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Sterbehilfe Sterbehilfe: Wenn der Lebenswille fehlt

Von Mira Gajevic 14.12.2013, 08:38
In Bad Lauchstädt soll ein neues Hospiz entstehen.
In Bad Lauchstädt soll ein neues Hospiz entstehen. DPA/Symbol Lizenz

Berlin/MZ - Der Verein Sterbehilfe Deutschland hat vorgesorgt. Sollte die kommerzielle Beihilfe zum Suizid hierzulande doch noch verboten werden, hofft die Organisation des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch auf der sicheren Seite zu sein. Nach einer Änderung der Satzung werden nach jeder Suizid-Assistenz alle Beiträge und Spenden an die Hinterbliebenen zurückgezahlt. Der Verein habe keinerlei wirtschaftliche oder gewerbliche Ziele, heiß es in der Satzung. In den Tod wird nur ehrenamtlich begleitet.

Zumindest bis auf weiteres muss sich Kusch keine Gedanken über eine Verlagerung seiner Aktivitäten in die Schweiz machen. Ein Gesetz, das die erwerbsmäßige Beihilfe zum Suizid in Deutschland verboten hätte, scheiterte in der vergangenen Wahlperiode am Streit zwischen Union und FDP. CDU und CSU ging der Vorschlag aus dem Haus von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nicht weit genug.

Thema ausgeklammert

Die FDP-Politikerin wiederum verbarg kaum, dass sie eine gesetzliche Regelung im Grunde für überflüssig hielt. Heraus kam ein Kompromiss, der nur die erwerbsmäßige Sterbehilfe, mit der Geld verdient wird, unter Strafe stellen sollte. Sterbehilfe-Vereine, die nicht kommerziell arbeiten, wären von einem solchen Verbot zum Ärger von Union und Kirchen nicht betroffen gewesen.

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD taucht das Thema nun gar nicht mehr auf. Vize-Unionsfraktionschef Günter Krings hofft gleichwohl, dass ein Verbot zumindest der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Selbstmord in dieser Legislaturperiode eine Mehrheit im Bundestag bekommt. Diese Form der Tötungsassistenz dürfe nicht zu einer normalen, auch von Ärzten erbrachten Dienstleistung werden, sagte der CDU-Politiker der MZ. „Das würde unsere Gesellschaft zum Negativen verändern und für alte und kranke Menschen Druck aufbauen, sich mit einem möglichen Selbstmord zumindest gedanklich zu beschäftigen.“ Dieser Forderung nach Aufnahme in den Koalitionsvertrag habe die SPD zwar nicht folgen wollen. „Immerhin haben wir aber vereinbart, dass die Bestrafung der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe nun in einem fraktionsübergreifenden Gruppenantrag in den Bundestag eingebracht wird.“ Das heißt, die Abstimmung wird als Gewissensfrage freigegeben, die Abgeordneten sind dann vom Fraktionszwang befreit. Ein Verfahren, das der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thomas Oppermann bei diesem Thema ausdrücklich begrüßt.

In Deutschland bietet Kuschs Verein bislang als einziger Sterbehilfe an. Die deutsche Sektion von Dignitas berät lediglich Sterbewillige, für eine Suizidbegleitung müssen die Menschen in die Schweiz fahren. Die Organisation Sterbehilfe Deutschland hat nach eigenen Angaben in den vergangenen drei Jahren 77 Menschen in den selbst gewählten Tod begleitet. 2013 seien es deutlich über 30 gewesen, sagt Kusch. Glaubt man den Angaben des früheren CDU-Politikers, hat der Verein inzwischen fast 500 Mitglieder. Wegen des großen Andrangs nehme man derzeit nur noch Anträge auf Lebensmitgliedschaften für 2 000 Euro im Jahr entgegen, die einfache Mitgliedschaft ist für 200 Euro im Jahr zu haben.

Beihilfe nicht verboten

Besonders umstritten ist, dass Kuschs Verein auch psychisch Kranken Sterbehilfe leistet. So wird im Buch „Ausklang“, eine Art Rechenschaftsbericht über die Arbeit der Organisation im Jahr 2012, der begleitete Suizid eines chronisch depressiven und noch nicht 40 Jahre alten Mitglieds beschrieben, das unter einer Persönlichkeitsstörung litt. Ein anderes Mitglied begründete seinen Sterbewunsch, es wolle keinem zur Last fallen.

Anders als aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen, ist die Beihilfe zum Suizid in Deutschland nicht verboten. Man darf einem Sterbewilligen das tödliche Medikament geben, dieser muss aber in der Lage sein, es selbst einzunehmen, sonst wäre es ein Fall von krimineller aktiver Sterbehilfe. Eine praktische Einschränkung gibt es dennoch: Nach dem deutschen Strafrecht ist es illegal, Arzneien zur Verfügung zu stellen, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. In der Schweiz dürfen Ärzte Patienten dagegen die tödliche Dosis einer Substanz verschreiben. Hierzulande kann sich ein Helfer zudem der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen, wenn er nicht den Notarzt ruft, nachdem der Sterbenswillige die tödliche Substanz eingenommen hat.

Strenge Regeln bei Ärzten

Die Mediziner haben sich für den Umgang mit Sterbenden noch strengere Regeln gegeben. Ihre Berufsordnung untersagt ihnen nicht nur, Patienten auf deren Verlangen hin zu töten. Sie dürfen auch keine Hilfe zur Selbsttötung leisten. Ärzte, die zum Beispiel das Gift für den Suizid besorgen, riskieren deshalb ihre Zulassung.

Die wichtigste Versicherung ist für Kusch die neu gegründete Dependance in der Schweiz. „Das ist unser Schutzschild, wenn wir verboten werden“, sagt der Mann, dessen erstes öffentliches Engagement in der Sterbehilfe mit der Vorstellung einer Tötungsmaschine begann. Im Einsatz ist der Apparat noch immer, 2012 starben fünf Menschen durch die automatischen Injektionen.