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Rettungsschwimmen Rettungsschwimmen: Die Baywatch-Profis aus Sachsen-Anhalt

Von Julius Lukas 29.03.2014, 08:45
Leichte Rettung: Jessica Grote beim Bergen einer Übungspuppe. Die 17-Jährige wurde gerade Mehrkampf-Landesmeisterin.
Leichte Rettung: Jessica Grote beim Bergen einer Übungspuppe. Die 17-Jährige wurde gerade Mehrkampf-Landesmeisterin. Eckehard Schulz Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Die Arme von Joshua Perling schlagen auf das Wasser. Mit hoher Geschwindigkeit krault der 17-jährige Rettungsschwimmer ein paar Meter im Becken, dann taucht er ab. Es ist Dienstagabend, kurz nach 19 Uhr. Die Robert-Koch-Schwimmhalle in Halle ist gut gefüllt. Schwimm-Star und Weltrekordler Paul Biedermann zieht dort auch gerade seine Bahnen. Mit nur einem Zug erreicht Perling eine Puppe, die in zwei Metern Tiefe liegt. Er greift sie entschlossen am Genick, taucht auf und krault weiter. Eine Standardübung, die keine zehn Sekunden dauert.

„Im Wettkampf geht das noch schneller“, erklärt Daniel Gätzschmann. Der 33-Jährige steht am Beckenrand. Er ist Stützpunkttrainer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Halle-Saalekreis und für die Leistungssportler des Vereins verantwortlich. „Am Wochenende waren Landesmeisterschaften in Merseburg“, berichtet er. Von 20 Titeln hat sein Verein 17 gewonnen. Doch nicht nur auf Landesebene, sondern auch international ist die DLRG Halle-Saalekreis seit Jahren erfolgreich.

Rettungsschwimmen ist ein junger Sport. Erst in den 80er Jahren entwickelten sich die Disziplinen. Dazu gehören Hindernisschwimmen, Tauchen und das Retten von Personen. Bei Wettkämpfen werden die Aufgaben kombiniert. „Wenn ich Leuten erzähle, was ich mache, dann denken die sofort an Baywatch“, sagt Joshua Perling. Die amerikanische TV-Serie hat dem Sport zweifelsohne zu Bekanntheit verholfen. „Wir rennen aber nicht wie David Hasselhoff mit einer roten Boje in der Hand den Strand entlang“, räumt er ein gängiges Klischee aus. Was viele nicht wissen: Neben den Rettungsschwimmern, die zum Beispiel Badestrände bewachen, gibt es Leute wie Perling, der Rettungsschwimmen als Leistungssport betreibt. Er ist so etwas wie ein Baywatch-Profi.

Deutschland im Spitzenfeld

Wie bei vielen anderen Sportarten gibt es auch im Rettungsschwimmen Welt- und Europameisterschaften. Alle vier Jahre treffen sich die Athleten bei den World Games, den Olympischen Spielen für die nicht olympischen Sportarten. Zu den besten Nationen gehören Australien, Neuseeland und die USA, aber auch Deutschland. Nicht zuletzt wegen der Athleten aus Sachsen-Anhalt.

Die Rettungsschwimmer aus Halle und dem Saalekreis sind Seriensieger beim international stark besetzten DLRG Cup in Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern). Und bei den World Games 2013 im kolumbianischen Cali bestand das halbe deutsche Nationalteam aus sachsen-anhaltischen Athleten.

„Unsere Trainingsbedingungen sind sehr gut“, erklärt Trainer Gätzschmann. Seine Schützlinge schwimmen gerade mit Flossen an den Füßen durch das 50 Meter lange Becken. „Wir können in einer modernen Halle trainieren, und unsere Athleten dürfen auf die Sportschule gehen.“ Das gebe es nicht noch einmal in Deutschland.

Die Leistungssportler profitieren aber auch vom Ansturm auf die DLRG. „In den letzten Jahren sind viele neue Mitglieder zu uns gekommen“, sagt Gätzschmann. Nachwuchsprobleme wie bei anderen Vereinen kennt er nicht. Mitunter habe man bei einzelnen Angeboten sogar Wartelisten führen müssen. 3 400 Personen sind derzeit im Landesverband organisiert. 75 Prozent davon sind unter 26 Jahre alt. „Darunter sind natürlich auch einige, die dann im Leistungssport erfolgreich sind“, sagt Gätzschmann.

Zwei Olympiastützpunkte

Ihre Ausnahmestellung im Rettungsschwimmen verdankt die DLRG Sachsen-Anhalt aber auch dem Schwimmsport im Land. Mit Magdeburg und Halle gibt es gleich zwei Schwimm-Olympiastützpunkte. Für ein kleines Land ist das viel. Nicht alle Athleten schaffen den Sprung in die Elite. Für Joshua Perling war 2010 das entscheidende Jahr. „Damals, in der neunten Klasse, stieg der Leistungsdruck“, sagt Perling. „Mir wurde gesagt, wenn ich es jetzt nicht schaffe, dann wird es mit einer Schwimm-Karriere wohl nichts mehr.“ Die Erfolge blieben aus. Eine Trainerin gab ihm den Tipp, es bei den Rettungsschwimmern zu versuchen. „Die haben in der gleichen Halle trainiert und ich bin einfach mal hingegangen“, erzählt der 17-Jährige. Die Atmosphäre sei viel entspannter gewesen als beim Schwimmen. Perling startete in jungen Jahren seine zweite Karriere. Allerdings gibt es auch den umgedrehten Weg. Anke Palm aus Magdeburg, die bei den World Games 2013 Gold gewann, will in diesem Jahr auch bei den Deutschen Meisterschaften im Schwimmen starten.

In der Robert-Koch-Halle steht Paul Biedermann mittlerweile in einen Bademantel gehüllt neben dem Becken. Nachdem er 2013 fast kein Rennen bestritt, will sich der Schwimm-Star nun in die Weltspitze zurückkämpfen. Joshua Perling ist im vergangenen Jahr Junioreneuropameister geworden. Jetzt will er zur Weltmeisterschaft nach Montpellier. Sein Ziel ist die Nationalmannschaft. Sein Trainer sagt, er sei auf dem richtigen Weg. Dass er nie die Bekanntheit eines Paul Biedermanns erreichen wird, ist ihm klar. „Der Wechsel“, sagt Perling jedoch, „war die beste Entscheidung meines Lebens.“