Protest gegen Pegida Protest gegen Pegida: Zehntausende bei Konzert für weltoffenes Dresden

Dresden - Montagabend in Dresden und mal ganz andere Töne als sonst in den vergangenen Wochen üblich: Kein Gebrüll gegen Politiker und Presse, keine Häme gegen Angela Merkel und ihre CDU/SPD-Regierung, kein Frust, kein Wutgeschrei, kein höhnisches Gelächter, wenn der Name des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich fällt.
Das andere Dresden präsentiert sich an diesem Abend: „Wir wollen zeigen, dass unsere Stadt weltoffen, tolerant und bunt ist, und haben uns bemüht, dass es warm wird, vor allem ums Herz“, sagt Gerhard Ehninger kurz bevor um 18 Uhr der große Konzertabend vor der Frauenkirche beginnt. Ehninger hat ihn mit dem Verein „Dresden - Place to be!“ auf die Beine gestellt. Und mehr als 30000 sind gekommen, einen Tag nach der Pegida-Kundgebung vor der Semperoper.
Es ist ein verlockendes Staraufgebot vor farbenfroher Kulisse: Die historischen Gebäude am Neumarkt sind bunt angeleuchtet. Nicht nur die Dresdner Bands Yellow Umbrella und Banda communale spielen wie sonst üblich bei den Anti-Pegidakundgebungen. Auf dem Neumarkt treten Herbert Grönemeyer, Silly und Keimzeit auf, außerdem Sarah Connor und etliche andere Bands. Man will sich nicht unterkriegen lassen und gegen die schlechte Stimmung anspielen. „Wir zeigen trotz des bösen Spiels gute Laune", meint Michal Tomaszewski von Banda communale.
„Das ist grauenhaft“
Für Wolfgang Niedecken, Sänger der Kölner Band BAP, ist es völlig unbegreiflich, was Pegida seit Monaten in Dresden treibt. Ein Aufstand der „Ignoranten" und „Unbelehrbaren", findet der Rheinländer. Angesichts eines so geringen Ausländeranteils wie in Sachsen sei ihm das selbst ernannte Bündnis „Patriotischer Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" völlig unverständlich, sagt er kurz vor seinem Auftritt. „Wie kann man allen Ernstes in Dresden eine Initiative starten, die uns vor den Muslimen schützen soll? Was für ein Quatsch. Das ist grauenhaft."
Offensichtlich sind auch Pegida-Anhänger zum Konzert gekommen.
Als das Statement einer ausländischen Studentin auf einer Leinwand eingespielt wird, die sich mittlerweile montags in Dresden fürchtet, kommt es zu Rufen: „Wir sind das Volk!“
Kathrin Oertel, nach dem Abgang des Hitler-Imitators Lutz Bachmann die neue Frontfrau der Bewegung, hatte ausdrücklich ihre Anhänger dazu aufgerufen, zum Konzert mit "Gröni" zu gehen. Gleichzeitig behauptete sie, die Organisatoren würden „mit Geld um sich werfen, um Stars nach Dresden zu holen, nur damit endlich die ersehnte Schlagzeile kommt: Pegida verliert auch in Dresden im direkten Vergleich!“
Künstler nicht wegen der Gage gekommen
Wie so vieles, stimmt auch diese Behauptung nicht: Die Künstler sind nicht wegen Gage gekommen. „Wir haben uns heute hier versammelt, um ein Zeichen zu setzen“, sagt Ideengeber Ehninger, Medizinprofessor in Dresden. „Wir sind unabhängig von König, Staat und Kirche.“ Die Kosten für die Organisation des Spektakels werden über Spenden finanziert.
Die Idee für ein großes Solidaritätskonzert entstand um die Jahreswende im Verein „Dresden - Place to be!“ Dessen Mitglieder kümmern sich sonst um ausländische Beschäftigte, Wissenschaftler und Studenten, die nach Dresden kommen.
„Höchste Zeit, dass wir nicht nur über Pegida-Ängste, sondern auch über Ängste vor Pegida und über die der Asylbewerber reden“, hatte Dieter Jaenicke, künstlerischer Leiter am Festspielhaus Hellerau, vor dem Konzert gemeint.
Grönemeyer, der am Abend als letzter auftrat, hatte vor dem Konzert leises Verständnis dafür geäußert, dass sich Bürger von der Politik nicht mehr richtig vertreten fühlten. Aber Pegida-Anhängern sei wohl nicht bewusst, was sie mit dem Wort Islamisierung eigentlich sagten. „Die Gefahr einer Islamisierung ist in Deutschland genauso groß, als wenn uns ein Meteorit auf den Kopf fällt. Menschen islamischen Glaubens leben hier seit über 50 Jahren. Sie haben das Land mitgeprägt“, so Grönemeyer in einem Interview.