Die Lage im Überblick Palästinenserhilfswerk fordert „Flut“ an Gaza-Hilfen
Die Wiederaufnahme größerer Hilfslieferungen in den Gazastreifen wird von UN-Organisationen begrüßt. Es brauche jedoch noch viel mehr. Derweil setzt Israel laut Augenzeugen seine Angriffe fort.

Gaza/New York - UN-Organisationen begrüßen die Wiederaufnahme größerer Hilfslieferungen in den Gazastreifen, doch reichten diese bei weitem nicht aus. Es brauche eine „Flut“ an Hilfsgütern, um eine Verschärfung der Hungerkrise unter der Bevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen zu verhindern, erklärte das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA auf der Plattform X und forderte die Öffnung aller Grenzübergänge in das Kriegsgebiet.
Die Unterernährung unter den rund zwei Millionen Bewohnern habe „alarmierende Ausmaße“, warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Derweil setzte Israels Armee in der Nacht ihre Angriffe laut Augenzeugen und Rettungskräften fort. Bei einem Luftangriff auf ein Wohnhaus westlich von Chan Junis im Süden des Küstengebiets seien mindestens 12 Menschen getötet und 20 weitere verletzt worden, hieß es. Unabhängig prüfen ließ sich dies zunächst nicht. Vonseiten der israelischen Armee gab es dazu vorerst keine Angaben.
Israels Militär hatte in der Nacht zuvor angekündigt, in Gebieten, in denen die Streitkräfte derzeit nicht im Einsatz seien, bis auf Widerruf jeden Tag zwischen 10.00 und 20.00 Uhr Ortszeit eine selbsterklärte humanitäre Feuerpause einzuhalten. Sie gelte in Al-Mawasi im Südwesten, in Deir al-Balah im Zentrum sowie in der Stadt Gaza im Norden des Gebiets. Abgesehen davon würden die Kämpfe gegen die islamistische Hamas jedoch fortgesetzt, hieß es.
Trump findet die Situation im Gazastreifen „schrecklich“
US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Situation in dem Kriegsgebiet als „schrecklich“. Es sei „ein Chaos. Dieser ganze Ort ist ein Chaos.“ Trump stellte in Aussicht, dass die USA mehr Hilfe leisten werden, nannte aber keine Details. Die USA hätten gerne, dass sich auch andere Länder beteiligten, betonte er. Das Welternährungsprogramm (WFP) erklärte auf X, ausreichend Lebensmittel in der Region oder auf dem Weg dorthin zu haben, um die Versorgung der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens für drei Monate sicherzustellen. „Jetzt ist es Zeit, zu handeln“, schrieb WFP-Direktorin Cindy McCain auf X.
Das israelische Militär hatte angekündigt, neben den täglichen Feuerpausen auch Korridore von 6.00 bis 23.00 Uhr Ortszeit einzurichten, um die sichere Durchfahrt von Konvois der UN- sowie anderer Hilfsorganisationen zu ermöglichen. Am Sonntag fuhr bereits eine Kolonne von rund 100 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen. UN-Nothilfechef Tom Fletcher sprach auf X von einem „Fortschritt“. Um eine Hungersnot und eine katastrophale Gesundheitskrise im Gazastreifen abzuwenden, würden jedoch große Mengen weiterer Hilfsgüter benötigt. Nach Angaben von UNRWA sind mindestens 500 bis 600 Lastwagen nötig. Und zwar jeden Tag.
WHO: Unterernährung nimmt „alarmierende Ausmaße“ an
Nach WHO-Angaben gab es in dem abgeriegelten Küstengebiet im Juli einen signifikanten Anstieg der Todesfälle im Zusammenhang mit Unterernährung. Besonders besorgniserregend ist demnach die Lage in der Stadt Gaza im Norden des Gebiets. Dort sei jedes fünfte Kind unter fünf Jahren akut unterernährt. Auch in Chan Junis im Süden sei die Situation verheerend.
„Die Krise bleibt komplett vermeidbar. Die absichtliche Blockade und Verzögerung von Nahrungsmittel-, Gesundheits- und humanitärer Hilfe in großem Maßstab hat viele Menschenleben gekostet“, beklagte die WHO. Israel hatte unabhängige Hilfslieferungen für Gaza monatelang weitestgehend blockiert und ist deswegen massiver internationaler Kritik ausgesetzt. Dass Israels Militär nun Schritte zur erleichterten Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen ankündigte, stößt wiederum in der eigenen Regierung auf Kritik.
Der rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir bezeichnete den Schritt auf X als Schlag ins Gesicht israelischer Soldaten, die gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen kämpfen. Die Lieferung humanitärer Hilfe sei gleichbedeutend mit der „Lebenserhaltung des Feindes“, schrieb Ben-Gvir. Er wandte sich dabei direkt an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und forderte den Stopp der jüngsten Hilfslieferungen. Ben-Gvir ist Verfechter der Idee, den Gazastreifen vollständig einzunehmen und die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben.
Paris: Arabische Länder werden Hamas verurteilen
Bei einer heute in New York beginnenden internationalen Konferenz zur Zweistaatenlösung erwartet der französische Außenminister Jean-Noël Barrot die erstmalige Verurteilung der Hamas durch arabische Staaten. Dies werde die endgültige Isolation der Islamistenorganisation besiegeln, sagte Barrot der französischen Zeitung „La Tribune“. Die Hamas hatte 2007 de facto die Macht im Gazastreifen an sich gerissen. Nach dem Überfall der Hamas und anderer Terrorgruppen auf Israel und den Massakern an Zivilisten am 7. Oktober 2023 begann Israels Armee mit ihrem Einsatz in Gaza, um die Hamas zu zerschlagen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Donnerstag verkündet, dass sein Land - als erster Staat der G7 - bei der UN-Generalversammlung im September einen palästinensischen Staat anerkennen werde. Bei der heute beginnenden zweitägigen Konferenz in New York werde man „einen Appell starten, um weitere Länder dazu zu bewegen, sich uns anzuschließen“, sagte Barrot. Die Hälfte der europäischen Länder habe dies bereits getan.
Großbritannien und Deutschland folgten Macrons Vorstoß zunächst nicht. Israels Regierung lehnt ihn strikt ab. Sie sieht darin eine „Belohnung“ für den Terror der Hamas. Nach ihrer Darstellung unterstützt ein Großteil der Palästinenser die Hamas - und hat deshalb keinen eigenen Staat „verdient“.