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Asylgegner pöbeln vor Flüchtlingsunterkunft Asylgegner pöbeln vor Flüchtlingsunterkunft: "Pogromartige Stimmung" in Freital

Von Bernhard Honnigfort 23.06.2015, 15:42

Freital - Drei Stunden Angst und Schrecken, Meckern und Jammern: Vor einer Flüchtlingsunterkunft in der Kleinstadt Freital bei Dresden haben wütende Asylgegner am Montagabend geschimpft und gepöbelt. 80 bis 100 Menschen sollen sich vor dem ehemaligen Hotel versammelt haben, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Auch Böller wurden geworfen. Der etwa dreistündige Aufmarsch endete gegen Mitternacht.

Freitaler Anwohner wollen verhindern, dass aus dem Haus ein Übergangslager für Flüchtlinge wird, die in der überfüllten zentralen Erstaufnahmestelle in Chemnitz keinen Platz mehr finden. In Chemnitz waren zuletzt sogar Zelte aufgebaut worden, weil man keine anderen Unterkünfte mehr auftreiben konnte.

Lutz Bachmann unter den Asylgegnern

Nach Augenzeugenberichten befand sich Montagabend auch Lutz Bachmann, der Anführer der schrumpfenden Dresdner Pegida-Bewegung, in der tobenden Menschenmenge. Der wegen Drogenhandels und mehrerer Einbrüche vorbestrafte 41-jährige ist in Kesselsdorf gemeldet, soll aber enge Verbindungen nach Freital halten.

Im sozialen Netzwerk Facebook hatte er gepostet: „Es ist an der Zeit, diesen Menschenhandel zu stoppen! Auf die Straße Freunde!“ Zuvor hatte er sich im Netz über Bundesinnenminister Thomas de Maizière lustig gemacht und ihn verspottet. De Maizière war am Freitag in Freital gewesen und hatte das Heim besucht, in das am Montag darauf neue Flüchtlinge verlegt worden waren.

Nach Augenzeugenberichten soll vor dem ehemaligen Hotel eine „pogromartige Stimmung“ geherrscht haben. Steine wurden aber nicht geworfen, wie die Polizei mitteilte. Auch gab es keine Krawalle oder Schlägereien mit den wenigen Asylbefürwortern, die sich ebenfalls vor dem Haus eingefunden hatten.

Bislang sind 86 Flüchtlinge in dem ehemaligen Hotel untergebracht. Nach den Plänen des Freistaates Sachsen sollen vorübergehend 280 Asylbewerber zusätzlich dort wohnen. Andere Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen sind überlastet, es fehlt überall an Platz. Bis Juni hat Sachsen mehr als 8000 Asylbewerber neu aufgenommen. Im gleichen Zeitraum 2014 waren es gerade 3000 gewesen.

Ton wird radikaler und schärfer 

Zur Pegida-Kundgebung, die wie üblich am Montagabend in Dresden stattgefunden hatte, waren nur noch rund 800 Sympathisanten und Islamgegner gekommen, so wenige, wie schon lange nicht mehr. Etliche von ihnen müssen anschließend direkt nach Freital weitergefahren sein, um dort auch noch zu demonstrieren.

Zu dem Aufmarsch vor dem Freitaler Hotel hatten Anhänger der Facebook-Gruppe „Freital wehrt sich“ aufgerufen. Offensichtlich befinden sich darunter auch Leute, denen Protest nicht mehr genügt. Der sowieso schon hasserfüllte und zynische Ton wird zunehmend radikaler und schärfer. Indirekt wird zur Gewalt animiert: „Lutz, irgendwie bringen "friedliche Spaziergänge " nichts. Müssten nicht langsam mal schwerere Geschütze aufgefahren werden?“, fragt einer Bachmann, den Anführer der „Patriotischen Europäer“.

Die Sächsische Zeitung hat kürzlich einmal nach deutschen Anti-Asylheim-Seiten im Internet gesucht und entdeckte 95, mehr als die Hälfte davon in Sachsen, Brandenburg und Ostberlin. Der Ton der Nutzer solcher Seiten wird unverkennbar immer rauer, verächtlicher und niveauloser. Bei „Chemnitz stellt sich quer“ konnte man Kommentare lesen wie: „Denen gehört von früh bis abends eine auf die Fresse. Pack.“ Und auf die Nachricht von einem tot aufgefundenen Flüchtling aus Marokko im vogtländischen Plauen schrieb ein Nutzer: „Natürliche Auslese.“