Sudan Sudan: Deutsche Botschaft gerät in Strudel der Gewalt

Khartum/Frankfurt/dapd. - Mehrere Hundert wütende Demonstranten stürmten in der Hauptstadt Khartum die deutsche Vertretung und steckten einen Teil des Gebäudes sowie ein Auto und Mülltonnen in Brand, bevor sie von der Polizei unter Einsatz von Tränengas wieder vom Botschaftsgelände vertrieben wurden. Auch die nahegelegene britische Botschaft war Ziel von Angriffen. Einem Medienbericht zufolge waren die Proteste offenbar zuvor geplant worden. Nach den Freitagsgebeten kam es in zahlreichen Städten zwischen Tunesien und Pakistan zu teilweise schweren Ausschreitungen, nachdem muslimische Geistliche dazu aufgerufen hatten, den Glauben zu verteidigen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bestätigte den Angriff auf die deutsche Botschaft in Khartum. „Der sudanesische Botschafter wurde bereits heute Morgen einbestellt und unmissverständlich auf die Pflicht seiner Regierung zum Schutz diplomatischer Einrichtungen hingewiesen“, sagte Westerwelle. Die Botschaftsangehörigen befänden sich derzeit in Sicherheit. Auch der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, verurteilte die Attacken auf die deutsche und die britische Botschaft in Khartum.
Auf Bildern des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira war zu sehen, dass an der deutschen Vertretung auch eine schwarze Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis gehisst wurde. Augenzeugen berichteten, dass die Polizei das Feuer auf Demonstranten eröffnet habe, die versuchten, die Mauern der US-Botschaft in Khartum zu erklimmen.
Zum Marsch auf die deutsche Vertretung hatte der bekannte Scheich Mohammed Dschisuli im staatlichen Rundfunk aufgerufen. So sollten die Demonstranten gegen mutmaßlich anti-islamische Graffiti an Berliner Moscheen demonstrieren und anschließend an der US-Vertretung gegen den im Internet aufgetauchten Amateurfilm. „Amerika ist seit langem ein Feind des Islam und des Sudan“, sagte Dschisuli.
Die Zeitung „Sudan Tribune“ berichtete auf ihrer Internetseite von einer Zusammenkunft am Donnerstag, bei der der Gouverneur von Khartum, Abdel Rahman al Chidir, zur Unterstützung des Propheten aufgerufen hatte. Teilgenommen hätten demnach Islamistengruppen und überwiegend mit den extremistischen Salafisten verbundene Imame. Dabei hätten die Anwesenden gefordert, die Botschafter der USA und Deutschlands auszuweisen, berichtete „Sudan Tribune“ unter Berufung auf Augenzeugen.
Zudem sei entschieden worden, nach den Freitagsgebeten vor den beiden Vertretungen Demonstrationen abzuhalten. Der Aufruf zu friedlichen Protesten sei dabei von der Mehrheit der anwesenden Islamisten abgelehnt worden, hieß es in dem Bericht weiter.
Zwtl.: Zusammenstöße in Jemen und Ägypten
Auch in vielen anderen muslimischen Ländern kam es aus Wut über die Beleidigung des Propheten Mohammed in einem islamfeindlichen Amateurfilm zu Protesten und Gewalt. Im Libanon, wo seit Freitag Papst Benedikt XVI. zu Besuch ist, wurde mindestens ein Mensch getötet, 25 weitere wurden bei Protesten verletzt. Im Jemen und in Ägypten kam es nach den Freitagsgebeten zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. „Mit unserer Seele und unserem Blut werden wir dich rächen, unser Prophet“, riefen mehrere Hundert Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz. Als sie in Richtung der US-Botschaft ziehen wollten, setzte die Polizei Tränengas ein.
In Tunis protestierten Tausende vor der US-Botschaft und lieferten sich Scharmützel mit der Polizei. Einige Demonstranten kletterten auf die Außenmauer und hissten ein schwarze Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis: „Es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Prophet“. Die Einsatzkräfte vertrieben die Demonstranten von der Mauer und holten die Fahne wieder ein. Über der Botschaft stand schwarzer Rauch, wie Augenzeugen berichteten. Es waren auch Schüsse zu hören. Einem Bericht zufolge kamen zwei Menschen ums Leben.
Begonnen hatten die ersten Proteste in der Nacht auf Mittwoch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo sowie im libanesischen Bengasi. Dabei waren der dortige US-Botschafter und drei seiner Mitarbeiter ums Leben gekommen. Der Leichnam des Botschafters Christopher Stevens sollte noch am Freitag (Ortszeit) unter Anteilnahme von US-Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton im US-Staat Maryland eintreffen.
Auch in Syrien, Pakistan, Irak, Bahrain, Katar, Israel und dem Westjordanland, Nigeria, Indonesien, Malaysia, im Jemen und in Afghanistan zeigten am Freitag Muslime ihre Wut über den in den USA produzierten Film „Innocence of Muslims“ (Unschuld der Muslime). „Tod den Juden“ und „Tod Amerika“ riefen rund 200 Indonesier vor der nach den Angriffen auf die US-Vertretungen in Libyen, Ägypten und Jemen schwer bewachten US-Botschaft in Jakarta.
Zwtl.: Mursi mahnt Landsleute
Auch in Kairo konnten die Einsatzkräfte die Demonstranten mehrere Straßen vor der US-Botschaft stoppen. Vor den Zusammenstößen hatte der islamistische Präsident des Landes, Mohammed Mursi, seine Landsleute zur Zurückhaltung aufgefordert. „Unsere Religion gebietet es, unsere Gäste, ihre Heime und ihre Arbeitsplätze zu schützen“, sagte Mursi in einer siebenminütigen Rede im Staatsfernsehen. „Deshalb rufe ich alle auf, dies zu berücksichtigen und auch an das Gesetz zu denken, und keine Botschaften, Konsulate, diplomatischen Missionen oder ägyptisches Eigentum anzugreifen.“ Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die Angriffe. In Europa beschränkten sich die Proteste offenbar auf die britische Hauptstadt. So zogen in London rund 250 Menschen lautstark aber friedlich vor die US-Botschaft.