Türkei Türkei: Mittagessen mit fatalen Folgen
Düsseldorf/dpa. - Am Anfang stand ein privates Mittagessen EndeFebruar bei einem türkischen Künstler. Was der türkischeGeneralkonsul in Düsseldorf, Hakan Kivanc, dabei gesagt haben soll,hat inzwischen eine diplomatische Affäre ausgelöst, die immer weitereKreise zieht. Es geht um angebliche rassistische Äußerungen gegenDeutsche. Das Auswärtige Amt ist alarmiert. Die Unions-Bundestagsfraktion fordert bereits die Abberufung des Generalkonsuls,der die Deutschen verunglimpft habe. Türkische Migranten-Verbändeformieren sich pro und kontra Kivanc. In türkischen Zeitungen ist voneiner Hetzkampagne gegen den Diplomaten die Rede. Kivanc selbstbestreitet alle Anschuldigungen.
Ursprung der Affäre ist der Kampf um die Rettung eines derältesten christlichen Klöster, Mor Gabriel in Südostanatolien.Unterstützer des Klosters hatten Kivanc am 22. Februar zu dem Essengeladen.
Teilnehmer fertigten trotz Bitte um Vertraulichkeit einGedächtnisprotokoll mit brisantem Inhalt an: Die Deutschen würden,wenn sie es könnten, allen aus der Türkei ein 'T' tätowieren undihnen das gleiche antun, was sie währende der Nazi-Diktatur den Judenangetan hätten, wird Kivanc zitiert. Wenn man den Deutschen diePulsadern aufschneiden würde, würde bei ihnen braunes Blut fließen.Den Deutschen solle man nicht vertrauen, die Türkei sei die einzigeSchutzmacht, die alle Türken in Deutschland schützen würde.
Die Sätze gelangten erst zwei Monate später, Ende April, an dieÖffentlichkeit, und zwar mit Hilfe der inzwischen gegründeten«Initiative Mor Gabriel». Diese forderte die sofortige Abberufung vonKivanc. Seit kurzem liegen einer Anwaltskanzlei in Frankfurt zudemzwei eidesstattliche Versicherungen von Teilnehmern des Gesprächsvor.
Das brachte CDU und CSU auf den Plan. Der innenpolitische Sprecherder Unions-Bundestagsfraktion Hans-Peter Uhl (CSU) und die fürExtremismus zuständige CDU-Abgeordnete Kristina Köhler fordern vomAuswärtigen Amt (AA), die Türkei um den Abzug des Generalkonsuls ausDeutschland zu bitten. Das AA reagierte: Zwischen Berlin und Ankaratelefonierten am Donnerstag ranghohe Diplomaten und tauschten sichüber den Fall Kivanc aus.
Der Sprecher der «Initiative Mor Gabriel», der Kölner CDU-Politiker Kubilay Demirkaya, rechtfertigt die späte Veröffentlichungder angeblichen Äußerungen: «Es war unsere Bürgerpflicht, das zuveröffentlichen», sagt er der Deutschen Presse-Agentur dpa.Allerdings war Demirkaya selbst bei dem Mittagessen im Februar nichtdabei. Er habe einige Gäste später um das Protokoll gebeten und nureinige Zitate geglättet, nicht aber im Inhalt verändert, sagt er derdpa.
Der Streit berührt das heikle Verhältnis von Christen und Muslimenin der Türkei. Die in Deutschland lebenden christlichen Minderheitenwie Aramäer und Armenier, aber auch die Aleviten und Kurden, sehendie Türkei keineswegs als Schutzmacht. Sie fühlen sich im Gegenteilauch in Deutschland von der türkischen Politik denunziert.
Ein anderer Teilnehmer des verhängnisvollen Mittagessens, derKünstler Ismail Coban, machte Demirkaya am Donnerstag schwereVorwürfe wegen der Veröffentlichung. «Das schadet der Initiative, dasschadet dem Konsulat, das schadet uns allen», sagte Coban der dpa.Demirkaya habe mit «seinen hinzugedichteten Verfälschungen eineErklärung abgegeben, um daraus seine persönlichen Vorteile zuziehen», erklärte Coban in einem offenen Brief. Um seine Ziele zuerreichen, hetze Demirkaya gegen den türkischen Staat und seinediplomatischen Vertreter.
Mit Befremden wird der Streit um den Konsul in anderen türkischenMigrantenverbänden betrachtet. Kivanc wird als westlich orientiertbeschrieben mit guten Kontakten in die deutsche Gesellschaft. Durchdie Vorwürfe stehe er nun als Nationalist da. Seltsam erscheintmanchen auch, dass Kivanc in einer «heiklen Umgebung» vor türkischenMinderheiten solch rassistische Sätze gesagt haben soll. Manchevermuten auch, dass mit dem Streit das Streben der Türkei in die EUtorpediert werden soll.