witschas. Er ist der örtliche NPD-Kreisvorsitzende und damit ein bedeutender Teil des Problems, das Bautzen hat: Die Stimmung ist geladen. Seit Monaten gibt es dort Ärger, Streitereien, Flaschenwürfe und Schlägereien zwischen Neonazis und Flüchtlingen.

Vizelandrat war zuständig für Ausländerangelegenheiten

Ausgerechnet der Vizelandrat, zuständig für Ausländerangelegenheiten, tauschte sich im Chat mit Neonazi Wruck über „King Abode“ aus, einen stadtbekannten und problematischen libyschen Flüchtling, dem die Verwaltung kürzlich für ein Vierteljahr den Aufenthalt in Bautzen untersagte, weil er angeblich gewalttätig ist. Über den Verlauf der Chats berichteten MDR und Sächsische Zeitung. Danach bat der CDU-Politiker den NPD-Mann zum Fall des Libyers um Hilfe aus der Neonaziszene: „Vielleicht haben sie da Hintergrundinformationen beziehungsweise Recherchemöglichkeiten.“

Der auffällig freundliche Plauderton zwischen Christdemokrat und Neonazi - Wruck sprach nach ihrem Treffen von „vielen Gemeinsamkeiten“ -, sorgt mal wieder für Erschrecken. CDU-Landrat Michael Harig entzog seinem Stellvertreter die Zuständigkeit für Ausländerthemen. Sachsens Ministerpräsident Tillich telefonierte entnervt aus dem Urlaub nach Bautzen und forderte eine zügige Klärung der Angelegenheit. Aber neu ist der Ärger ja nicht: Harig, muss man wissen, hatte voriges Jahr selbst mit NPD-Mann Wruck über die Zustände in Kreis und Stadt gesprochen. Witschas Verhalten jedoch, urteilte der Landrat nun, sei eine „Fehlleistung“.

Landrat hält Forderungen nach Rücktritt für „unverhältnismäßig“

Auch der SPD-Oberbürgermeister Peter Ahrens hatte sich einmal mit Wruck zum Gespräch getroffen. Offensichtlich meinen einige Kommunalpolitiker, die aufgeheizte Stimmung in der Stadt sei nur mit den Verursachern in den Griff zu bekommen. Wruck selbst hat nirgendwo ein Mandat, er ist weder im Stadtrat oder Kreistag. Er fällt nur als Anmelder von fremdenfeindlichen NPD-Demonstrationen auf.

Der Verein „Willkommen in Bautzen“, der dort die Flüchtlingshilfe organisiert, hat nach dem Vorfall mit Witschas die Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung bis auf weiteres abgebrochen. Sachsens SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe meinte, es sei ein „handfester Skandal“, dass Witschas wohl „Insiderinformationen“ an einen Funktionär einer verfassungsfeindlichen Partei übermittelt habe. Grünen-Landeschefin Christin Melcher hält den Kommunalpolitiker wegen der „Kumpanei mit NPD-Kadern“ für „nicht mehr tragbar“. Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der LINKEN in Bautzen, forderte, Landrat Harig müsse seinen Stellvertreter Witschas „fallen lassen“. Aber Harig denkt nicht daran. Witschas selbst, so eine Erklärung des Landratsamtes, habe sich für „fehlerhafte Formulierungen“ und einen „komplett falschen Ton“ entschuldigt. „Die Forderung nach einem Rücktritt“, so Harig, „ ist unverhältnismäßig.“