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Streit um Flüchtlingsunterkunft Streit um Flüchtlingsunterkunft: "In Freital haben wir seit Wochen ein echtes Problem"

24.06.2015, 11:37

Freital - „Auf die Straße, Leute! Wehrt Euch!“: Dem Facebook-Aufruf von Lutz Bachmann folgen am Dienstagabend rund 80 Menschen. Sie stehen in Gruppen auf dem Rasen und vor den hellen Wohnblocks in der Straße Am Langen Rain in Freital - der Stadt nahe der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. Einige halten Bierflaschen in den Händen, die Stimmung ist locker. „Wir haben nichts gegen Bürgerkriegsflüchtlinge“, sagt Sebastian. „Aber die da hinten sind keine Bürgerkriegsflüchtlinge. Das sind Wirtschaftsflüchtlinge, die denken, sie könnten hier machen was sie wollen.“

Die da hinten sind die Bewohner des ehemaligen Hotels „Leonardo“. Seit Wochen gibt es gegen die Unterbringung der Asylbewerber Proteste in der nur 20 Autominuten vom Zentrum Dresdens entfernten Stadt. Doch seit die Landesdirektion am Montag angekündigt hat, hier neben den rund 100 bereits vom Landkreis untergebrachten Flüchtlingen noch Platz für bis zu 280 weitere zur Erstaufnahme zu schaffen, schlagen die Wellen hoch.

Vorurteile werden auch in Freital gepflegt

„Die sind doch alle kriminell“, klärt eine Frau mit schwarz-rot-goldenem Deutschland-Hut die Umstehenden auf. „Sie beobachten die Mädchen beim Sportunterricht in der Schule.“ Ihre Begleiter nicken zustimmend, sprechen zynisch von „Kulturbereicherern“ und „Fachkräften“, die „hier nicht hergehören“. „Alle haben ein Messer in der Tasche“, weiß einer. Und natürlich immer die neuesten Handys. „Aber das dürfen sie ja nicht schreiben, sonst verlieren sie ihren Job“, sagt er dem Journalisten von der „Lügenpresse“.

Es sind die selben Vorurteile, das selbe Vokabular, das man auch montags bei den Pegida-Kundgebungen in Dresden hört, zu denen allwöchentlich noch immer zwischen ein- und zweitausend Menschen strömen, darunter nicht wenige aus Freital. Bachmann selbst nennt die Flüchtlingsunterkunft in Freital bei Facebook ein „Glücksritter-Heim“.

Gegendemonstranten stellen sich vor Flüchtlinge

Vier Dutzend Polizisten stehen zwischen den Unterkunftsgegnern und etwa 200 Gegendemonstranten, die nach eigenem Bekunden die Asylsuchenden in ihrem Hotel schützen wollen. „Liebe Flüchtlinge, willkommen in Deutschland!“, kann man in deutscher, englischer und französischer Sprache auf einem Plakat lesen, das Aktivisten der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) den Asylgegnern auf der anderen Seite trotzig entgegenhalten. Beide Gruppen beschimpfen sich wechselseitig über die zur Absperrung aufgereihten Polizeiwagen hinweg mit „Nazis, haut ab“ oder „Linksfaschisten“.

„In Freital haben wir seit Wochen ein echtes Problem“, sagt Sachsens Grünen-Landesvorsitzender Jürgen Kasek, der hergekommen ist, „um klar Position gegen Rassismus zu beziehen.“ Doch ungeachtet dieses Problems habe die Staatsregierung hier eine Erstaufnahmeeinrichtung eröffnet, „ohne eine Sicherheitskampagne zu fahren“. Deshalb habe er größten Respekt vor den Menschen, die sich schützend vor die Flüchtlinge stellen.

"Was hier geschieht, macht mir Angst"

„Das, was hier geschieht, macht mir Angst“, sagt Kasek. In Sachsen erlebe man seit Pegida eine „Verschiebung des Diskussionsrahmens“. Positionen, die sonst nicht offen geäußert wurden, würden nun offensiv ausgesprochen. „Und wenn das dann noch durch die Politik transportiert wird, schafft das die Stimmung für eine Eskalation.“

Zwei junge, dunkelhäutige Männer stehen vor dem Hotel und schauen dem Treiben lächelnd zu. „Seit zwei Tagen sind wir hier“, sagen sie. Aus Indien seien sie gekommen, um in Deutschland Asyl zu beantragen. Geflohen vor der Unsicherheit in ihrer Heimat. Die Verständigung ist holprig. Was die Demonstranten da hinten auf dem Rasen vor den Wohnblocks wollen, scheinen sie nicht wirklich zu verstehen. „Wir fühlen uns gut, wir sind sicher hier in Deutschland.“ (dpa)