Saudi-Arabien Saudi-Arabien: «Das Land schwimmt im Geld»
Berlin/Riad/dpa. - Auf gute Geschäfte hofft auch der Kanzler bei seiner strapaziösenReise an den Golf. Gerhard Schröder will sich erneut als «Türöffner»für die deutsche Wirtschaft ins Zeug legen - nicht zuletzt im eigenenInteresse. Volle Auftragsbücher aus der Wüste könnten die schlappeKonjunktur daheim und damit die Wiederwahlchance 2006 beflügeln.
Mit der Tour kreuz und quer über die arabische Halbinsel betrittder Kanzler Neuland. Fünf der sieben Besuchsländer hat noch nie eindeutscher Regierungschef betreten. Nur in Saudi-Arabien, der erstenStation am Sonntag, sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten warSchröder bereits vor 18 Monaten zu Gast.
Was ihn jetzt erwartet, dürfte nicht ohne Eindruck bleiben. MitAusnahme des Armenhauses Jemen erlebt die ganze Region derzeit einenbeispiellosen Wirtschaftsboom. Dank steil kletternder Ölpreise, aberauch weil die Herrscherhäuser als Folge des Irak-Kriegs und derPolitik Washingtons immense Geldanlagen auf US-Konten aufgelösthaben, ist derzeit Bares in Strömen vorhanden. «Das Land schwimmt imGeld», meldete die deutsche Botschaft aus Riad kürzlich nach Berlin.Vor kurzem wussten die Saudis noch nicht, wie sie ihre aufgehäuftenSchulden abtragen sollten. Doch mit den explodierenden Öleinnahmenvon über 100 Milliarden US-Dollar war 2004 das erfolgreichste Jahr inder Geschichte des Königreichs.
In einer noch komfortableren Lage sind kleinere Emirate aufSchröders Besuchsprogramm. Das winzige Katar bezeichnet sich selbstinzwischen als reichstes Land der Welt, umgerechnet auf die Pro-Kopf-Einkommen der Einheimischen. Mit dem Geld aus den unermesslichenGasvorkommen hat die Herrscherfamilie sich vorgenommen, mit eigenenSuperlativen der Golf-Glitzermetropole Kuwait den Rang abzulaufen.Mega-Projekte wie der erste speziell für den Super-Airbus 380geplante Airport sind ebenso in Planung wie gigantische Industrie-und Museumsbauten. Bereits weitgehend fertig ist die weltgrößteSportarena für die Asienspiele 2006. In Bahrain, wo ein riesigesinternationales Finanzzentrum bald in Betrieb geht, soll trotzsommerlicher Außentemperaturen von 50 Grad eine Anlage mit derweltweit längsten künstlichen Skipiste inklusive einer Sprungschanzeentstehen.
Von dem Milliarden-Kuchen haben deutsche Unternehmen allerdingsbisher eher spärlich abgekommen. Bei dem aggressiven Auftreten vorallem von Briten, Franzosen und Amerikanern beim Einsammeln vonAufträgen könnten die Deutschen nicht mithalten, berichten Diplomatenam Ort. Viele Chancen wurden aber offensichtlich auch verschlafen.«Man muss der deutschen Industrie geradezu nachlaufen, während andereeuropäische Firmen sich die Klinke in die Hand geben», beklagte sichder Chef der staatlichen Wasser- und Strommarketinggesellschaft beider Botschaft in Riad. Aus Saudi-Arabien, wo in vergangenenJahrzehnten deutsche Baukonzerne hervorragend im Geschäft waren, hatsich die deutsche Wirtschaft weitgehend zurück gezogen.Niederlassungen wurden in das sichere und weit angenehmere Dubaiverlegt.
Vom Kanzler-Besuch erhofft sich auch die Führung in Riad einUmdenken. Weiterhin gilt dort im Sprachgebrauch ein gutes Erzeugnisals «deutsches Produkt». Fast alle Minister und Wirtschaftsführerseien deutschfreundlich, heißt es in der deutschen Botschaft. Nichtzuletzt Schröders Standhaftigkeit im Irak-Krieg hat ihm entlang derGolf-Küste viel Popularität eingebracht. Eine Umfrage im Jemen ergabkürzlich, dass der Kanzler weit vor Nationaltorhüter Oliver Kahnrangierte.
Die Eliten in den Golf-Staaten drängen spürbar auf größereUnabhängigkeit von den USA und blicken wieder verstärkt nach Europa.Dort wird Deutschland als stärkste Wirtschaftsnation zunehmend als«natürlicher Partner» angesehen - von dem man aber auch einigeserwartet. Etwa die Lieferung von Rüstungsgütern. Die bisherigedeutsche Zurückhaltung stößt auf wenig Verständnis. Auf eine langeListe auch von brisanten Lieferwünschen muss sich Schröder bei seinenGesprächen diesmal gefasst machen. Und einiges deutet darauf, dassder Kanzler, ungeachtet des möglichen Ärgers mit demRegierungspartner in Berlin, damit etwas großzügiger umgehen wird.