Geplante Flüchtlingsunterkunft niedergebrannt Geplante Flüchtlingsunterkunft niedergebrannt: Polizei geht in Nauen von Brandstiftung aus
Nauen - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter zeigte sich am Dienstagvormittag in Nauen in Havelland entsetzt: "Wenn sich der Verdacht erhärtet, dass es Brandstiftung war, werden wir diesen Anschlag in keinster Weise tolerieren und alles daran setzen, die Täter zu ermitteln. Wir sind - gottlob - noch von sächsischen Verhältnissen entfernt, aber das ist das Schlimmste an rechter Gewalt, was Brandenburg in den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten erfahren hat", so Schröter.
Nach dem mutmaßlichen Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen (Havelland) sendet der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) am Abend eine Sondersendung. Sie ist für 20.15 Uhr geplant und soll 15 Minuten dauern. Das teilte der Sender am Dienstag mit. In der niedergebrannten Sporthalle in Nauen sollten rund 100 Flüchtlinge untergebracht werden. Zuvor hatte es teils heftige Proteste gegen die geplante Unterkunft gegeben.
In der Nacht zu Dienstag war im brandenburgischen Nauen circa 40 Kilometer westlich von Berlin ein geplantes Flüchtlingsheim in Flammen aufgegangen. Die Polizei geht wegen der Brandrichtung und der Brandausweitung in der Turnhalle von vorsätzlicher Brandstiftung aus. "Wir werden alles daran setzen, die Täter zu ermitteln", sagt Schröter weiter.
Nur noch das Skelett übrig
Um 2.20 Uhr war bei der Feuerwehr ein Alarm eingegangen, nur acht Minuten später war die Feuerwehr vor Ort. Dort standen die Flammen schon so hoch, dass die Feuerwehr die Turnhalle des Oberstufenzentrums des Gymnasium nur noch kontrolliert abbrennen lassen konnte. "So konnten wir ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbarhäuser verhindern", sagte Peter Meyritz von der Polizeidirektion West. Von der Turnhalle ist nur noch das Skelett übrig.
"Wir müssen alle daran arbeiten, dass ein Klima herrscht, wo solche Taten geächtet sind." Dies sei ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für Weltoffenheit und Toleranz einsetzten. „Denn die Polizei wird nicht alle Unterkünfte sichern können.“
„Wenn es Brandstifter sind, sind es für mich Verbrecher."
„Getroffen werden dabei die Grundwerte unseres Zusammenlebens und auch das Engagement der Kommunalpolitiker und Willkommensinitiativen in Brandenburg“, sagte Görke am Dienstag nach einem Besuch der ausgebrannten Notunterkunft für Asylbewerber. Die Bemühungen von Kommunen und Bürgern für die Flüchtlinge würden gezielt sabotiert. „Leib und Leben der Einsatzkräfte und Anwohner wurden gefährdet.“ Es müsse alles unternommen werden, die Brandstifter zu ermitteln, betonte Görke.
„Wir werden alles daran setzen, Ursachen und Täter zu ermitteln“, betonte der Innenminister. „Solch ein Akt ist in keiner Weise zu tolerieren.“
„Ob Ausländerhetze und tätliche Angriffe auf Menschen in Not in Heidenau oder die Verhinderung des Einzugs von Flüchtlingen in Nauen per Brandstiftung, derartige Aktionen sind beschämend und Deutschlands unwürdig.“ Am Abend wollten sich Bürger in Nauen zu einer Mahnwache zusammenfinden.
Die Feuerwehr war mit 61 Feuerwehrmännern, 16 Einsatz- und drei Löschfahrzeugen vor Ort. Dass die Halle so schnell in Flammen stand, sei auch ein Zeichen dafür, dass Brandbeschleuniger verwendet wurde. Gegen 1 Uhr meldete der Wachschutz keinerlei besondere Vorkommnisse. Dass die Halle schon deutlich länger brannte, wie Behörden ursprünglich vermuteten, konnte die Polizei jetzt nicht bestätigen. Verletzt wurde nach ersten Angaben niemand, der Staatsschutz ermittelt.
Turnhalle im Jahr 2007 eröffnet
Die Turnhalle für vier Millionen Euro war im Jahr 2007 eröffnet worden und sollte als Übergangsheim für rund 100 Flüchtlinge aus Syrien, Albanien, Afghanistan und Irak dienen. Ende des Jahres sollten die Flüchtlinge dann in einen Neubau ziehen, der noch gebaut wird. Erste Flüchtlinge sollten in der nächsten Woche in die Turnhalle in Nauen ziehen.
"Wenn die Täter glauben, dass man nur ein Haus anstecken braucht, damit man verhindere, dass Flüchtlinge kommen, irren sie. Wir werden unserer Verpflichtung, den Menschen eine Unterkunft zu geben, nachkommen", sagte Vize-Landrat Roger Lewandowski am Dienstagvormittag.
An Niederträchtigkeit nicht zu überbieten
Nauens Bürgermeister, Detlef Fleischmann (SPD), zeigte sich tief betroffen. „Wenn es Brandstifter sind, sind es für mich Verbrecher. Das ist an Niederträchtigkeit nicht zu überbieten. Hoffentlich werden jetzt die Menschen aufwachen und den rechten Rattenfängern nicht mehr auf den Leim gehen", sagt er. Es gebe immer wieder rechtsextremistische Hetze in den sozialen Netzwerken.
In den vergangenen Wochen sei es aber eher ruhig gewesen, nachdem die beiden Täter nach mehreren Anschlägen auf Parteibüros der Linken und der SPD gefasst worden seien.
Farbbeutel und angebrütete Eier
Fünf oder sechs Mal war das Wahlkreisbüro von Andrea Johlige (Linke) im Zeitraum von März bis Juni attackiert worden. Farbbeutel und angebrütete Eier hatten die Täter an die Fassade geworfen, Scheiben kaputt geschlagen. "Wir müssen alle daran arbeiten, dass ein Klima herrscht, wo solche Taten geächtet sind", sagte Johlige. Dies sei ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für Weltoffenheit und Toleranz einsetzten. „Denn die Polizei wird nicht alle Unterkünfte sichern können. Ich hätte nicht geglaubt, dass der rechte Terror so weit geht, dass Heime abgefackelt werden. Aber jetzt sind wir eines Besseren belehrt worden", so die Nauener Landtagsabgeordnete.
"Es war nur eine Frage der Zeit"
Die Anwohner Heiko W. und Nadine B. sind entsetzt, jedoch nicht verwundert. "Es war nur eine Frage der Zeit, dass hier so was passiert", sagt Heiko W. Die Situation in Nauen sei schon lange angespannt gewesen.
Nadine B. sagt, es sei "komplett unsäglich", wenn das Feuer absichtlich gelegt worden sei. "Und es ändert ja nichts. Die Flüchtlinge kommen nach Nauen, so oder so." Heiko W. fügt hinzu: "Die Leute kommen hierher, um ein neues Leben zu beginnen. Das kann man nur befürworten."
Ähnlich sehen es zwei andere Nauener: "Es war klar, dass das irgendwann passiert. Viele wollen diese Flüchtlingsunterkunft in der Nähe der Schule nicht. Hätten sie mal gewartet, bis die richtige Flüchtlingsunterkunft fertig ist und die Flüchtlinge nicht in der Turnhalle der Schule untergebracht."
Massive Störungen
Mehrfach gab es auch Demonstrationen gegen die geplante Aufnahme von Asylbewerbern in Nauen. Im Februar war eine Stadtverordnetenversammlung zu dem Thema massiv von rechtsextremen Demonstranten gestört worden. Die Sitzung musste abgebrochen werden. Gegen die Rechtsextremen hatten sich allerdings zahlreiche Bürger gewandt und immer wieder Gegendemonstrationen organisiert. Im Juni sprachen sich die Fraktionen in einer Erklärung gegen Rechts und für eine Willkommenskultur für Flüchtlinge aus.
Der Landkreis wird sich nun schnellstmöglich zusammensetzen, um eine alternative Flüchtlingsunterkunft zu finden, hieß es noch am Vormittag.