Neuer Lotto-Staatsvertrag Neuer Lotto-Staatsvertrag: Weniger Werbung, mehr Staat

Münster/dpa. - Die Ziehung der Lottozahlen ist eine TV-Institution geworden. Ein neuer Staatsvertrag, der das Glücksspielmonopol des Staates und den Ländern Milliardeneinnahmen sichern soll, bringt nun allerdings nicht nur die TV-Ziehung in Gefahr, sollte diese als Werbung deklariert werden. Der zum 1. Januar 2008 in Kraft tretende Staatsvertrag nach Meinung von Experten auch eine Klagewelle der privaten Wettbewerber auslösen, die durch alle Instanzen rollen und schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof landen wird.
Das neue Vertragswerk, das die Parlamente aller 16 Bundesländer in den vergangenen Wochen ratifiziert haben, folgt im Großen und Ganzen einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006. Die Karlsruher Richter hatten das Glücksspielmonopol des Staates für nicht verfassungskonform erklärt. Doch die private Konkurrenz von Sportwetten-Anbietern und Lotto-Vermittlern jubelte nur kurze Zeit.Das Monopol ist nämlich laut Richterspruch dann mit der Verfassungvereinbar, wenn dem Ziel der Spielsucht-Bekämpfung allerhöchstePriorität eingeräumt wird. Im Klartext: Keine anheizende Werbung mehrfür Glücksspiele, keine Sportwetten privater Anbieter.
Privaten Anbietern stockte der Atem. Internet-Lotto-Vermittlernwie Tipp 24 wird damit - nach einer zwölfmonatigen Übergangsfrist -praktisch die Geschäftsgrundlage entzogen. Auch dem Profi-Sport, etwader Deutschen Fußball-Liga (DFL), entgehen nach Angaben von DFL-Präsident Reinhard Rauball Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe.Denn Sponsoren aus der Wettbranche, etwa Branchenprimus bwin, dürfennicht mehr werben. Tipp-24-Geschäftsführer Jens Schumann kündigteprompt eine Klage gegen den neuen Staatsvertrag an.
Sein Kollege Norman Faber vom Spielgemeinschaften-Vermittler Faberaus Bochum zieht seit Monaten mit einer ganzen Heerschar prominenterRechtsgelehrter im Schlepptau in ganzseitigen Zeitungsanzeigen gegenden Staatsvertrag zu Felde. Auch er will die Gerichte bemühen.Europäisches Wettbewerbsrecht werde gebrochen. Experten beider Seitenvermuten: In letzter Konsequenz wird der Europäische Gerichtshof einMachtwort sprechen müssen.
Für die Bundesländer ist der Staatsvertrag aber selbst dann einGewinn, wenn ihn Gerichte irgendwann wieder ganz oder teilweisekippen sollten. Der Zug durch die Instanzen wird Jahre dauern. DieLänderhaushalte profitieren in unterschiedlichen Konstellationen inHöhe von jährlich insgesamt 3,2 Milliarden von den Lotto-Einnahmen,die sie sich nun nicht mehr mit der privaten Konkurrenz teilenmüssen. Zeit ist in diesem Fall Geld für die Länder-Finanzminister -viel Geld.
Die staatlichen Lotto-Gesellschaften der Länder beeilten sichdeshalb auch sehr, Werbebanner etwa für ihr Sportwettenangebot Oddsetvon den Plakatwänden zu nehmen. Bei der Fußball-WM 2006 kostete essie Millionen, als das teuer erstandene Recht auf Bandenwerbung inden WM-Stadien an die SOS-Kinderdörfer verschenkt werden musste.
Inzwischen sehen sogar Skeptiker in den eigenen Reihen desDeutschen Lottoblocks die Liveübertragung der Ziehung der Lottozahlenin Gefahr. Zwar glaubt der Geschäftsführer von WestLotto in Münster,Winfried Wortmann, die Sendung sei weniger Werbung als vielmehr einStück Authentizität. Sein Kollege aus Niedersachsen ist skeptischer:«Unsere Gegner werden sagen, das ist Werbung, zur Information reichtauch ein Laufband», meint der Geschäftsführer der TotoLottoNiedersachsen, Rolf Stypmann.
Die größte deutsche Landeslottogesellschaft WestLotto hat auf denStaatsvertrag bereits anderweitig reagiert. In Nordrhein-Westfalenmüssen alle Teilnehmer an täglich möglichen Glücksspielen wie Kenooder Oddset ihren Personalausweis vorzeigen und eine persönlicheSpielerkarte ausfüllen. So soll es möglich sein, Spielsüchtige zuidentifizieren und an der Teilnahme zu hindern. «Netter Versuch»,sagen Kritiker der privaten Konkurrenz. Ähnliche Instrumentefunktionieren in den staatlichen Spielcasinos, wo das Spielsucht-Problem weit größer ist als beim Lotto, mehr schlecht als recht.