Pro und Contra Syrien-Konflikt: Ist der Luftschlag der USA gegen Syrien eine gerechtfertigte Maßnahme oder ein Akt des Krieges?

Berlin - Mit dem US-Luftangriff auf den syrischen Militärflughafen von Al-Schairat haben die USA erstmals direkt Truppen von Machthaber Baschar al-Assad angegriffen.
Als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff wurden nach Angaben des Pentagons 59 Raketen des Typs Tomahawk abgeschossen und syrische Soldaten getötet.
Die internationalen Reaktionen bestätigen, dass es klare Fronten im Konflikt gibt. Bundeskanzlerin Angela Merkel veröffentlichte gemeinsam mit Frankreichs Präsident Francois Hollande eine Erklärung, in der sie sich hinter Trumps Vorgehen stellen.
Was spricht für und was spricht gegen das militärische Eingreifen der Trump-Regierung? Ein Pro und Contra.
Pro - von Thorsten Knuf
Donald Trump ist von Eitelkeit zerfressen. Die Reaktionen der Verbündeten auf den Angriff gegen die syrische Luftwaffenbasis dürften die Brust des US-Präsidenten vor Stolz schwellen lassen: Deutschland und Frankreich halten das Vorgehen nach den wiederholten Giftgas-Attacken gegen syrische Zivilisten für folgerichtig. Die britische Regierung unterstützt die US-Aktion „vollkommen“, auch die Türkei und Israel applaudieren.
Erste richtige Entscheidung in Trumps Amtszeit?
Trump ist der falsche Mann im Weißen Haus, seine bisherige Amtszeit war eine Abfolge von Anmaßungen, Unfug und Peinlichkeiten. Und doch lassen sich stichhaltige Argumente zusammentragen, um den Schlag gegen den syrischen Militärflugplatz zu rechtfertigen.
Der Westen geht davon aus, dass das Regime von Baschar al-Assad hinter dem jüngsten Giftgas-Massaker im Nordwesten Syriens steckt. Nach amerikanischer Darstellung hatte der Einsatz seinen Ursprung in eben jeder Luftwaffenbasis, die US-Marschflugkörper nun zerstörten.
Assad muss klar gemacht werden, dass er für den Gebrauch von Chemiewaffen einen hohen Preis zu zahlen hat.
Verbot von chemischen Waffen gebrochen
In Syrien werden täglich Kriegsverbrechen begangen, nicht nur von den Truppen des Regimes. Der Einsatz von Giftgas ist ein besonders grausames Verbrechen.
Seit den 1920er Jahren bemüht sich die Staatengemeinschaft, ein Verbot chemischer Waffen durchzusetzen. Assads Syrien trat 2013 unter gewaltigem internationalen Druck der Chemiewaffenkonvention bei. Dadurch konnte es ehedem eine Intervention des Westens im syrischen Bürgerkrieg abwenden.
USA demonstriert Stärke
Zurück zu Donald Trump: Bislang beschränkte sich der Einsatz amerikanischer Truppen in Syrien auf den Kampf gegen den Islamischen Staat.
Nun haben die USA erstmals auch Assads Militär direkt attackiert. Selbstverständlich birgt das auch die Gefahr einer unkontrollierten Eskalation.
Der Schritt könnte aber auch die Position der USA im Konflikt stärken: Und zwar deshalb, weil das Regime und seine Verbündeten in Moskau und Teheran sehen, dass sie weiterhin mit den Amerikanern rechnen müssen und diese nicht allein an der Zerstörung des IS interessiert sind.
Diplomatische Strategie nötig
Das würde allerdings voraussetzen, dass Amerika eine klare politische Strategie in Syrien verfolgt. Machtdemonstrationen und Vergeltungsmaßnahmen sind eine Sache. Ziele definieren, Koalitionen bilden und beharrliches Arbeiten aber eine ganz andere.
Donald Trump ist nicht nur eitel, er ist auch sprunghaft – auch in der Syrien-Politik. Er selbst und seine Leute müssen den Beweis erst noch erbringen, dass sie sie nicht nur schießen können, sondern auch etwas von Diplomatie verstehen.
Contra - von Kordula Doerfler
Welche Überraschung: Wortwörtlich über Nacht ist der amerikanische Präsident von seinem Kurs des Isolationismus abgerückt und hat einen Militärflugplatz des syrischen Regimes angreifen lassen.
Mehr noch, Donald Trump hat offenbar plötzlich erkannt, dass in Syrien entsetzliche Verbrechen an Zivilisten verübt werden, er hat sogar das Völkerrecht entdeckt, für das er zuvor nur Verachtung übrig hatte.
Bewiesen ist noch nichts
Niemand wird unberührt geblieben sein von den Bildern ziviler Opfer, von Männern, Frauen, Kindern, die qualvoll gestorben sind an den Folgen des jüngsten Gasangriffs. Es spricht einiges dafür, dass der Diktator Baschar al-Assad ihn angeordnet hat. Bewiesen ist das aber noch nicht.
Donald Trump aber kennt keine Zweifel, der Giftgaseinsatz ist zu seiner persönlichen roten Linie geworden. Dass er sich nun, anders als sein Vorgänger Barack Obama, als handlungsfähiger Kriegsherr stilisiert, mag seinen Anhängern imponieren. Selbst bei den westlichen Verbündeten, die bisher gefremdelt haben mit Trump, findet der Luftschlag Unterstützung.
Trump bleibt unberechenbar
Die Bundesregierung zieht sich auf die Sprachregelung zurück, der Angriff sei „nachvollziehbar“. Das heißt noch lange nicht, dass er richtig oder gar vom Völkerrecht gedeckt ist.
Die Kehrtwende Trumps darf nicht zu der Annahme verleiten, dass er nun ein international berechenbarer Partner geworden ist oder gar ein überzeugter Anhänger des Multilateralismus.
Der Luftschlag fügt sich nahtlos in das Muster von Irrationalität und Sprunghaftigkeit, das Trumps Handeln bestimmt, gepaart mit dem Gestus „Ich bin der Größte“. Trump will Assad Grenzen aufzeigen und Russland an den Verhandlungstisch zwingen, ließe sich im besten Fall annehmen.
Stimmung kippt
Doch einer wie Assad wird sich von einer solchen Warnung nicht aufhalten lassen, sondern nur umso grausamer gegen seine Gegner und vor allem sein eigenes Volk vorgehen. Im Verhältnis zu Russland riskiert Trump eine gefährliche Verstimmung, die den Konflikt weiter eskalieren lässt.
Er kann leicht vollkommen außer Kontrolle geraten. Trumps Luftschlag, das ist das Besorgniserregende, ist nicht Teil einer Strategie, die mit den Partnern abgesprochen ist. Er und seine Administration haben schlicht gar keine Strategie für Syrien.
Weitere Bedrohung für den Weltfrieden?
Was also geschieht, wenn Assad zum nächsten Schlag ausholt? Was wird Trump dann tun? Eine Intervention starten wie in Afghanistan, Irak, Libyen?
Die Regimes von Saddam und Ghadaffi wurden weggebombt, ja, aber der Mittlere Osten ist seither zur Bedrohung für den Weltfrieden geworden. Der Krieg in Syrien ist militärisch nicht zu gewinnen, es kann nur eine politische Lösung geben. Davon ist die Welt nun noch weiter entfernt.