Luftverkehr Luftverkehr: «Westflieger» für die DDR

Hamburg/dpa. - Vom DDR-Flaggschiff zum Regierungsjet desBundeskanzlers - als der erste Interflug-Airbus am 26. Juni 1989 inBerlin-Schönefeld gelandet ist, ahnt noch niemand, dass der Jet nichtnur am Himmel durch kräftige Turbulenzen fliegen wird.
Beim Start des Flugbetriebs vor 15 Jahren lobten die Medien inOstberlin das Flugzeug aus westlicher Fertigung. «Der Airbusverbraucht pro Passagier auf gleicher Strecke nur 0,6 Liter mehrKraftstoff als ein Trabant», wurde ein Interflug-Kapitän zitiert.
Bei der ostdeutschen Airline nahm der Airbus A310 seit Anfang Juli1989 Kurs auf Bangkok, Singapur, Peking oder Havanna. SpezielleZusatztanks machten den Nonstopflug nach Kuba möglich. Damit gehörtendie Jets der Interflug zu den A310-Versionen mit der größtenReichweite.
Trotz Glasnost, Liberalisierung und innerdeutscher Annäherung lagselbst über dem ersten Flug des Interflug-Airbus vom Werk in Toulousenach Berlin noch der Schatten des Kalten Krieges. Die Route führtenicht auf dem direkten Weg durch den westdeutschen Luftraum, sondernüber die Tschechoslowakei nach Schönefeld. Erst nach derWiedervereinigung fielen die letzten Einschränkungen iminnerdeutschen Luftverkehr.
Mit der Lieferung des Zweistrahlers öffnete sich rund vier Monatevor dem Mauerfall eine ganz andere Grenze: erstmals durfte westlicheLuftfahrt-Spitzentechnik in den Ostblock exportiert werden. Dazuerteilte der damals zuständige COCOM-Ausschuss der westlichenIndustrienationen die Genehmigung. Das Geschäft hatte unter anderemFranz-Josef Strauß (CSU) eingefädelt.
Für die Interflug-Besatzungen bedeutete der Airbus fliegerischesNeuland: Zuvor bildeten sowjetische Iljuschin IL-62 das Rückgrat derLangstreckenflotte. Dort sind die Instrumente kyrillisch beschriftet- im Airbus dominiert Englisch. Höhenmesser zeigen im Ostblock denAbstand zum Boden in Metern an - die westliche Luftfahrtwelt misst inFuß. Bei Pilotenausbildung und Wartung für den neuen Jet unterstütztedie Lufthansa ihre ostdeutschen Kollegen.
Auf den Routen nach Fernost oder Kuba waren die Interflug-Pilotenallerdings schon seit vielen Jahren zu Haus: Die Flüge waren abernicht nur politisch wichtige Bindeglieder zu sozialistischenBrüderländern. Auf vielen Fernstrecken saßen auch Devisen bringendeKlassenfeinde an Bord der Interflug-Jets.
Der Zweistrahler im Interflug-Design bot Platz für 200 Passagiere.Insgesamt wurden seit Anfang der 80er Jahre 255 Airbus A310 anFluggesellschaften in aller Welt ausgeliefert. Der Jet flog zumBeispiel bei Lufthansa auf Nordamerika- und Nahostverbindungen.Schärfster und sehr erfolgreicher Konkurrent für den Airbus A310 wardie Boeing 767.
Nach dem Ende der Interflug übernahm die Flugbereitschaft derLuftwaffe im Sommer 1991 die drei Jets. Mit einem komfortablenInterieur versehen, starten zwei Flugzeuge seitdem bei Auslandsreisender Bundesregierung. Im Inneren geht es allerdings nicht so luxuriöszu, wie an Bord eines kommerziellen Luxusjets. Die deutsche «AirForce One» ähnelt eher einer Mischung aus Schlafwagen und Wohnmobil.
Im Gegensatz zu ihren Airbus-Flugzeugen hatten es die Piloten derInterflug nach der Wende weitaus schwerer, einen neuen Arbeitgeber zufinden. Nur ein Drittel der insgesamt rund 400 hoch qualifiziertenKapitäne, Copiloten, Navigatoren und Ingenieure fand wieder eineentsprechende Stelle.