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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff: "Erklären was erreicht wurde"

27.12.2014, 13:52
In der Ruhe liegt die Macht: Ministerpräsident Reiner Haseloff meint, dass...
In der Ruhe liegt die Macht: Ministerpräsident Reiner Haseloff meint, dass... Andreas Stedtler Lizenz

Magdeburg - Vier von fünf Jahren als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat Reiner Haseloff (CDU) nun bald geschafft. Im Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung erklärt der Wittenberger, warum im Land die Lage besser ist als die Stimmung, warum er Sachsen-Anhalt für einen „Schmelztiegel“ hält und weshalb er sich vom Machtwechsel im Nachbarland Thüringen nicht beeindrucken lässt. Mit dem 60-Jährigen?sprachen die MZ-Redakteure Hartmut Augustin und Kai Gauselmann.

Herr Ministerpräsident, der Doppelhaushalt ist durch - und damit der Sparkurs durchgesetzt. Hat sich der Ärger der vergangenen Monaten gelohnt?

Haseloff: Das war unabweisbar und notwendig. Nur so bleiben wir als Land handlungsfähig und unabhängig. Dabei haben wir im Vergleich zu Thüringen und Sachsen pro Kopf höhere Steuereinnahmen, wegen unserer guten wirtschaftlichen Entwicklung. Wir sind aber beim strukturellen Defizit aktuell im letzten Drittel unter den Ländern. Wenn wir die Schuldenbremse einhalten wollen, müssen wir unseren Weg konsequent weitergehen.

Dann ist nach dem Sparkurs nur vor dem Sparkurs?

Haseloff: Nein, unsere Strukturanpassungsmaßnahmen sind auf den Weg gebracht. Aber wir müssen unter anderem den geplanten Stellenabbau im Öffentlichen Dienst fortführen, wie wir das in unserem Personalentwicklungskonzept beschlossen haben. Da müssen wir dranbleiben. Wir verwalten uns im Bundesschnitt immer noch zu teuer. In anderen Bereichen - zum Beispiel bei der Kultur und der Infrastruktur - haben wir hingegen alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Vor der Wahl 2011 war der dringendste Wählerwunsch: Die Schaffung neuer, gut bezahlter Arbeitsplätze. Auftrag erfüllt?

Haseloff: Das haben wir und in Sachsen-Anhalt werden inzwischen sogar nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit höhere Löhne gezahlt als in Sachsen, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern. Wir brauchen uns also nicht zu verstecken. Natürlich haben wir immer noch einen Unterschied zu den alten Ländern.

Wie lange dauert es, bis wir so gut verdienen wie die Niedersachsen?

Haseloff: Zu dieser Frage muss man immer die Lebenshaltungskosten einberechnen. Die sind bei uns niedriger. So ins Verhältnis gesetzt schließt sich die Schere zu Niedersachsen immer mehr. Im Übrigen gibt es auch in Niedersachsen Regionen, die wirtschaftlich schwächer sind als zum Beispiel unsere Chemieregion.

Bei der letzten ostdeutschlandweiten Umfrage haben die Sachsen-Anhalter die wirtschaftliche Lage am schlechtesten eingeschätzt. Berlin etwa geht es tatsächlich viel schlechter - die Stimmung da ist aber prima. Wenn hier alles so gut läuft - warum ist dann die Stimmung in der Bevölkerung so schlecht?

Haseloff: Der aktuelle Sachsen-Anhalt Monitor sagt etwas anderes. Zwei Drittel der Sachsen-Anhalter sehen die eigene wirtschaftliche Lage positiv. Natürlich muss man bei Vergleichen auch die Bevölkerungsstrukturen berücksichtigen. Wenn man wie Berlin mehrheitlich junge Leute hat, dann interessiert die nicht so sehr, ob sie zehn Euro mehr oder weniger in der Woche verdienen. Eine älter werdende Bevölkerung wie bei uns hat in den 90ern vielfach Brüche in ihren Biografien erleben müssen. Überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit damals und die damit verbundene Abwanderung wirken in der gesellschaftlichen Stimmung immer noch nach. Letztlich entspricht diese Stimmungslage aber nicht unserer tatsächlichen, guten Entwicklung. Es gibt da ein Informationsdefizit. Da müssen wir gegenhalten, erklären, was erreicht wurde - und was noch zu tun ist. Landsmannschaftliche Verbundenheit spielt natürlich auch eine Rolle bei der Stimmungslage in einem Land.

Was Haseloff auf die Frage nach der Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2016 sagt und was der Ministerpräsident zum Machtwechsel in Thüringen sagt, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Wieso das?

Haseloff: Sachsen-Anhalt war schon immer aus historischen Gründen sehr heterogen. Mit dem brandenburgischen Einfluss im Norden, dem Harz als gesondertem Raum, dem bischöflichen Gebiet Halle und Magdeburg, Kursachsen, Anhalt und der Saale-Unstrut Region. Wir haben mindestens fünf völlig unterschiedlich tradierte Entwicklungslinien und hatten zudem noch eine der höchsten Industriearbeiter-Konzentrationen während der DDR-Zeit. Uns fehlt noch die über Generationen gewachsene Identifikation als Sachsen-Anhalter, die Verbundenheit und Halt gibt.

Ist das denn eine Mission Impossible, ein Sachsen-Anhalt-Gefühl zu schaffen?

Haseloff: Diese Vielfältigkeit müssen wir als Buntheit und als Chance begreifen. Sachsen-Anhalt ist ein Schmelztiegel mit ungeheurem Potenzial. Unzufriedenheit sehe ich nicht nur als Problem, sondern als Ansporn. Das treibt uns an, besser zu werden. Wir geben uns mit dem Erreichten nicht zufrieden. Wir sind in Mitteldeutschland mit den anderen Ländern auf Augenhöhe. Jetzt wollen wir zum Westen aufschließen, diesen Ehrgeiz haben wir.

Das klingt nicht, als wollten Sie nach Hause gehen. Sie holen wohl Schwung für den Wahlkampf?

Haseloff: Welcher Wahlkampf?

Na, 2016 ist Landtagswahl.

Haseloff: Ach, das ist noch mehr als ein Jahr hin. Wir haben den Doppelhaushalt jetzt verabschiedet. Und jetzt dürfen wir ihn umsetzen. Da gibt es viel zu tun. Und das macht Spaß, ich freue mich auf das letzte Viertel der Legislaturperiode.

Trotzdem könnten Sie jetzt endlich mit der Wahrheit herausrücken...

Haseloff: Ich sage immer die Wahrheit!

...und offiziell erklären, dass Sie erneut für Ihre Partei als Spitzenkandidat antreten wollen.

Haseloff: Ich bin sehr gerne in der Verantwortung für dieses Land. Alles andere entscheide ich gemeinsam mit den Gremien Anfang des neuen Jahres. Diesen Prozessen sollte man nicht vorgreifen. Wie lange wollen Sie denn Wahlkampf machen? Je länger man Wahlkampf macht, desto weniger kann man in Ruhe arbeiten. Aber die Leute wollen, dass die Landesregierung ruhig und sachlich ihren Aufgaben nachkommt.

Wir wollen ja nur unaufgeregt zeigen, welche Konstellation sich zur Wahl abzeichnet.

Haseloff: Erstmal wollen wir in der Koalition mit der SPD vernünftig weiterarbeiten. Wir haben erfolgreich zusammen regiert und wollen das bis zum letzten Tag tun. Wenn wir vernünftig weiterarbeiten, zeigt das den Menschen ja auch, dass es keinen Grund für einen grundsätzlichen Wechsel gibt.

Wenn es in der Nachbarschaft Rot-Rot-Grün gibt, können Sie das doch nicht ausblenden. Welche Konsequenzen hat der Machtwechsel in Thüringen?

Haseloff: Wir haben hier eine andere politische Kultur und Konfliktlösung: Wir gehen in unserer Koalition fair und auf Augenhöhe miteinander um. Wir haben als CDU Dinge mitgetragen, die wir alleine nicht gemacht hätten. Andersherum hat die SPD aber auch unsere „Knackpunkte“ respektiert. Dieses Land hat in den vergangenen 24 Jahren viele Brüche und Umwälzungen erlebt. Sachsen-Anhalt hat sich jetzt gut entwickelt und es wäre gut für das Land, wenn es weiter solide und aus der Mitte heraus regiert wird. Natürlich nehme ich auch zur Kenntnis, dass sich woanders Vorstellungen von anderen politischen Konstellationen entwickeln. Aber kein Land ist mit einem anderen vergleichbar. Und ich werde hier für Kontinuität und Stabilität werben. Sachsen-Anhalt sollte kein unkalkulierbares Risiko eingehen.

Sie hatten mal gesagt, die CDU regiert bis 2020 mit der SPD. Damals haben wir herzlich gelacht, jetzt ist das bald nur noch eine Regierungszeit weit weg.

Haseloff: Ich hatte auch damals nur gesagt, Sachsen-Anhalt sollte bis zum Ende der Transformation 2020, wenn der Solidarpakt ausläuft, stabil aus der Mitte heraus regiert werden: Von den beiden Volksparteien, die sich für die Wiedervereinigung stark gemacht und danach eingebracht haben. Wir haben einfach noch eine Sondersituation mit strukturellen Unterschieden, die bewältigt man am besten aus der Mitte mit einer stabilen Koalition.

Ist das Schicksal Christine Lieberknechts für Sie eine persönliche Horror-Vision?

Haseloff: Sie hätte noch viel leisten können und wird sich mit Sicherheit auch noch einbringen. In den nächsten 15 Monaten wird noch so viel Bewegung in der Politik sein, dass man sich jetzt nicht von aktuellen Momentaufnahmen beeindrucken lassen sollte. Ich sehe das völlig gelassen. Wir arbeiten ruhig weiter. Was 2014 in Thüringen passiert ist, wird 2016 mit Sachsen-Anhalt nichts zu tun haben. Natürlich haben auch andere Personen Ambitionen, aus der Staatskanzlei heraus gestalten zu wollen. Das ist nur normal. Ich werde aber alles dafür tun, dass wir mit der SPD weiter vernünftig umgehen. Es kann natürlich immer mal wieder zu Auseinandersetzungen kommen. Das sagt aber nichts über unser grundsätzliches Miteinander. Politischer Streit ist nichts Schlimmes, solange er konstruktiv bleibt. Wir haben hier zwischen den Koalitionspartnern keine grundsätzlichen Verhärtungen, wie es sie in Thüringen gegeben hat. Und es ist mein Ziel, dass das so bleibt. (mz)

CDU und SPD vernünftig zusammenarbeiten. In die letzten 15 Monate bis zur...
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Wahl geht er locker: „Das macht Spaß, ich freue mich.“
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