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Nauens Bürgermeister Detlef Fleischmann im Interview Nauens Bürgermeister Detlef Fleischmann im Interview: "Vielleicht passiert ja doch noch der Aufstand der Anständigen"

Von Iris Brennberger 26.08.2015, 16:58
Polizei-Spürhunde suchten in der abgebrannten Turnhalle nach Spuren von Brandbeschleunigern. In der Halle sollten ab Anfang September etwa 100 Flüchtlinge vorübergehend einquartiert werden .
Polizei-Spürhunde suchten in der abgebrannten Turnhalle nach Spuren von Brandbeschleunigern. In der Halle sollten ab Anfang September etwa 100 Flüchtlinge vorübergehend einquartiert werden . dpa/Nestor Bachmann Lizenz

Er hatte von Anfang an damit gerechnet, dass der Turnhallenbrand in Nauen Brandstiftung war. Die Bestätigung durch die Polizei kam für den Bürgermeister der Kleinstadt, Detlef Fleischmann (SPD), daher am Mittwoch nicht überraschend. Seine Verwaltung, alle Fraktionen und Nauener Initiativen hatten schon am Tag zuvor gemeinsam eine Erklärung herausgegeben, in der sie die mutmaßliche Brandstiftung scharf verurteilten. Und Detlef Fleischmann (54) hatte umgehend versichert, dass die Stadt dennoch Flüchtlinge aufnehmen wird.

Müssen Flüchtlinge, die nun kommen, Angst in Nauen haben?

Ich hoffe nicht! Ich hoffe, dass sich genügend Menschen für die Flüchtlinge einsetzen, sich schützend vor sie stellen und klar sagen: Den rechten Mob wollen wir nicht!

Vieles deutet auf einen rechtsradikalen Anschlag hin. Ist Nauen eine Hochburg der Rechten?

Als Hochburg würde ich es nicht bezeichnen. Aber es wäre blauäugig zu sagen, dass es hier keine rechte Szene gibt. Sie ist aktiv, aber sie dominiert nicht die Zivilgesellschaft.

Wie macht sie sich bemerkbar?

Wir haben einen Stadtverordneten der NPD. Die meisten Demonstranten gegen das Flüchtlingsheim waren keine Nauener. Da kamen aktive Rechte aus ganz Brandenburg zu den „Nein zum Heim“-Demos – die karren die von überall zu uns hin. Das ist ja auch nicht nur in Nauen so.

Seit wann ist bekannt, dass Nauen Flüchtlinge aufnehmen muss?

Wir haben bisher nur Einzelpersonen aufgenommen, die wir in Wohnungen untergebracht haben. Dafür haben wir die Wohnungsunternehmen abgefragt. Ende 2014 hat sich herauskristallisiert, dass einzelne Wohnungen nicht mehr ausreichen. Da gab es die Anfrage des Landkreises an alle Kommunen, ob sie Flächen für den Bau von Unterkünften zur Verfügung stellen können. Wir haben als Standort ein Grundstück am Waldemardamm gefunden, wo jetzt eine Unterkunft für 250 Menschen gebaut wird, die 2016 fertig sein soll.

Und die Rechten machen Stimmung dagegen?

Als die Stadtverordnetenversammlung im Februar den Verkauf des Grundstücks an den Landkreis beschlossen hat, ist es hier eskaliert. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Rechten hier richtig aktiv. Vorher waren sie eher im Verborgenen zugange.

Wie verlief die Stadtverordnetenversammlung?

Es waren etwa 200 Leute im Saal, vor allem Nauener. Aber auch herangekarrte Rechte aus der Umgebung. Die haben Parolen skandiert und gegen Scheiben geschlagen – wir mussten die Polizei holen, die Sitzung wurde abgebrochen. Aber die Verordneten haben den Verkauf des Grundstücks trotzdem beschlossen. Seitdem marschieren die Rechten in regelmäßigen Abständen durch Nauen.

Es gab auch Anschläge.

Ja, aber glücklicherweise nicht auf Menschen. Es gab Farbbeutelattacken auf das Büro der Linken, die Scheiben wurden eingeschlagen. Auch die SPD-Geschäftsstelle wurde attackiert. Die Täter hat man geschnappt.

Wurden Sie selbst bedroht?

Nicht körperlich. Aber verbal und in Mails. Das ist nicht angenehm. Doch ich mache diesen Job seit 20 Jahren, das gehört dazu. Viel schlimmer fand ich aber, dass ich bei der Stadtverordnetenversammlung im Februar Angst um die Leute im Saal hatte. Da waren erwachsene Leute, die sagten: Ich habe keine Angst vor Flüchtlingen, aber vor diesem rechten Mob.

Wie erklären Sie sich den Zuspruch, den die Rechten finden?

Schwer zu sagen. Demonstrationen muss man in einer Demokratie aushalten. Aber was am Dienstag passiert ist, hat mit Meinungsäußerung nichts zu tun. Das ist etwas ganz anderes. Eine gezielte Brandstiftung ist ein krimineller Akt, und die Täter gehören eingesperrt.

Wie verhält sich die Mehrheit der Nauener?

Wenn es nach dem Brand etwas Positives gibt, dann das: Am Dienstagabend kamen etwa 300 bis 400 Menschen zur Mahnwache, viele Nauener Bürger, Mitglieder fast aller Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung, fast alle Bürgermeister im Havelland. Das ist ermutigend. Vielleicht passiert ja doch noch der Aufstand der Anständigen.

Was kann man gegen die Gefahr von Rechts tun?

Wichtig ist: Wenn es ein Anschlag war und man die Täter fasst, muss die Justiz diese auch so hart bestrafen, wie es das Gesetz hergibt. Man muss deutlich machen, dass so eine Tat gesellschaftlich verachtet wird.

Viele reden jetzt von der Zivilgesellschaft: Müssen sich die wohlmeinenden Menschen mehr engagieren?

Es gab schon immer vereinzelt Initiativen in Nauen, die sich für Flüchtlinge eingebracht haben, seit voriger Woche gibt es auch ein Willkommensbündnis, das Hilfen für Flüchtlinge organisieren will. Zu unserem letzten Treffen kamen 20 Vertreter von verschiedenen Initiativen.

Es haben auch alle Nauener Fraktionen im Juni und nun wieder eine Erklärung verabschiedet, wonach Flüchtlinge in Nauen willkommen sind. Dennoch: Hätte man etwas besser machen können?

Besser geht immer. Aber mit so einem Ereignis hat keiner gerechnet. Wir dachten doch, wir hätten mehr Zeit. Wir sind davon ausgegangen, dass wir erst Anfang 2016 Flüchtlinge aufnehmen müssen. Dafür wird ja gerade das Heim gebaut. Doch dann schnellten die Flüchtlingszahlen bundesweit und damit auch für Brandenburg und den Landkreis nach oben, so dass die ganze Planung über den Haufen geworfen wurde. Deshalb kam es zu der Übergangslösung mit der Turnhalle. Da kann der Landkreis auch nichts dafür.

Warum wurde die Turnhalle überhaupt ausgewählt? Dass dies Ärger geben würde, war doch absehbar.

Es gab keine Alternative. Nicht in der Größenordnung für 100 Leute. Zumal die Halle dem Landkreis gehört und er darauf zugreifen konnte. Er hat uns nur informiert.

Fühlen Sie sich vom Landkreis beim Thema Flüchtlinge im Stich gelassen?

Nein. Mit dem Kreis haben wir eine gute Zusammenarbeit. Ich beneide die dort auch nicht um ihre Aufgabe. Die müssen bei der Unterbringung der Flüchtlinge auf die Kommunen zurückgreifen. Es geht hier um eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen – wir müssen sicherstellen, dass Menschen, die Hilfe brauchen, sie auch bekommen.

Wie geht es nach dem Brand weiter?

Die Turnhalle sollte ja bis Dezember genutzt werden, bis andere Unterkünfte fertig sind. Wir suchen jetzt nach anderen Zwischenlösungen. Glücklicherweise kamen schon Angebote von Firmen rein, die uns nach dem, was passiert ist, helfen wollen. Aber es ist schwierig. Wir haben eine Leerstandsquote von etwa 2 Prozent – wir haben keine freien Wohnungen, in denen wir Menschen unterbringen können. Und es soll ja auch nicht irgendwo sein. Man will die Leute ja nicht an den Rand abschieben.

Was für Folgen hat der Brand für die Nauener selbst

?

Das Oberstufenzentrum hat nun Probleme, wo der Sportunterricht stattfinden soll, und zahlreiche Sportvereine haben keine Halle mehr. So schnell wird es wohl auch keinen Ersatz geben. Vor ein, zwei Jahren, wird da keine neue Halle stehen.

Hätte man die Halle besser sichern müssen?

Die Polizei fuhr Streife, es gibt einen Wachschutz. Gegen eine gezielte Aktion kann man wenig machen.

Das Gespräch führte Iris Brennberger.