Kommentar Rechtsextremismus in Ostdeutschland: Eine offene Debatte ist nötig

Die Ostbeauftragte Iris Gleicke hat im Herbst 2016 erklärt, der Rechtsextremismus sei eine ernsthafte Bedrohung für Wirtschaft und Gesellschaft in Ostdeutschland. Sie hat dafür viel Kritik einstecken müssen.
Und doch hat die sozialdemokratische Thüringerin Recht. Denn die Statistik der Gewalttaten ist einschlägig; die Wahlergebnisse der teils rechtsextremistischen AfD mit – dem Westdeutschen – Björn Höcke sind es auch.
Überdies führt der Rechtsextremismus dazu, dass Unternehmer, Wissenschaftler und andere Funktionseliten dem Osten teilweise fern sowie Investitionen aus bleiben - zumal wenn Migranten beteiligt sind. Die Gefahr ist nicht etwa nur theoretisch, sondern äußerst praktisch.
Überheblichkeit in Westdeutschland
Nun ist all das längst bekannt. Und die von Gleicke beauftragten Forscher der Universität Göttingen haben auch deshalb auf einen empirischen Ost-West-Vergleich ebenso verzichtet wie auf westdeutsche Schuldzuweisungen. Vielmehr führen sie richtigerweise aus, dass hinter dem Dilemma nicht zuletzt ein Ost-West-Konflikt steht.
Zumindest die liberalen und polyglotten Westdeutschen leben seit 1989 nämlich in dem Glauben, hinter sich gelassen zu haben, was sie in Ostdeutschland meinen, vor sich zu haben: Fremdenfeindlichkeit und provinzielle Enge. Dahinter verbirgt sich teilweise Arroganz, teilweise echte Besorgnis. In jedem Fall sorgt es für einen blockierten Dialog und dafür, dass sich die Lage nicht bessert.
Ost-Ministerpräsidenten blocken Extremismus-Debatte ab
Westdeutsche Zeigefinger nutzen jedenfalls nichts. Die Auseinandersetzung müsste unter den Ostdeutschen selbst stattfinden. Weil ihnen die AfD im Nacken sitzt und zumindest die Ost-CDU teilweise ähnlich tickt, haben mehrere Ost-Ministerpräsidenten im vorigen Jahr allerdings Gleicke kritisiert, statt sich auf eine Debatte einzulassen und jenen den Rücken zu stärken, die auf dem platten Land die Demokratie verteidigen. Nichts ist fataler als das.