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Russland wählt Putin-Nachfolger

02.03.2008, 13:54

Moskau/dpa. - Bei der international kritisierten Präsidentenwahl in Russland hat sich der Kremlfavorit Dmitri Medwedew (42) nach der Stimmabgabe in einem Moskauer Wahllokal siegessicher gezeigt. «Ich bin in guter Stimmung», verkündete der bisherige Vizeregierungschef am Sonntag.

Sein Herausforderer, Kommunistenchef Gennadi Sjuganow, beklagte Wahlrechtsverstöße «in Hülle und Fülle». Es galten strengste Sicherheitsvorkehrungen. Knapp eine halbe Million Polizisten und Soldaten kontrollierten den Wahlverlauf. Liberale Oppositionsbewerber waren nicht zur Wahl zugelassen. Erste Prognosen wurden unmittelbar nach Schließung der Wahllokale um 19.00 Uhr MEZ erwartet.

Auch der scheidende Staatschef Wladimir Putin bekannte bei der Stimmabgabe in Moskau, «in Feiertagslaune» zu sein. Nach dem als sicher geltenden Wahlsieg seines langjährigen Vertrauten Medwedew will Putin als Regierungschef weitermachen. In Umfragen lag Medwedew vor der Wahl bei 70 Prozent der Stimmen. Knapp 109 Millionen Menschen waren wahlberechtigt.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa trifft die Bundesregierung bereits Vorbereitungen für einen Wahlsieg Medwedews. Demnach wird Kanzlerin Angela Merkel am kommenden Samstag (8. März) zu einem Kurzbesuch in Moskau erwartet. Merkel soll nach Angaben informierter Kreise in Moskau mit Putin und Medwedew zusammenkommen. Das Bundespresseamt in Berlin bestätigte die Reisepläne der Kanzlerin am Wochenende nicht.

Obwohl starker Schneeregen im europäischen Teil Russlands den Gang an die Urnen erschwerte, sprachen die Behörden im Tagesverlauf von einer höheren Wahlbeteiligung im Vergleich zur Wahl 2004. Damals gaben 64,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Oppositionelle hatten in den vergangenen Tagen die Wahl als «Farce» bezeichnet, da der Staatsapparat einseitig die Kandidatur Medwedews unterstützt habe. Insgesamt traten vier Kandidaten bei der Wahl an.

Aus den Regionen kamen Klagen, die Bevölkerung werde wie schon bei der Dumawahl vor drei Monaten gegängelt, um eine hohe Beteiligung sicherzustellen. Im Gebiet Uljanowsk an der Wolga zogen am Sonntag Wahlhelfer der Regierungspartei Geeintes Russland von Haus zu Haus, um die Bürger mit einer mobilen Urne an ihre «Staatsbürgerpflicht» zu erinnern. In vielen Regionen waren den Wählern Lotterien mit Gewinnen wie Fernsehern und Haushaltstechnik versprochen worden.

Kommunistenchef Sjuganow übte scharfe Kritik. «Wir haben Verstöße gegen das Wahlrecht in Hülle und Fülle registriert», sagte er bei der Stimmabgabe in Moskau, wie die Agentur Interfax meldete. Sjuganow zufolge kontrollierten 500 000 Parteigänger die Auszählung in den landesweit knapp 96 000 Wahllokalen. Eine Delegation des Europarates hatte vor der Wahl die Befürchtung geäußert, die Abstimmung werde «weder frei noch fair« sein. Aus Protest gegen Restriktionen verzichtete die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) komplett auf die sonst übliche Wahlbeobachtung.

Im Nordkaukasus wurde der Wahltag von einem Sprengstoffanschlag überschattet. In der Teilrepublik Dagestan am Kaspischen Meer wurden zwei Polizisten verletzt, als eine am Straßenrand versteckte Bombe explodierte, wie die örtlichen Behörden mitteilten. In Moskau und St. Petersburg waren Bombendrohungen in der Metro gemeldet worden.